In den Fällen, in denen eine Verteidigung notwendig ist, bekommt der Beschuldigte einen Pflichtverteidiger bestellt. Wann ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt, entscheidet nicht der Beschuldigte oder sein Verteidiger, sondern das Gesetz, § 140 StPO.
Bestellt wird der Pflichtverteidiger vom Gericht. Und entsprechend der Maxime „Wer die Musik bestellt, bezahlt sie!“ bekommt der Pflichtverteidiger sein Honorar dann auch von der Landesjustizkasse. (Daß sich das Land die Kosten später vom Angeklagten zurückholt, steht auf einem anderen Blatt. Und hier.)
Der Gesetzgeber sieht aber nun vor, daß der Pflichtverteidiger nicht sein volles Honorar bekommt, sondern eben nur die „Pflichtverteidigergebühren“. Vom Verteidiger – immerhin ein Organ der Rechtspflege – wird insoweit ein „Sonderopfer“ verlangt. Und das ist im Grunde auch gut so.
Am Beispiel der Terminsgebühr für die Verteidigung eines inhaftierten Angeklagten vor der Strafkammer (RVG-VV 4114) beträgt die Mittelgebühr eines Wahlverteidigers 270 Euro; für dieselbe Arbeit bekommt der Pflichtverteidiger 216 Euro, also 20 % weniger.
Viele Verteidiger wissen, daß es möglich ist, von dem Mandanten für diese Verteidigung zusätzliches Geld zu bekommen, ohne daß die Justizkasse weniger zahlt. Natürlich nicht grenzenlos, aber immerhin: Wenn der Mandant nicht mehr als 216 Euro an seinen Pflichtverteidiger zahlt, spart die Justizkasse nichts. Erst wenn der Mandant mehr zahlt, wird die Justizkasse entlastet (§ 58 III RVG).
An dieser Stelle wird es – für den Verteidiger – gefährlich. Es gibt (Pflicht-)Verteidiger, die ihrem Mandanten mitteilen, daß sie eine weniger gehaltvolle Verteidigung bekommen, wenn sie ihren Anteil an den Kosten der Verteidigung nicht tragen wollen (oder können). Wohl oder übel greift der Mandant ins eigene Portemonnaie oder in das seiner Familie und zahlt, was der Anwalt von ihm fordert. Schließlich will er optimal verteidigt werden. Jedenfalls glaubt er das dann.
Wenn es so läuft wie beschrieben, hat der Verteidiger ein Problem – er macht sich unter Umständen seinerseits strafbar. Es gibt da nämlich eine Dunkelnorm, die man nicht aus den Augen verlieren sollte: § 352 StGB, die Gebührenüberhebung. Die bekanntere Erpressung (§ 253 StGB) ist allerdings auch eine Hausnummer, mit der der Verteidiger in diesem Zusammenhang rechnen sollte.
Es ist allerdings nicht per se strafbar, wenn der Verteidiger anstrebt, daß seine Arbeit angemessen honoriert wird. Nur darf er den Mandanten eben nicht dazu auffordern, noch nicht einmal darum bitten, zu zahlen, sondern er muß ihn darauf hinweisen, daß ein Pflichtverteidiger keinen Anspruch auf eine zusätzliche Honorierung vom Mandanten hat. Und daß eine Zusatzzahlung freiwillig ist.
Das Problem – die Vermeidung einer Straftat – löst man als Verteidiger in der Praxis mit dem Abschluß einer Vergütungsvereinbarung, am besten bereits vor der Bestellung zum Pflichtverteidiger. Dann gibt es kein (strafrechtliches) Problem. Wird eine solche Vereinbarung erst später geschlossen, ist sie nur zulässig, wenn der Mandant über die gebührenrechtliche Lage informiert wurde und diese Information auch verstanden hat. Dies setzt eine entsprechend verständliche Belehrung des Verteidigers voraus.
Das Strafprozeßrecht sieht keine Zweiklassen-Verteidigung vor. Auch ein Pflichtverteidiger hat – wenn er seinen Job ernst nimmt – „effektiv, konkret und wirklich” zu verteidigen (EuGHMR, StV 1985, 441). Oder er muß es lassen. Wenn ein „Pflichti“ von seinem Mandanten zuätzliches Geld verlangt, sollte er mit offenen Karten spielen. Alles andere führt zu Verteidigungsbedarf beim Verteidiger. Und dies zu Recht, wie ich meine.
Was ich sonst noch zur Pflichtverteidigung zu sagen habe, steht auf unserer Website.
sehr geehrte damen und herren ich habe in meinem prozess insgesamt 4 strafverteidiger gewählt, […] jetzt ist mein prozess vorbei und ich möchte sie fragen ob ich gewisse gelder zurückfordern kann […]