Steglitzer Modell

Aus der Ermittlungsakte in einer Jugendstrafsache:

Aufgrund einer längeren Erkrankung des KHK Bullmann wurde der Vorgang durch mich übernommen.

Im Rahmen der notwendigen Priorisierung in der Vorgangsbearbeitung kam es zu einer längeren Nichtbearbeitung dieses Vorganges.

Tatzeit war der 12. Januar 2010. Den verschwurbelten Vermerk hat der Polizeibeamte am 16. Juni 2010 geschrieben. Es ging um eine kleine Körperverletzung unter zwei Pubertisten.

Der Schlußbericht, aus dem das Zitat stammt, findet sich auf Blatt 18 der Akte. Neun Seiten enthalten Kopien aus anderen Akten; insgesamt ein filmdünnes Heftchen, das da monatelang unbearbeitet auf irgendwelchen Fensterbänken herumlag …

Sowas haben die Neuköllner besser im Griff.

Dieser Beitrag wurde unter Polizei veröffentlicht.

7 Antworten auf Steglitzer Modell

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    nemotenetur says:

    Ja, das ist wirklich geschwurbelt. Die Polizei sollte viel mehr promovierte Akademiker in die Laufbahn des mittleren Polizeidienstes einstellen. Ein Glück, dass sich wenigstens die Juristen immer so sprichwörtlich lebendig ausdrücken.

    Aber den eigentlich Vorwurf müssen Sie nochmal erklären. Wenn man mal als gegeben ansieht, dass der Bearbeiter wegen der Erkrankung des Kollegen ein paar Monate lang die doppelte Arbeit machen musste, war es doch eigentlich ein guter Ansatz, eher die Bagatelle liegen zu lassen als etwas Wichtiges, oder?

  2. 2
    MaxR says:

    Jetzt muß sich nur der Staatsanwalt der MEinung der Polizei anschließen, daß es sich um eine Bagetelle handelt.

    Dann hat doch alles seinen tieferen Sinn gehabt.

  3. 3

    @nemotenetur: Erstaunlicherweise sind es meist gar nicht die Juristen, die sich verschwurbelt ausdrücken. Das machen eher die, die das für juristisch halten, gerne Beamte im mittleren Dienst. Oder Österreicher. ;-)

  4. 4
    nemotenetur says:

    @christoph: Richtig, den Juristen merkt man ihre im Schnitt doppelt so lange Ausbildung u.a. daran an, dass sie sich meist – die häufige Lektüre von Anwaltsschriftsätzen ernüchtert allerdings auch insoweit – etwas besser ausdrücken können und eine gewisse Routine im Umgang mit der Rechts- und Verwaltungssprache erwerben.

    Aber muss es deshalb gleich so viel Akademiker-Hybris gegenüber Leuten sein, die dieses Bildungsprivileg nicht hatten?

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    knilch says:

    @christoph nebgen Ich widerspreche.

  6. 6
    RA Müller says:

    Naja, in der Regel spielt die Zeit ja für den Beschuldigten. Bei kleineren Delikten wird es irgendwann nach laaanger Bearbeitungszeit doch zu peinlich, die jetzt noch anzuklagen ;)

  7. 7
    klabauter says:

    naja, seitdem jegliche tatsächliche oder vermeintliche Verfahrensverzögerung
    – zur Strafmilderung für den Beschuldigten,
    – zum Risiko der Strafverfolgung des Ermittlers wegen Strafvereitelung im Amt
    – und zu dienstrechtlichen Problemen
    – oder aber zur Notwendigkeit einer Überlastungsanzeige, sei es zur eigenen Entlastung vom Vorwurf der Strafvereitelung im Amt oder aber um bei höherer Stelle Personalbedarf anmelden zu können
    führt,
    scheint der Dokumentations- und (vermeintliche) Rechtfertigungszwang fröhliche Urstände zu feiern.

    Bald werden – auch nach Einführung des Anspruchs auf Entschädigung für überlange Verfahrensdauer – Ermittler und Richter mehr damit beschäftigt sein, ihre Arbeitsschritte zu dokumentieren und zu begründen, als ihre Arbeit zu erledigen.