Richterliche Stimmungsmache

Klare und deutliche Worte statt diplomatische Schönrederei sind sehr oft das bessere Mittel der Wahl. Jedenfalls wenn es um Blogbeiträge oder sonstige polemische Veröffentlichungen geht.

Handelt es sich hingegen um die Begründung richterlicher Entscheidungen, meine ich, daß die Wortwahl eher gemäßigt sein sollte. Richter sollten sich allein aufgrund ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege und damit als Teil der Staatsgewalt grundsätzlich zurückhalten mit blumigen Äußerungen.

Nun gibt es aber auch insoweit Unterschiede: Ein Richter am Verwaltungsgericht wird seine Urteile anders formulieren wie ein Richter am Strafgericht. Das macht der Umgang. Beispielhaft seien an dieser Stelle die Urteile des Strafrichters am Amtsgericht Tiergarten Rüdiger Warnstädt genannt; bei ihm hat man durchaus den Eindruck, daß da etwas Grenzwertiges geschieht.

Richter Warnstädt war aber nun einmal eine Marke in Moabit, war als solche akzeptiert und konnte sich seine markigen Richtersprüche auch aufgrund seines Alters seiner Erfahrung erlauben.

Wenn aber nun ein Düsseldorfer Zivilrichter daherläuft und die Linguistik der Trolls aus dem Heiseforum in die Gründe seiner Entscheidung einfließen läßt – selbst wenn es sich „nur“ um einen Kostenbeschluß handelt, dann ist für mein Gefühl (s)eine Grenze überschritten.

Man kann sowohl von der Content Services Ltd. als auch von dem Rechtsschutzversicherer ARAG halten was man will. Das Auftreten beider Gesellschaften im zivilen Rechtsverkehr ist sicherlich umstritten und veranlaßt den einen oder anderen Blogger (oder Heisetroll) zur stimmungsvollen Stellungnahme.

Der Herr Richter am Amtsgericht Düsseldorf Fischer (laut Geschäftsplan ist er zuständig für die Abteilung 43) sollte eine Gesellschaft in einer Beschlußbegründung vom Umfang einer DinA4-Seite aber nicht insgesamt sieben Mal als Abzocker titulieren.

Sowas hätte sich selbst ein Richter Warnstädt nicht erlaubt. Ein kleiner Zivilrichter sollte sich erst recht zurückhalten. Dem Herrn Fischer wird dieses Urteil ganz bestimmt irgendwann einmal auf die Füße fallen.

Anm.: Nein, ich vertrete weder die Interessen der ARAG, noch die der Content Services Ltd.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

13 Antworten auf Richterliche Stimmungsmache

  1. 1
    BV says:

    Inhaltlich ist die Kritik sicherlich nachvollziehbar.

    Aber gibt es irgendeinen Grund, den Richter hier namentlich und obendrein in Fettdruck zu benennen? Und das obwohl der Name nicht allenthalben bekannt ist, sondern über den Geschäftsverteilungsplan ermittelt werden muss und damit nicht einmal 100 %-ig sicher ist, dass der Beschluss tatsächlich vom genannten stammt (könnte ja auch der Vertreter im Amt gewesen sein oder ein neuer Dezernent wegen langwieriger Krankheit oder Versetzung von Herrn Fischer).

      1. Ja, es gibt einen Grund.
      2. Nein, es ist kein Vertreter.
      crh

  2. 2
    whocares says:

    Zugegeben: als Richter sollte man den Begriff „Abzocker“ schon ein wenig besser ins schriftliche bringen können. Angesichts der so „geschmähten“ Beklagten erinnere ich mich aber gerne an den lakoninsch-pragmatischen Ausspruch eines amerikanischen Freundes, den er zu solchen Gelegenheiten öfters mal anbrachte: „Could have happened to a nicer guy“.

  3. 3
    HiG says:

    Ich kann die Kritik so nicht nachvollziehen. Inhaltlich ist die Bezeichnung „Abzockerin“ für die Content Services Ltd. völlig zutreffend. Warum sollte man das Kind nicht beim Namen nennen? Sprachlich ist es weniger schön, so oft dieselbe Bezeichnung zu verwenden. Mir sind aber klare und nachvollziehbare Entscheidungen in verständlicher Sprache allemal lieber, als sprachlich hochtrabend abgefasste Entscheidungen, die an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen.

  4. 4
    peter says:

    und warum auch nicht? Ist es zuviel verlangt, wenn jeder mit seinem Namen zu dem steht, was er gesagt oder geschrieben hat?

  5. 5
    Lexus says:

    Moment? Der Herr Richter bezeichnet aber doch nicht eine der Parteien als Abzocker, sondern eine dritte Gesellschaft, die in einem vorherigen Verfahren als Internetabzocker verurteilt wurde, als solche?

  6. 6
    Susanne says:

    Vielleicht war die Behauptung des Klägers, die Beklagte sei eine „Abzockerin“, unstreitig geblieben. Dann wäre das keine eigene Wertung des Gerichts, sondern lediglich Wiedergabe unstreitigen Vortrags… :-)

  7. 7
    showbee says:

    Bitte? Die Wertung als unstreitige Tatsache? Wohl eher eine STRG+C und STRG+V Werk einer Referendarsarbeit ohne richterliche Kontrolle?

  8. 8
    Christian says:

    Der Begriff „Abzocke“ ist schon für sich genommen sprachlich unschön und gehört nicht in einen geschrieben Text – schon gar nicht in einen juristischen. Entweder handelt es sich um einen Betrug (oder einen verwandten Tatbestand), dann kann man den Sachverhalt auch so klar und deutlich benennen. Oder man unterlässt eine abwertende Bezeichnung ganz und greift zu einer neutralen Wertung. So riecht die Entscheidung jedenfalls nach Gosse.

  9. 9
    Norbert says:

    Ich vermute, der Richter hat erkannt, dass „Abzocke“ mittlerweile ein wesentlicher Wirtschaftszweig im Internet ist. Irgendwann wird „Abzockerin“ eine völlig normale Bezeichnung wie „Immobilienmaklerin“ oder „Zeitschriftenwerberin“ sein.

  10. 10
    Gabi says:

    Hier ging es doch um einen Streit zwischen Rechtsschutzversicherer und Versicherten. Die Content Services Ltd. war gar nicht beteiligt. Wenn also beide Parteien die Fa. übereinstimmend als „Abzockerin“ bezeichnet haben, war das unstreitiger Vortrag. Vielleicht dachte der Richter auch, „Abzockerin“ sei Teil der Firmenbezeichnung der Content Services Ltd… :-)

  11. 11
    Will Kür says:

    Norbert, bei der Aufzählung sollte „Anwältin in Meinungsäußerungsverfahren“ nicht vergessen werden. Ist ja auch in Berlin ein beliebter Beruf.

  12. 12
    Tribble says:

    Sieht mir eher danach aus, der Richter hatte die Begründung erstmal „unrein“ drauflosdiktiert und die Kanzleikraft sollte danach mit Suchen-und-Ersetzen drübergehen – was aber wohl nicht ganz geklappt hat.

  13. 13
    fernetpunker says:

    Schließe mich dem Beitrag von Christian an.