Die Pressestelle des Bundesgerichtshofs teilt mit:
Das Urteil gegen ehemaligen Bundestagsabgeordneten wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof seine Revision per Beschluss vom 24. August 2010 – 1 StR 414/10 – als offensichtlich unbegründet verworfen hat:
Das Landgericht Karlsruhe hat den Angeklagten unter anderem wegen des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Schriften in 95 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt.
[…]
Der Angeklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Sein auf die allgemeine Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf einen entsprechenden Antrag des Generalbundesanwalts als offensichtlich unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Die Entscheidung des BGH, eine Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als „OU“ (offensichtlich unbegründet) zu verwerfen, hat Vor- und Nachteile.
Der Nachteil besteht darin, daß der Revisionsführer nicht (sicher) weiß, was die Richter dazu bewogen hat, seinen Argumenten nicht zu folgen. Und ob die Richter sich überhaupt Gedanken gemacht haben. Das ist eine sehr unbefriedigende Situation, denn die Offensichtlich nicht vorhandenen Gründe sind nicht ersichtlich.
Den Vorteil kann man allerdings darin sehen, daß der Verurteilte das Ganze nicht noch einmal über sich ergehen lassen muß. Mit dem Urteil der Tatsacheninstanz war er unzufrieden, also wird ihm das Urteil der Rechtsinstanz noch weniger gefallen. Dann lieber den Mantel des Vergessen drüber und weg damit.
Ich hätte mir ein anderes Ergebnis vorstellen können. Nicht beim BGH, sondern bereits im Ermittlungsverfahren. Da ist – soweit ich das von außen beurteilen kann – im Rahmen der Verteidigung eine Menge schief gegangen.
Andererseits findet sich eine schöne Zusammenfassung in der PM des BGH. Und „offensichtlich unbegründet“ klingt doch – jedenfalls für Nicht-Insider – immer ein bisschen nach: „Was soll der Quatsch“, oder?
Bliebe Tauss jetzt nicht noch der Gang nach Karlsruhe?
Die grundsätzliche Frage, was ein Abgeordneter des Bundestags (Legislative) im Rahmen seiner Aufgabe, die Regierung (Exekutive) zu kontrollieren, so alles darf oder nicht darf ist damit immer noch nicht geklärt, unabhängig von der sich daraus eventuell doch ergebenden Strafbarkeit des Taussschen Handelns.
Kann ein Urteil auch unoffensichtlich rechtskräftig sein?
Si tacuisses … crh
@3: Doch,das ist klar. Das StGB grenzt das in diesem Zusammenhang ganz gut ein. Nämlich grds. nicht mehr und nicht weniger als ein normaler Bürger.
Denn nichts anderes ist ein Mandatsträger.
Was soll die Desinformation? Wird eine Revision als OU verworfen, dann schließt sich das Gericht der Ansicht der Bundesanwaltschaft an. Deren Eröterung der Rechtslage bekommt der Revisionsführer – im Gegensatz zur Öffentlichkeit – aber mitgeteilt, sodass er mitnichten im Dunkeln gelassen wird, was das Revisionsgericht denkt.
Ansonsten bot der Fall keinen Anlass für das Revisionsgericht das Ausmaß der Befugnisse eines Bundestagsabgeordneten zur Sprengung von KiPo-Ringen zu klären, denn das Tatgericht hat in rechtsfehlerfreier Weise und daher insoweit bindend festgestellt, dass Tauss sich die Schriften nicht zum dienstlichen Gebrauch beschafft hat.
@ Marko: Frühere Generationen konnten noch zwischen „offensichtlich“, „offenbar“/“anscheinend“, „scheinbar“ unterscheiden. Ist heute offensichtlich (!) alles irgendwie das Gleiche.