Und jetzt kommen Sie mir so …

Vor Aufruf der Sache teilte mir der Staatsanwalt in einem Gespräch „außerhalb des Protokolls“ mit, daß er nicht bereit sei, eine Strafaussetzung zur Bewährung mitzumachen:

Kommt überhaupt nicht in Frage!

Mein Mandant und eine Zeugin haben mir vorher schon mitgeteilt, daß zwei weitere geladene Zeugen nicht kommen werden.

An diesen beiden Kriterien orientierte sich mein Rat an den Mandanten: Verteidigung durch Schweigen.

Nach 90 Minuten Beweisaufnahme stand fest, ohne die beiden Zeugen kommen wir nicht aus; und das von mir beantragte Sachverständigengutachten über die Schuldfähigkeit ist auch erforderlich.

Es sei denn, wir verzichten auf die Aufklärung und finden einvernehmlich eine „prozessuale Wahrheit“. Die Richterin bat den Staatsanwalt und mich zum Rechtsgespräch.

Das Hauptargument des Staatsanwalts:

Wenn Ihr Mandant hier schweigt, kommt eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht in Frage. Das hätte er sich von Anfang an anders überlegen sollen. Jetzt ist es zu spät.

Ich habe in langen Jahren mühsam gelernt, in solchen Situationen die Nerven zu behalten und dem Staatsanwalt nicht an die Gurgel zu springen. Statt dessen habe ich die Richterin friedlich gebeten, die Sache wieder aufzurufen und weiter zu verhandeln.

Der Termin wurde ausgesetzt, ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt und ein neuer Termin für Oktober 2010 vereinbart. Vielleicht erscheinen diesmal ja alle Zeugen. Oder auch nicht.

Und wenn das Landgericht über die Berufung zu entscheiden hat, ist es sicherlich Winter. 2011/2012. Dann gibt es die Bewährung allein aus Zeitgründen. Sofern sich die Zeugen überhaupt noch an irgendwas aus den März im Jahre 2009 erinnern können. Drei Jahre sind eine sehr lange Zeit für alkoholkranke Menschen.

Foto: Jürgen Hüsmert via Pixelio

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

12 Antworten auf Und jetzt kommen Sie mir so …

  1. 1
    Torsten says:

    Es erweist sich immer wieder, das Schweigen oftmals die beste Verteidigung ist. Selbst wenn der Mandant unbedingt etwas sagen möchte. So lief auch kürzlich eine Verhandlung am hiesigen Amtsgericht:

    1. Zeuge – Aussage unergiebig.
    Mandant: Ich will etwas dazu sagen.
    Ich: Sie halten den Mund.
    Staatsanwalt: Lassen Sie ihn doch.
    Richterin: Genau! Lassen Sie ihn doch etwas sagen.
    Ich: Er sagt nichts.

    2. und 3. Zeuge – nicht erschienen.
    Mandant: Ich will jetzt etwas sagen.
    Ich: Sie sagen nichts.
    Richterin (leicht angefressen): Warum denn nicht?

    4. und 5. Zeuge – keine Erinnerung.
    Mandant: Kann ich etwas dazu sagen?
    Ich: Sie halten jetzt endlich mal die Klappe.
    Mandant: Frau Richterin, ich würde ja gerne, aber mein Anwalt verbietet mir das…

    Richterin: Ich könnte mir vorstellen, einen Teil der Vorwürfe nach § 154 StPO einzustellen (die schwerwiegenderen!) und eine Geldstrafe zu verhängen.
    Staatsanwalt: Na gut… (grummel)
    Ich: Jetzt dürfen Sie etwas sagen.
    Mandant: Och… hat sich erledigt…

    (Für die, die evtl. meinen, durch miese kleine Anwaltstricks sei wieder einmal ein Schuldiger seiner gerechten Strafe entgangen: der Mandant war hinsichtlich der eingestellten Vorwürfe wirklich unschuldig, gehörte aber zu jenen, die es schaffen, das Gericht durch eine wortreiche Einlassung von ihrer Schuld zu überzeugen).

  2. 2
    knilch says:

    In Anlehnung an das Schlangenbild:
    Machen Sie es wie die Katze, verschleppen Sie die Schlange oder den Termin ;-)
    http://www.myfunlink.to/katze-vs-schlange_12537.html

  3. 3
    Ref.iur. says:

    Tja, es gibt Staatsanwälte, die sind echte Kotzbrocken… Das Wichtigste ist dann echt, dass man die Contenance wahrt, das Ganze sportlich sieht und am Ende doch obsiegt.

  4. 4
    fernetpunker says:

    @Torsten, süß!

  5. 5
    knilch says:

    …oder Sie bringen diese (in Russland) erfundene Abstimmung für folgende Verfahren ein:

  6. 6
    StA says:

    Tja, es gibt Staatsanwälte, die sind echte Kotzbrocken

    @ Ref.iur.: Na schönen Dank. Euren Toast kann ich wohl erwidern …

    Ich habe in langen Jahren mühsam gelernt, in solchen Situationen die Nerven zu behalten und dem Staatsanwalt nicht an die Gurgel zu springen

    Sie armer Kerl. Sie sind wohl sehr leicht auf die Palme zu bringen. Machen Sie es doch mal. Greifen sie den Staatsanwalt an. Und schreiben Sie doch hier mal die ganze Geschichte. Warum will der StA denn keine Bewährung? Zahlreiche Vorstrafen? Einschlägige Vorverurteilungen? Tat unter Bewährung? Na?

  7. 7

    @ StA:
    Vielleicht bin ich nicht deutlich genug gewesen:

    Ich ärgere mich nicht über die grundsätzliche „Verweigerung“ einer Strafaussetzung. Sondern darüber, daß dieser StA meinem Mandanten vorwirft, zu den Tatvorwürfen geschwiegen zu haben, nachdem er diese Verteidigung durch sein anfängliches Verhalten quasi provoziert hat.

    Wenn der StA zu Beginn der Verhandlung – und nicht erst, als sich abzeichnete, daß die Beweisaufnahme eskaliert – signalisiert hätte, daß er über eine Bewährung auch nur nachzudenken bereit wäre, dann hätte er eine Einlassung bekommen.

    Hinterher unaufrichtig herumzumaulen, das ist was, das gar nicht geht.

  8. 8
    fernetpunker says:

    Ist das eine Natter oder eine Klapperschlange?

  9. 9
    Jo says:

    Richtig Herr Hoenig, gute und mutige Verteidiger braucht das Land, weiter so…

  10. 10
    MadameLa StA says:

    Sie Held :)
    Aber im Ernst: Ich tue mich mit Bewährung auch entschieden leichter, wenn der Angeklagte wenigstens den Schneid hat, zu dem Mist zu stehen, den er (vermutlich mal wieder) veranstaltet hat.

  11. 11
    Airfix says:

    @MadameLaSta
    Macht der Angeklagte in dem Moment, wo die Staatanwaltschaft wenigstens versucht Entlastendes zu finden.;-)

  12. 12
    Martin Overath says:

    „Rechtsgespräch“ = Erörterung gemäß § 257b StPO? Oder Erörterung außerhalb der Hauptverhandlung nach § 212? Eigentlich geht nur § 257b, aber wer geht mit diesem Problem schon bis zum BGH. Als Schöffe bin ich beim § 212 kein Verfahrensbeteiligter.