In einer Bußgeldsache habe ich von einem Amtsgericht in schönen Lande Brandenburg die schriftliche Ladung zum Termin bekommen. An diesem Tag findet jedoch in einer anderen Sache vor dem Landgericht Berlin ein Termin statt, zu dem ich mündlich geladen wurde.
Zuvor hatte ich darum gebeten, den Termin mit mir abzustimmen; das ist leider unterblieben.
Mit dem Hinweis auf die Terminskollision habe ich die Richterin am Amtsgericht daher um Verlegung des Termins gebeten. Die Richterin forderte mich auf, die Kollision nachzuweisen.
Das ist eine Stelle, an der ich ziemlich empfindlich reagiere; unterstellt mir die Richterin doch mit dieser Forderung (nicht: Bitte), sie angelogen zu habe.
Ich habe ihr gleichwohl höflich geantwortet und sie darum gebeten, meinen Worten Glauben zu schenken; nicht ganz ernst gemeint habe ich ihr vorgeschlagen, sie könne sich wahlweise aber auch bei dem Vorsitzenden Richter beim Landegericht Berlin erkundigen, ob ich lüge oder nicht.
Nun bekomme ich einen Brief aus dem schönen Lande Brandenburg, den ich in voller Länge zitiere:
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt.
In der Bußgeldsache
gegen Wilhelm Brause
würde das Gericht gern wieder zur gesetzlichen Grundlage der Terminierung und Entscheidung über Terminsverlegungsanträge zurückführen. Es wird terminiert durch den Vorsitzenden des Gerichtes, eine telefonische Genehmigung der Entscheidung des Gerichtes durch einen Verteidiger ist durch das Gesetz nicht normiert, vgl. § 213 StPO.
Über den Verlegungsantrag entscheidet der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der Terminsplanung des Gerichts.
Das Gericht unterstellt keinem Verteidiger oder Betroffenen. bei dem Vortrag zu einer Terminskollision dem Gericht gegenüber falsch vorzutragen, hat aber in der Vergangenheit des Öfteren feststellen müssen, das genau dies zur Verfahrensentschleunigung passiert ist.
Damit jedoch alle Betroffene und Verteidiger gleich behandelt werden, hat das Gericht in Anlehnung der Rechtsprechung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts beschlossen, von allen Beteiligten, die Terminverhinderung vortragen, eine Glaubhaftmachung dieses Vortrages zu verlangen, um im Wege des Freibeweises darüber befinden zu können, so dass kein Beteiligter, der seine Verhinderung glaubhaft macht, dem Hauch des Verdachtes unterliegt, er verschleppe das Verfahren.
Das Gericht nimmt zur Kenntnis, dass Sie sich zur Glaubhaftmachung des Vortrages zur Terminskollision auf das Zeugnis des Kammervorsitzenden Berlin beziehen.
Der Irrglaube, Strafsitzungen gingen Sitzungen im Ordnungswidrigkeitenrecht vor, soll hier nicht weiter thematisiert werden, weil vielleicht andere Gründe das von Ihnen angedeutete Verfahren der hiesigen Sitzung vorgehen lassen könnten, das Gericht kommt Ihrer Bitte, für Sie eine Bestätigung Ihrer Ladung zu Strafterminen einzuholen, gern nach.
Im übrigen verbleibt es dabei, dass alle Verteidiger zum Wunsch auf telefonischer Absprache von Terminen durch den Richter mit Sekretärinnen nicht nachgekommen wird, ob nun bei Ihnen Verständnis für die faire Gleichbehandlung aller Rechtsanwälte vorliegt oder nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Richterin am Amtsgericht
Wie mir der Vorsitzende jetzt berichtete, hat die Richterin ihn tatsächlich angerufen und nachgefragt. Wenn ich mich auch sonst mit diesem Richter heftig streite: Hier waren wir uns einig, diese Richterin hat ein Problem, das behandlungsbedürftig erscheint.
Das ist wirklich heftig.
Anträge auf Terminsverlegung gehören nun mal zum „Spiel“. Wer damit nicht leben kann, ist als Richter, zumal als Bußgeldrichter falsch.
Mehr als die konkrete Darlegung eines anderen Termins kann unter normalen Umständen eigentlich nicht verlangt werden.
Der Konter mit dem Zeugenbeweis ist natürlich gut. Bleibt trotzdem zu hoffen, dass das Beispiel keine Schule macht. Ansonsten ist die deutsche Justiz nur noch am telefonieren.
Ist das denn wirklich so schwer zu begreifen: Wenn man unterschiedslos von allen (!) verlangt, die Verhinderung nachzuweisen, unterstellt man gerade keinem, gelogen zu haben. Das Ansinnen, mal eben die Ladung zum Konkurrenztermin aufs Fax zu legen, ist auch nicht gerade eine Zumutung. Problematisch würde es erst dann, wenn man nur noch von einzelnen Verdachtskandidaten einen Nachweis verlangt.
Die wollte nur den Strafverteidiger aus der Weltstadt Berlin der Lüge überführen und ihm dann zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Wohl fehlgeschlagen.
Wie alt bzw. wie erfahren ist die Richterin aus Brandenburg denn schon? Ist das vielleicht bekannt?
hier hat aber jemand nicht *ein* Problem sondern zwei – wo war der Verfasser in der Schule, als es „Deutsch“ gab??
@Rolf: Die Richterin unterstellt mit dieser Forderung – noch immer nicht: Bitte – jedem einzelnen Rechtsanwalt, dass seinem Wort nicht (hinreichend) zu trauen sei. Dies mag dem Volksmund nach zutreffen, ist dann aber doch bitte gerade aufgrund der abstrakt-generellen Annahme durch den Gesetzgeber zu entscheiden (§ 1a BRAO n.F.: „Rechtsanwälte sind generell nicht glaubwürdig. Von ihnen in eigener Sache vorgebrachte Informationen sind idR durch objektiv nachprüfbare Tatsachen zu belegen. Die Glaubhaftmachung obliegt dem Anwalt.“).
Ich finde das albern. Wenn ich einem Gericht einen Kollisionstermin mitteile und das andere Gericht und das dortige Aktenzeichen benenne, erwarte ich, daß man mir glaubt oder im Zweifelsfalle selbst zum Hörer greift und sich den Termin von dem anderen Gericht bestätigen läßt.
Wenn einem Richter „Rechtsbeugung“ vorgeworfen wird, ist die Reaktion regelmäßig eine Strafanzeige wegen Beleidigung. Ich finde es nicht weniger ehrenrührig, wenn ein Richter das Wort eines Rechtsanwalts dadurch in Zweifel zieht, daß er einen Beleg für die vorgetragene Terminskollision fordert. Schließlich werden auch Rechtsanwälte vereidigt und sind gesetzlich verpflichtet, sich der Würde des Berufs entsprechend zu verhalten (§ 43 BRAO). Wenn Richter das ein oder andere schwarze Schaf schon einmal beim Lügen erwischt haben, ist das kein Grund, die Mehrzahl der ehrlichen Anwälte unter Generalverdacht zu stellen.
Wenn ein Gerichtstermin – wie so häufig – „aus dienstlichen Gründen“ aufgehoben wird, verlange ich auch keinen Nachweis, daß tatsächlich dienstliche Gründe vorgelegen haben und der Richter nicht wegen schlechter Vorbereitung oder „Null Bock“ den Termin verschoben hat.
Wenn Anwälte – unbehelligt von der Kammer und den Kollegen – solche Werbung schalten:
„Oftmals ist unseren Mandanten bereits dadurch geholfen, dass das Verfahren gezielt verlängert wird (2 Jahre sind keine Seltenheit), so dass das Fahrverbot zu einem geeigneten Zeitpunkt in der Zukunft angetreten werden kann.“ (www.fahrverbot-umwandeln.de)
dürfen sich die übrigen Anwälte nicht über misstrauische Richter wundern
Ist der trollende Ballmann aus dem letzten Kommentar der echte Ballmann??
I.Ü.: Wenn ich mich auf einen Termin eingerichtet habe und das Gericht dann kurzfristig verlegt („Gründe: Dienstl. Gründe“), kann ich dann demnächst auch Glaubhaftmachung verlangen?
@Ballmann:
Der taktische Einspruch in OWi-Verfahren, um ein Fahrverbot auf einen günstigen Zeitpunkt zu verlegen, ist nun wirklich weder ungewöhnlich noch anstößig. Und daß es mitunter Monate und Jahre dauert, bis ein OWi-Einspruch vom Amtsgericht verhandelt wird, ist in der Regel nicht anwaltlicher Verschleppung, sondern gerichtlicher Überlastung zu verdanken.
Ihre Kritik müssen Sie gegen den Staat richten, der die Gerichte nicht hinreichend ausstattet und nicht gegen die Bürger und deren Anwälte, die sich diese Umstände – völlig legitim – zunutze machen. Ich bin nicht der Verurteilungshelfer der Staatsorgane, sondern der einseitige Interessenvertreter meines Mandanten.
@ Th. Koch & Gerd
Sie rechtfertigen das Vorgehen der hier dargestellten Richterin, ohne es zu merken:
Pflicht des Richters ist es, das Verfahren zu fördern und schnell zum Abschluss zu bringen. Verstöße hiergegen durch den Richter (Termin wird aus dienstlichen Gründen aufgehoben, obwohl solche nicht gegeben sind) können weitere Verstöße (auf Bitte eines Rechtsanwalts einen Termin verlegen obwohl kein erheblicher Grund vorliegt) gegen diese Pflicht nicht rechtfertigen. Bekannt ist, dass es zum Teil anwaltliche Strategie ist, die Verfahren zu verzögern (siehe Nachweis des hier durchaus nicht trollenden Ballmann). Also ist der Richter gehalten, dem in Ausübung seiner Dienstpflicht gegenzusteuern. Wie kann er das tun? Indem er Nachweise verlangt, die ja in der Regel auch nicht schwer beizubringen sind. Natürlich ist der Verteidiger nicht der Verurteilungsgehilfe des Gerichts. Aber gerade weil das so ist, ist m.E. nichts dagegen einzuwenden, wenn das Gericht bei Hindernissen, die sich dem schnelleren Verfahrenende entgegenstellen, genauer nachhakt.
Bei allem Verständnis, dass man sich darüber ärgert, wenn einem nicht sofort geglaubt wird: aber ein bisschen muss man auch auf die Zusammenhänge schauen und verstehen wollen, wie was zusammenwirkt und -hängt.
Die Anwälte sollten das daher m.E. eher sportlich sehen. Sie stellen einen Antrag, der entweder positiv beschieden wird oder negativ. Das ist das tägliche Geschäft und lohnt nicht, dass man viel Aufhebens darum macht.
Mal unabhängig davon ob das Verhalten der Richterin angemessen war oder nicht, sollte der liebe RA Hoenig hoffen, dass die Richterin sein Blog nicht liest. Ansonsten: Ade, Chancen auf ein günstiges Urteil!
(Ist vielleicht ein bisschen unvorsichtig für einen Anwalt, sowas zu posten.)
@AnotherOne: wenn sie der mandant wären, der ohne „seinen“ anwalt zum termin erscheinen oder mit einer fremden terminsvertretung vorliebe nehmen muss, nur weil der richter aus unerfindlichen gründen 1. den termin nicht abgesprochen und 2. den späteren, kollidierenden termin nicht verlegen will, möchte ich sie mal hören. da wären sie mit sicherheit nicht sehr „sportlich“ drauf.
auch ein anwalt muss irgendwie mit seinen terminen zu rande kommen und kann sich diese, im gegensatz zu einem richter, nicht frei einteilen.
Mir langt die Diskussion.
Wenn ich als Rechtsanwalt etwas anwaltlich dem Gericht als richtig versichere, mache ich mich strafbar, wenn es nicht zutrifft. Unterstellt man mir das aber gleich in welcher Form, sollte man das besser beweisen können. Das gilt vor allem für die, denen die Unschuldsvermutung bestens geläufig sein sollte.
Künftige Ansinnen auf Nachweis von Terminskollisionen werden mit Hinweis auf BGH NStZ 2007, 162 und die gängige Kommentarliteratur beantwortet.
Gegebenenfalls müssen sich dann einige Richter eben daran gewöhnen, dass gewöhnlich gutmütige Rechtsanwälte durchaus auch den knappen Schreibstil der Kavallerie der Justiz beherrschen.
Das spart jedenfalls dem Rechtsanwalt Zeit und Geld.
Wer etwas anderers will, soll doch in Berlin vorsprechen.
Die entscheidende Stelle in der von cledrera zitierten Entscheidung (m.w.N):
„Verfahrensentschleunigung“
Bei diesem „Wort“ kann ich nur bedauernd meinen Kopf schütteln und an den schönen Merksatz denken:
„Deutsches Sprache – schweres Sprache!“
Wer der Frau eigentlich Deutsch beigebracht???
entsetzt
Kl
Verfahrensverzögerung? Ich erinnere mich dunkel an den „Italiänischen Torpedo“ der hier mal vor langer Zeit beschrieben wurde…allerdings nur in Zivilsachen ;-) Spassige Sache, hehe
Ich ärgere mich ja auch immer über diese mitschwingende Unterstellen, ich würde aus Spass an der Freude Termine verlegen. Dabei, selbst unterstellt der Anwalt wollte entschleunigen, liegt es doch an der Unflexibilität der Gerichte, die eben oft keine zeitnahen Ersatztermine freihaben (Freitag abend, 18 Uhr oder Montag morgen 7 Uhr ;) ) Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass auch Gerichte organisieren müssen, aber dieselbe Rücksicht erwarte ich auch für meine Belange. Das Beispiel mit der Verlegung aus dienstlichen Gründen (ein, zwei Tage vor Termin) mit der Bitte ich möge doch meine Partei und meinen Zeugen informieren trifft es doch am besten. Auf der Strecke bleibt: Eine eigentlich mögliche Kollegialität.
[…] Kollege Hoenig beschreibt, was so häufig vorkommt: Aufgrund einer Terminskollision bittet der Verteidiger um Verlegung […]