Der kluge Zeuge redete sich um Kopf und Kragen. Belastete sich und andere. Und erzählte erkennbar viel unwahres Zeug.
Irgendwann war es genug und das Gericht unterbrach die Vernehmung. Förmlich entlassen wurde der Zeuge allerdings nicht, er sollte später noch weiter vernommen werden.
Der Zeuge scheint dann doch etwas gemerkt zu haben; jedenfalls erschien er im zweiten Termin dann mit einem Strafverteidiger als Zeugenbeistand. Der Kollege reagierte auf die erste Frage des Vorsitzenden mit dürren Worten:
1. Das, was sein Mandant in dem ersten Teil seiner Vernehmung ausgesagt hatte, sei unrichtig gewesen. Er nehme die Aussage zurück. Weitere Erklärungen dazu gebe er nicht ab.
2. Im übrigen mache er von nun von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch.
Ob das nun ausreicht, um zumindest die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen der Falschaussage zu verhindern, glaube ich allerdings nicht.
Tja, ohne Korrektur könnte er jetzt ein Problemchen mit sich herumtragen.
Nur mal ein paar Korinthen am frühen Morgen: § 55 StPO gewährt dem Zeugen lediglich ein Auskunftsverweigerungsrecht in Hinblick auf einzelne Fragen. Wenn es also beispielsweise um einen anderen Sachverhaltskomplex geht, kann der Zeuge sein Zeugnis nicht komplett verweigern. Allerdings, zugegeben, wird es oft nicht ganz einfach sein, doch noch einzelne erlaubte Fragen zu stellen, wenn man sich schon grundsätzlich im Bereich des 55 bewegt. In der Praxis dürfte das Recht daher einem Zeugnisverweigerungsrecht ziemlich nahe kommen, nehme ich an.
Eine Aussage ist erst mit der „Entlassung“ des Zeugen gemacht, eine evtl. Falschaussage erst dann vollendet. Bis dahin kann also eien „Korrektur“ den Inhalt der zu bewertenden Aussage noch verändern. Da der Versuch des § 153 StGB nicht strafbar ist, liegt im geschilderten Fall noch keine Falschaussage vor. Es erscheint mir daher eine kluge Entscheidung des Kollegen, so die Notbrmese noch gerade rechtzeitig gezogen zu haben. Allerdings hätte der Zeuge selbst zu Wort kommen müssen. Dass ein Zeugenbeistand statt des Zuegen selbst in einer Vernehmung antwortet, ist nicht prozessordnungsgemäß. Hier hätte das Gericht den Zeugen selbst (weiter) befragen müssen. Die Berufung auf § 55 StPO erfordert die Glaubhaftmachung der Grundlage dafür.
Fußnote zu Müller (#3): vgl. Schönke/Schröder/Lenckner, § 153 StGB Rdnr. 8 mit Hinweis auf BGH NJW 1960, 731.
Wenn die Aussage „zunächst“ falsch war, kann sie in der Tat korrigiert werden.
Erst falsch aussagen, dann auf 55 StPO umschwenken, ist m.E. keine Korrektur. Der falsche Teil bleibt im Raum, wird nicht korrigiert, wenn dann berechtigt nach 55 StPO geschwiegen wird, wird man den Zeugen entlassen müssen und damit steht m.E. die falsche Aussage.