Überführung zunächst zurückgestellt

Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, eine verbotene Substanz mit der Post verschickt zu haben. Das Pülverchen war in einem Briefumschlag verpackt, der dann einer CD-Hülle steckte. Die CD wurde ihrerseits dann in einen Umschlag gelegt, der dann von einem DHL-/Postmitarbeiter abgeholt wurde.

Der Absender war ein Fake. Der DHL-/Postmitarbeiter, der die Sendung abgeholt hat, kann sich an nichts mehr erinnern. Der „Empfänger“ ist ein Postfach im Ausland. Die Polizei hatte nur eine Telefonnummer auf dem telefonisch erteilten Abhol-Auftrag an die DHL. Anschlußinhaber der Rufnummer war der Beschuldigte. Damit war der Anfangsverdacht vorhanden und ein roter Aktendeckel wurde mit dem Namen des Beschuldigten versehen.

Die Spurensuche auf dem Briefumschlag lieferte kein Ergebnis:

Das eingesandte Untersuchungsmaterial weist keine für die Identifizierung eines Verursachers geeigneten daktyloskopischen Spuren auf.

heißt es in dem Auswertungsbericht des LKA KT (*). Mehr ist erst einmal nicht vorhanden.

Mir wurde die Akteneinsicht gewährt und ich wurde aufgefordert gebeten, binnen zweier Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Aus dem Schlußbericht der Kriminaloberkommissarin (KOK’in) spricht der schiere Glauben an das Gute im Menschen:

Der DHL-Umschlag (Kopie BI. 5 d.A.), sowie die CD-Hülle (Kopie BI. 6 d.A.) wurden ebenfalls als mögliche FA-Spurenträger behandelt. Sie werden bei LKA KT 9999 asserviert. Eine Untersuchung wird zunächst zurückgestellt, da diese ggf. durch eine Einlassung zur Sache durch den Beschuldigten entbehrlich wird.

Angesichts der Beweislage in der Akte erscheint es mir sinnvoll, dem Beschuldigten zu raten, der weiteren Entwicklung schweigend entgegen zu sehen.

Der Optimismus der KOK’in in allen Ehren. Aber sie sollte eigentlich wissen, was ein Strafverteidiger seinem Mandanten empfiehlt, wenn er so einen Schlußbericht auf den Tisch bekommt. Es dürfte wenig Verteidiger geben, die einem Mandanten in dieser Situation zu einer umfassenden Aussage raten – etwa in der Art: Ja, das Koks ist von mir, aber ich wußte nicht, daß der Versandt per Post verboten ist. Oder so.

Die KT mag sich die Spuren auf dem DHL-Umschlag und der Hülle in Ruhe anschauen. Dann sehen wir weiter. Der Beschuldigte ist da völlig entspannt.

(*) Landeskriminalamt Kriminaltechnik

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten, Polizei veröffentlicht.

4 Antworten auf Überführung zunächst zurückgestellt

  1. 1
    matze says:

    Wieso musste der Umschlag von einem DHL-Mitarbeiter per Abholauftrag abgeholt werden ? Gibt es keine Briefkästen mehr ?


      Vor allem gibt es keine perfekten Verbrechen. ;-) crh
  2. 2
    Ref.iur. says:

    Solche Untersuchungen dauern i.d.R. ja ein Bisschen und sind auch nicht ganz umsonst. Die Polizei wird wohl einfach darauf gehofft haben, dass der Beschuldigte sich keinen RA nimmt und sich bei einer ersten Konfrontation geständig einlässt…

    Wenn man sieht, mit welcher Naivität und Kurzsichtigkeit so mancher Straftäter agiert, dann überrascht ein solches Vorgehen nicht. In meinen drei Monaten im Btm-Dezernat habe ich so manchen Beschuldigten erlebt, der so etwas dann einfach eingeräumt hätte…

    Der hier war übrigens der Dümmste:
    Am Ende der Beweisaufnahme, in der so mache Frage offen geblieben ist und sich einige Revisionsfehler aufgetan haben:
    Angeklagter: Kann ich jetzt doch noch was sagen?
    Gericht: Natürlich, wenn Sie sich noch einlassen wollen…
    Angeklagter: Ich geb’s zu, ich hab die Goldbarren bei ebay eingestellt?
    StA: Warum haben Sie das getan, wenn Sie doch überhaupt keine Goldbarren hatten?
    Angeklagter: Mein Freund Bullmann meinte zu mir, dass soll ich machen, damit könne man Geld verdienen.
    [Verurteilung auch zu einer streitigen Tat]
    Angeklagter: Okay, ich nehm‘ das Urteil an.
    –> Akte zu und neue Akte gegen Bullmann wegen Anstiftung!

  3. 3
    RA Anders says:

    Die CD-Hülle war doch nicht etwa „Dillinger – Cocaine in My Brain“? :-)

      Ne, Konstantin Wecker. crh
  4. 4
    Kand.in.Sky says:

    Hmmm, die Geschichte scheint sehr unvollständig.

    – bei Abholung durch DHL Express ins Ausland muss eine Rechnungsanschrift/Bankverbindung vorliegen
    – das Postfach im Ausland gehört wem?
    – das Telefon des Beschuldigten steht wievielen Personen offen?

    und eigentlich hätte der DHL-Abholer die Sendung wegen falscher Anschrift nicht mitnehmen dürfen.

    Aber hach, Schweigen ist in dem Fall wirklich Gold.

    #k.