Am 7. Januar 2005 verstarb der in Sierra-Leone geborene Ouri Jallow in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau an den Folgen eines durch den Brand der Matratze, auf der er fixiert worden war, ausgelösten Inhalationshitzeschocks.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten, der als Dienstgruppenleiter die Verantwortung für den Gewahrsamsbereich getragen habe, zur Last gelegt, er habe es unterlassen, sofort nach dem Ertönen des Alarmsignals des Rauchmelders Rettungsmaßnahmen einzuleiten, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass beim Ansprechen eines Rauchmelders stets vom Ausbruch eines Feuers auszugehen sei. Dabei habe er mögliche Verletzungen Ouri Jallows durch Rauch- und Feuereinwirkung billigend in Kauf genommen.
Das Landgericht Dessau-Roßlau hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen. Es sei weder erwiesen, dass der Angeklagte Körperverletzungsvorsatz gehabt habe, noch sei nachweisbar, dass der Angeklagte durch ein sofortiges Eingreifen den Tod Ouri Jallows hätte vermeiden können.
Das ist der trockene Bericht des Bundesgerichtshofs in seiner Pressemitteilung vom 7. Januar 2010 über ein Verfahren, das sich in Dessau im Land Sachsen-Anhalt abspielte.
Über Mouctar Bah, der väterliche Freund von Ouri Jallow, seine Bemühungen um die Aufklärung des Vorfalls und seine Erfahrungen in Dessau berichtet heute Michael Bartsch in der taz:
Mit seinem Engagement gilt er Behörden wie auch Einwohnern in Dessau offenbar als Störenfried. Um sein 2003 in der Naumannstraße im südlichen Stadtzentrum Dessaus eröffnetes Telecafé ist eine Art Stellvertreterkrieg entbrannt. Es ist zum Anlaufpunkt für viele hier lebende Afrikaner geworden. Doch es gab Nachbarn, die sich über „Negerpisse“ beschwerten und auch mal tätlich wurden, und es gab mehrere Anzeigen gegen Inhaber Bah, die jedoch alle ins Leere liefen.
Auch die Stadtverwaltung sieht ihn offenbar als Nestbeschmutzer an. Unter dem Vorwand, den Drogenhandel zu begünstigen, wurde Bah wegen „charakterlicher Nichteignung“ die Lizenz für den Laden entzogen.
Soweit die Stimmung in Desslau, in deren Kontext auch das Urteil des Landgerichts zu sehen ist.
Offenbar ist es dem Landgericht Dessau-Roßlau in seinem Urteil vom 8. Dezember 2008 nicht gelungen, Mouctar Bah und den Bundesgerichtshof davon zu überzeugen, sauber gearbeitet zu haben. Der BGH begründet in der Pressemitteilung die Aufhebung des schlampig begründeten Urteils des Landgerichts:
Nach den Urteilsausführungen ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand der Matratze im Einzelnen entwickelt hat. Insbesondere bleibt unklar, ob ein vom Landgericht angenommenes „Anschmoren“ des Matratzenbezuges ohne Verbrennungen der Hand und entsprechende Schmerzenslaute möglich wäre, die den Angeklagten zu einem frühzeitigen Eingreifen hätten veranlassen müssen. Zudem hat das Landgericht bei der Bemessung der für die Rettung Ouri Jallows zur Verfügung stehenden Zeit nicht bedacht, dass der Rauchmelder bereits Minuten vor dem Entzünden der Schaumstofffüllung der Matratze, das innerhalb von zwei Minuten zu einem tödlichen Inhalationsschock führte, möglicherweise bereits dadurch ausgelöst worden war, dass der schwer entflammbare Matratzenbezug zunächst unter Verwendung eines Gasfeuerzeuges angeschmolzen wurde, um die Schaumstofffüllung freizulegen. Dann hätte der Angeklagte aber möglicherweise den Todeserfolg verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm die erforderlichen Rettungsmaßnahmen eingeleitet hätte. Der 4. Strafsenat hat im Übrigen die Annahme des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte habe sich pflichtgemäß verhalten, obwohl er den Alarm zunächst wegdrückte, anschließend ein Telefongespräch mit seinem Vorgesetzen führte und danach auf dem Weg zu dem Gewahrsamsbereich umkehren musste, weil er vergessen hatte, die Fußfesselschlüssel mitzunehmen.
Die Geschichte wird – fünf Jahre nach dem Tod von Ouri Jallow – nun in Magdeburg wieder neu verhandelt. Es bleibt zu hoffen, daß das dortige Landgericht die Chance erkennt und wahrnimmt, die Umstände des Todes mit der gebotenen emotionsfreien Sorgfalt aufzuklären.
Dies steht nicht zuletzt auch im Interesse der Dessauer Polizei, um deren Ansehen sich Innenminister Holger Hövelmann (SPD) bemüht, der das Bild der Polizei in Sachsen-Anhalt generell zu verbessern versucht.
Hier wird es das Urteil des 4. Strafsenats vom 7.1.2010 – 4 StR 413/09 – geben, sobald es geschrieben ist.
Naja, der Vorwurf des Drogenhandelns ist nicht so ganz von der Hand zu weisen. Auch das Opfer war in dieser Hinsicht einschlägig bekannt.
Und dass dem Gericht wohl durch das Mauern der Polizisten mangels Beweise freisprechen musste, ist leider auch die Wahrheit. Oder darf/sollte ein Richter nach § 261 auch verurteilen, wenn es keine Beweise für die Erfüllung des Tatbestands in der Hauptverhandlung gibt?
Das mit dem Drogenhandel ist Kaffeesatzleserei, daran beteilige ich mich nicht.
Zu den fehlenden Beweisen: Der BGH hat das Urteil mit Gründen kassiert, die auf eine fehlerhafte Aufklärung der Umstände hindeuten, also auf einen Verstoß gegen § 244 II StPO.
Daß es keine Beweise „gegeben“ hat, kann mehrere Ursachen haben. Unter anderem die, daß nicht intensiv genug danach gesucht wurde. Und an diesem Punkt stellt sich dann die Frage, warum die Mauer der Polizeibeamten nicht geknackt wurde.
Der zweite Durchgang muß nicht mit einer Verurteilung enden. Aber wenn es ein Freispruch gibt, muß dieser sich genauso an die Spielregeln halten wie eine Verurteilung. Nur dann kann der dem bisherigen Ergebnis anhaftende Geruch beseitigt werden.
Warten wir auf die Gründe der Revisionentscheidung, dann wird das sicher deutlicher.
In irgendeinem anderen Artikel in einer Zeitung hiess es, dass der Vorwand „den Drogenhandel zu begünstigen“ daraus konstruiert wurde, dass in der Umgebung des Cafes Drogenhandel statt fand, und dass Herr B. dies nicht „verhindert“ habe. DAS soll die “charakterlicher Nichteignung” gewesen sein.
Es ist eine Schande, was die „Behörden“ in Dessau sich erlauben.
Schade auch deshalb, weil die A9 bei Dessau eine Super-Strecke ist um ein Fahrzeug zu testen :-)
In der FAZ zum Thema Mouctar Bah (letzte zwei Absätze).
Eine Schande.