Wasserdichte Belehrung

Der Beschuldigte muß „belehrt“, also über seine Rechte informiert werden, die er hat, wenn er vernommen werden soll. Ob er und – wenn ja – dann auch richtig belehrt wurde, ist sehr oft sehr streitig.

Eine unterbliebene oder falsche Belehrung hat nämlich meist zur Folge, daß die Inhalte der Vernehmung nicht mehr verwertet werden dürfen. Und das ist für den Vernehmungsbeamten der Super-GAU. Die korrekte Belehrung kann für die Frage „Haft oder Nicht-Haft“ entscheidend sein.

Auch wenn die Polizeibeamten gut ausgebildet und entsprechend trainiert sind, unterlaufen ihnen Fehler, die von findigen Verteidigern ihrerseits entsprechend verwertet werden können. Dagegen hat die Polizei Berlin nun ein Kraut wachsen lassen – im Garten des § 114b StPO:

Wenn der Beschuldigte dieses Formular ausfüllt und unterschreibt, braucht sich sein Verteidiger keine Gedanken mehr zu machen. Der Zug mit dem Namen „Belehrungsrüge“ ist dann für alle Zeiten abgefahren.

Deswegen der Hinweis: Ein Beschuldigter muß weder aussagen, noch irgendwas bestätigen. Ausweis zeigen und Schweigen. Mehr muß er nicht. Einen Verteidiger anrufen, sollte er aber schon. Damit der Verteidiger ihn belehrt. Und nicht ein Ermittlungsbeamter.

 

Dieser Beitrag wurde unter Polizei, Verteidigung veröffentlicht.

19 Antworten auf Wasserdichte Belehrung

  1. 1
    Kampfschmuser says:

    Wann wird der Fisch gefangen?
    Wenn er den Mund aufmacht.

  2. 2
    Das Ich says:

    Also noch nicht einmal unterschreiben, gelle?

  3. 3
    Ann O. Nym says:

    Behält der Kunde eine Kopie (damit er sich das ganze in der Zelle nochmal in Ruhe durchlesen kann)?

    Gibt es diese Belehrung (in übelster unverständlicher Beamtensprache) auch in ausländischen Sprachen?

  4. 4
    Lustig says:

    Genial finde ich den letzten Satz: „Sind Sie der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig…“
    Wenn man nicht hinreichend deutsch kann wird man das sicher alles verstehen

  5. 5
    Kampfschmuser says:

    @Das Ich
    Die eigene Unterschrift sollte man im Leben äußerst sparsam verwenden. Durch eine Unterschrift entstehen immer Verbindlichkeiten. Und hier sind die Verbindlichkeiten immer negativ.

    @Ann O. Nym
    Guter Witz mit der Kopie.

    Generell mal zu einer Festnahme:
    Das ist kein Kindergeburtstag. Die Polizei ist in dem Moment der Feind, da sie einem die Freiheit nimmt und mit harten Bandagen kämpft. Schweigen (und nix unterschreiben) ist in dem Moment die einzige Alternative, die einen einerseits nicht weiter rein reitet, sowie einem selber, sowie dem Verteidiger alle Wege offen hält.

  6. 6
    egal says:

    Nichtunterschreiben wird nicht viel bringen, da dann die Beamten bezeugen werden, dass er den Zettel gelesen hatte und nicht unterschreiben wollte.

    Das ist natürlich für den Verteidiger ärgerlich, wenn der Mandant „wasserdicht“ belehrt wird, aber so sollte es doch auch im Regelfall sein, oder?

  7. 7
    Kampfschmuser says:

    @egal
    Welche Nachteile sehen sie, wenn die Beamten sich gegenseitig bezeugen, dass sie den Zettel sehen konnten?

    Was nutzt der Polizei eine solche wasserdichte gegenseitig bezeugte Belehrung, wenn der Beschuldigte seinen Anwalt will und ansonsten nichts sagt?

    Vorteile wird man (für den Moment) nie raus holen, sondern nur den Status Quo halten können.
    Eine Aussage bei der Polizei hilft nie, ist im besten Fall neutral (selten) und schadet fast immer.

  8. 8

    […] Kollege Hoenig weist in einem kurzen Beitrag darauf hin, dass die Berliner Polizei derzeit eine neue Variante der Beschuldigtenbelehrung […]

  9. 9
    egal says:

    Was nutzt der Polizei eine solche wasserdichte gegenseitig bezeugte Belehrung, wenn der Beschuldigte seinen Anwalt will und ansonsten nichts sagt?

    Das ist eine falsche Annahme.

    Wie Herr Hoenig (und andere) öfters betont, versucht die Polizei es ja immer wieder mit dem Herauslocken von Antworten nach Tatbeteiligung, Tatablauf, usw.

    Das kann bei einer unzureichenden Belehrung bzw. bei einer unzureichenden bezeugten oder dokumentierten Belehrung dann im Nachhinein unter Umständen in ein Verwertungsverbot enden.

    Das schneidet man sich aber mit der uhrzeitgenauen Dokumentation ab; etwaiges „Reden“ ist sofort unverrückbar verwertbar; wenn der Beschuldigte dann später sein Geständnis oder seine Angaben widerruft, hat man dann noch immer die Beamten als Zeugen. Dann gehts verteidigungstaktisch also nur noch um das Strafmaß statt um den Freispruch bzw. die Einstellung ;)

    RA Ratzka weist zB daraufhin, dass mit der ordnungsgemäßen Belehrung nicht mehr die „volle Bandbreite der Verteidigungsmöglichkeiten“ ausgeschöpft werden kann.

    Gemeint ist da, dass sich der verplappernde Täter (Täter haben ja zumeist einen inneren Drang zum Rechtfertigen) nicht mehr über die Behauptung einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung retten mehr können und so ihre verdiente Strafe nicht mehr vom Verteidiger vereitelt werden kann.

  10. 10
    RA Neldner says:

    @egal: Man möchte es ja kaum glauben aber es gibt auch Beschuldigte, die tatsächlich unschuldig sind. Denen werden im Zweifelsfall genauso „die Worte im Munde herumgedreht“. Bei einem schuldigen Mandanten ist es für den Verteidiger unschön, wenn nur noch eine Strafmaßverteidigung in Betracht kommt, obwohl bei einem schweigenden Mandanten Freispruch/Einstellung in Reichweite gewesen wären. Die gleiche Situation mit einem unschuldigen Mandanten ist zwar selten aber dafür richtig bitter.

  11. 11
    RA says:

    Die Erfahrung in anderen Bundesländern, in denen den Beamten Kärtchen mit einer korrekten Belehrung an die Hand gegeben wurden zeigt, dass die Polizei diese Kärtchen ganz schnell wieder abgeschafft hat. Denn, welch Wunder, nach einer ordnungsgemäßen Belehrung waren die meisten Festgenommenen plötzlich still und wollten einen Anwalt.

    Eine ordnungsgemäße Belehrung kommt also eher der Verteidigung als der Polizei zugute.

  12. 12
    studiosus juris says:

    Vielleicht steckt in dem Absatz

    Wenn der Beschuldigte dieses Formular ausfüllt und unterschreibt, braucht sich sein Verteidiger keine Gedanken mehr zu machen.

    der Tipp, dass man das als Beschuldigter dieses Formular nicht unterschreiben solle? ;)

  13. 13
    alex says:

    Grund ist einzig die StPO-Reform zur U-Haft. Eine schriftliche Belehrung ist zwingend vorgeschrieben.

  14. 14
    A.N. says:

    Man sollte es nicht unterschreiben. Und auch nicht lesen.

  15. 15
    MadameLa StA says:

    Ahem. Wie Alex schon sagte, ist das nicht die Berliner Polizei, sondern die StPO, die sich das ausgedacht hat. Und ja, die Belehrung gibt´s auch in allen erdenklichen Fremdsprachen.
    Ich kann allen nur raten, die neuen Vorschriften mal zu lesen, das wird alles noch sehr spaßig werden demnächst(Stichwort Briefkontrollen etc.)

  16. 16
    Pascal says:

    Hilft/Half einem die Belehrungsrüge wirklich weiter, wenn man die Augen zumacht, die Ohren zuhält und laut summt?

    Ansonsten hält sich mein Mitleid für Menschen, die sich -kortrekt belehrt- verplappern in engen Grenzen.

    Vielleicht sollte die Verteidigerschaft aber mal über eine Verfassungsbeswchwerde wegen eines Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG nachdenken. Wo kommen wir denn da hin, wenn aufgrund korrekter Arbeitsweise der Behörden Bedarf für Strafverteidiger verringert wird?

  17. 17
    Heikor says:

    Lesenlassen ist ja wohl keine Belehrung. Das muss man ihm mindestens vorlesen, danmit man sicher ist, dass es ihm auch seinem Inhalt tatsaechlich zugegangen ist.

  18. 18
    S.Chr.H. says:

    Es ist immer wieder ätzend,so viel Halbwissen auf
    einem Haufen zu lesen.
    Auch im Netz sollten sehr sehr viele schweigen und
    nicht plappern aus Selbstzweck.
    Ein unschuldig Beschuldigter kann selbstverständlich
    zum Justizopfer werden,unabhängig von seinem Mitteilungsbedürfnis.Die Geschichte der Justiz umfasst ganze dicke Wälzer von Fehlurteilen.
    Es ist tatsächlich auch viel „Glück“mit im Spiel,ob und von wem der Einzelfall später akribisch geprüft und fair abgewogen wird.

  19. 19
    Zol says:

    Es ist doch positiv, wenn sich eine solche schriftliche Belehrung mittlerweile einbürgert bzw. vorgeschrieben ist. Das ist deutlich besser als der ansonsten recht häufige Fall, dass die Belehrung unterbleibt oder mündlich lückenhaft so nebenher runtergeleiert wird.

    Bei Manchen klingt das hier so, als wäre die schriftliche Belehrung schlecht, weil der Anwalt die nicht so gut angreifen kann wie eine mündliche. Aber das führt die Sache doch ad absurdum; Es geht doch gerade darum, dass jemand richtig belehrt wird.