Hart nur in der Sache

Die Verteidigung hatte einen etwas längeren und schlecht handhabbaren Beweisantrag verlesen und Abschriften des Antrags an alle Beteiligten verteilt. Das Gericht gab der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Staatsanwältin hielt es für sinnvoll, diese Stellungnahme ebenfalls schriftlich zu formulieren und ihr Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung fand allseitige Zustimmung.

Nach etwa einer Stunde kam die Staatsanwältin zurück, ihren Laptop unter’m Arm und las ihre Stellungnahme vom Monitor ab. Sie lies kein gutes Haar an dem Beweisantrag der Verteidigung und begann, ihn nach allen Regeln der Kunst zu zerpflücken.

Am Ende machte die Strafkammer echt dicke Backen, denn die Entscheidung über den Antrag war nun wirklich nicht einfach.

Der Vorsitzende bat die Staatsanwältin, ihre Stellungnahme dem Gericht doch nun auch schriftlich zur Verfügung zu stellen. Die Strafverfolgerin teilte unter Bedauern mit, daß sie leider „hier im Hause“ keine Möglichkeit habe, die Word-Datei von ihrem Laptop auf ihren Arbeitsplatzrechner zu übertragen und auszudrucken. Und vertröstete die Beteiligten auf „übermorgen“, da sei sie wieder im Gericht.

Der Verteidiger reichte der Staatsanwältin einen USB-Stick, auf den sie die Stellungnahme kopierte. Die Datei konnte dann vom Verteidiger im Anwaltszimmer auf dem dortigen Rechner kopiert und ausgedruckt werden.

Für die Unterschrift unter ihre Stellungnahme lieh sich die Staatsanwältin dann den Kugelschreiber des Verteidigers aus …

So stelle ich mir das Arbeiten im Gericht vor: Streiten in der Sache wie die Kesselflicker, höflich im Umgang mit der Person.

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Staatsanwaltschaft, Verteidigung veröffentlicht.

11 Antworten auf Hart nur in der Sache

  1. 1
    Der schnelle Jochen says:

    Und der USB-Stick war mit einem Autorun-Trojaner infiziert, der dem netten Verteidiger jetzt jederzeit Zugriff auf die Kiste der Staatsanwältin gibt?

      Viel gemeiner: In dem Kugelschreiber des Verteidigers war Zaubertinte. crh
  2. 2
    ich says:

    Seit wann kann „jedermann“ bei Behörden einen USB-Stick einstecken? Dazu bedarf es doch sicher der Admin-Rechte….

  3. 3
    pascal says:

    Vielleicht wäre der privat-laptop

  4. 4
    RA Neldner says:

    @ich: Es gibt so gut wie kein Computersystem, das sicher auf die ausschließliche Verwendung nur bestimmter „zugelassener“ USB-Sticks eingestellt ist. In den meisten Fällen erfolgt ein „Schutz“ des Systems höchstens per Dienstanweisung („Liebe Mitarbeiter, bitte benutzt keine fremden USB-Sticks …“)
    Hintergrund ist, dass technische Lösungen aufwendig und (scheinbar) unpraktikabel sind.

    BTW: Internet-Verbindung unterstellt, könnte der Text natürlich auch per Email oder Computerfax an die Geschäftsstelle des Gerichts geschickt werden. Nicht überall gibt es luxuriöse Anwaltszimmer mit Computer (und heißem Kaffee :-)).

  5. 5
    Johannes says:

    @ Nelder: So stimmt das nicht. Man kann Systemseitig einfach die USB-Ports deaktivieren, oder nur bestimmte Gerätegruppen wie zum Beispiel HIDs zulassen. Folge: kein Massenspeicher.

    Aber der Post von Herrn Hoenig ist süß. Fast wie eine Weihnachtsgeschichte.

  6. 6
    Burschel says:

    Machen RA Schwenn und der StA in Mannheim bestimmt auch so

  7. 7
    RA Neldner says:

    @Johannes: Ich habe nicht behauptet, dass die Sperrung von USB-Sticks unmöglich wäre. Es wird nur in der Praxis fast nie gemacht.
    Die von Ihnen beschriebene Lösung führt allerdings dazu, dass USB-Sticks gar nicht mehr verwendet werden können, was viele Organisationen als inakzeptabel ansehen.

  8. 8
    Ulrich Dost says:

    Das merke ich mir. Wenn die Verfolger einen Antrag der Verteidigung zerpflücken, reiche ich eine als USB Stick getarnte Bombe rüber, der keine große Sprengkraft hat, aber ausreicht, beim Einstecken den Laptop in alle Einzelteile zu zerlegen, ohne Personenschaden anzurichten.

  9. 9
    Ö-Buff says:

    Man hat Leute schon ihr Laptop mit dem Display auf den Kopierer legen sehen…

  10. 10
    Großbudentante says:

    Das Problem ist, dass bei vielen Staatsanwaltschaften die Dienst-PCs keine Laufwerke haben, USB-Sticks generell nicht funktionieren und nur Text-Emailsempfangen werden können. Eine Bekannte bei einer großen StA muss zu ihrem AL gehen, um Word-Anhänge zu Drucken. Sie selbst hat dazu nicht die Rechte. In den ersten 3 Monaten durfte sie nicht einmal drucken, dass musste der AL bei der Gegenzeichnung machen.

  11. 11
    Ref.iur. says:

    @ Großbudentante

    Um welches Bundesland handelt es sich?