Klappe halten

Es geht um eine fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr. Der Mandant fährt, seine Frau und seine 3-jährige Tochter sitzen auch im Auto, als es zu Kollision mit dem Radfahrer kommt.

Der Mandant bekommt Post von der Polizei. Ihm wird diese Straftat zur Last gelegt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 163a StPO). Damit meldet er sich bei mir.

Wir teilen der Polizei mit, daß wir erst einmal Akteneinsicht beantragen und danach entscheiden, ob eine Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegeben wird.

Wenig später bekommt auch die Ehefrau Post von der Polizei, sie soll als Zeugin aussagen. Der Mandant fragt, wie seine Frau darauf reagieren soll.

Ich antworte ihm per eMail:

Sie ist nicht verpflichtet zu reagieren, also sollte sie es auch nicht.

Entweder hat sie etwas gesehen, was Dir schadet – dann soll (und darf) sie schweigen (weil sie als Zeugin nicht lügen darf). Oder sie hat etwas gesehen, was Dir nützt. Dann kann sie das auch später noch liefern.

Später heißt: Nachdem wir die Akte gesehen haben und steuern können, in welche Richtung die Verteidigung gehen soll.

Wenn sie unbedingt etwas tun möchte, kann sie Eurer Tochter den Zeugenfragebogen zum Ausfüllen geben und ihn anschließend an die Polizei zurückschicken. ;-)

und bitte ihn, seine Frau entsprechend zu instruieren.

Ein halbe Stunde später erreicht mich die Kopie der eMail an seine Frau:

Hallo Schatz,

mein Anwalt sagt, du sollst die Klappe halten und dem Kind was zum Spielen geben. (sag ich ja auch immer) 8-)

Gruß Walter

Ich sollte daraus vielleicht einen Textbaustein für die Beratung von Beifahrerinnen meiner Mandanten basteln.

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten veröffentlicht.

13 Antworten auf Klappe halten

  1. 1
    Gregor says:

    Das ist ja wie im Fernsehen: Das Organ der Rechtspflege duzt den Beschuldigten und organisiert mit ihm zusammen den Inhalt der Zeugenaussage.

  2. 2
    Pandur2000 says:

    @Gregor: Ihnen auch frohe Weihnachten und so.

  3. 3
    Zuschauer mit Popcorn says:

    „organisiert mit ihm zusammen den Inhalt der Zeugenaussage“

    Eine ziemlich dreiste Unterstellung angesichts der Tatsache, dass der Artikel einzig und alleine davon spricht, erst nach Akteneinsicht zu entscheiden, welche Richtung man einschlägt (um dann zu analysieren ob die Aussage der Frau nützlich ist oder nicht).

    „Das ist ja wie im Fernsehen“
    Wenn man hier den gesamten Bildungsstand herzieht könnte das die obige Unterstellung durchaus erklären.

  4. 4
    RechtsAmWald says:

    @Gregor: Ja, etwa so, wie die „neutralen“ Ermittlungsbehörden stets auch alle entlastenden Momente mit Nachdruck zu ermitteln versuchen. Mit Verlaub.

  5. 5
    Gregor says:

    Es ist doch jedem von uns klar, wie das hier laufen wird: Man schaut sich gemeinsam die Akte mitsamt der Aussage des Opfers und der anderen Zeugen an und bespricht dann, wiederum gemeinsam, was genau die Ehefrau aussagen soll, um einerseits noch etwas Entlastendes beitragen zu können, ihre Aussage aber andererseits nicht durch allzu offensichtliche Unwahrheiten zu entwerten.

    Und ja, natürlich machen das alle so, wenn ein Zeuge aus dem näheren persönlichen Umfeld kommt. Normalerweise sind die Anwälte aber vorsichtig genug, sowas öffentlich nicht mal anzudeuten.

  6. 6
    RechtsAmWald says:

    @Gregor: Ziemlich weit voraus spekuliert, finden Sie nicht? Vorschlag zur Güte: einfach § 147 I StPO abschaffen.

  7. 7
    Gregor says:

    @RechtsAmWald: Offenbar sind Sie der Meinung, dass es dasselbe ist, wenn der Verteidiger die Aussage eines Zeugen auf die aus den Akten gewonnenen Erkenntnisse abstimmt, wie wenn er dies – was unproblematisch zulässig ist – mit dem Beschuldigten tut. Dieser Ansicht ist der BGH aber ganz entschieden nicht.

  8. 8
    RA JM says:

    @ Gregor (1):

    Auch Organe der Rechtspflege sollen gelegentlich Freunde / Bekannte haben, mit denen sie sich duzen. Ebenso soll es vorkommen, dass eben diese dann irgendwann das Opfer staatlicher Verfolgungsmaßnahmen werden und dann natürlich den Verteidiger ihres Vertrauens konsultieren.

  9. 9
    RechtsAmWald says:

    @ Gregor. Sätze, die mit „offenbar“ anfangen, sind erfahrungsgemäß besonders kritisch zu prüfen. Ich möchte Sie doch herzlich bitten, nicht zu viel zu mutmaßen.

    Zu Sache: Der Unterschied zwischen Zeugen und Beschuldigten ist mir bekannt. Jedoch gibt es auch § 55 StPO nicht ohne Grund.

    Und nun möchte ich Sie bitten, bei den Tatsachen zu bleiben. Ich zitiere:

    Sie ist nicht verpflichtet zu reagieren, also sollte sie es auch nicht. Entweder hat sie etwas gesehen, was Dir schadet – dann soll (und darf) sie schweigen (weil sie als Zeugin nicht lügen darf). Oder sie hat etwas gesehen, was Dir nützt. Dann kann sie das auch später noch liefern.

    Bitte aufmerksam lesen! Danke.

  10. 10
    corinna says:

    Viel schlimmer wenn der Richter den gegnerischen Anwalt während der Verhandlung duzt und sagt, sie wären Freunde aber er würde trotzdem objektiv entscheiden.

  11. 11

    […] den Beitrag weiterlesen: Klappe halten | Kanzlei Hoenig Info AKPC_IDS += "35548,";Popularity: unranked [?]SHARETHIS.addEntry({ title: "Klappe halten | Kanzlei […]

  12. 12

    […] ebenfalls ein Thema, vgl. hier und hier  und hier. 5. Und immer wieder: Schweigen ist Gold, vgl. hier und hier. 6. Über ein 14-stündiges letztes Wort berichtete der Law-Blog. 7. Die […]

  13. 13

    […] eben Klappe halten, wie hier von Kollegen RA Hoenig aus Berlin unterhaltsam berichtet […]