Wolkenkuckucksheim

Der Mandant wird nach der Höhe seines Einkommens gefragt. Hartz IV gibt er an, und da er in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, in der ihm das Einkommen anderer Haushaltsmitglieder angerechnet wird, teilt er wahrheitsgemäß mit, er beziehe runde 270 Euro.

Der Schöffe (Anfang-Mitte 30, Typ: jung-dynamisch) hatte noch eine Frage; quasi seine allererste, er wurde zwei Minuten vorher erst vereidigt:

Die 270 Euro, die Sie da bekommen. Ist das wöchentlich?

Ok, gut; Schöffen sind ja auch nur Richter.

Foto: Boscolo via Pixelio

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

27 Antworten auf Wolkenkuckucksheim

  1. 1

    Und? Wie war die Antwort? Täglich? ;)

  2. 2
    StB Roland Ecke says:

    Wieso? Ist das nicht ein normaler Stundensatz?

  3. 3
    Kampfschmuser says:

    Da fragt man sich, wovon der Schöffe wirklich Ahnung hat. Vom Leben eher nicht.

  4. 4
    fernetpunker says:

    Tja, Hartz IV ist ja auch kaum bekannt … tststs

  5. 5
    tilzow says:

    Das Foto passt gut zum Sachverhalt.

  6. 6
    Kand.in.Sky says:

    An der wirklich interessanten Stelle bricht der Eintrag ab. Wie ging es weiter?
    Gab es Gelächter, bekam der Schöffe wenigstens einen roten Kopf oder herrschte peinliches Schweigen?

    #k.

  7. 7
    hem says:

    Wenn man einerseits der Ansicht ist, die Hartz Iv Sätze seien „unglaublich“ niedrig, wie kann man dann andererseits erstaunt sein, dass dies tatsächlich mal jemand nicht glaubt? Ich halte die Frage des Schöffen deshalb für durchaus nachvollziehbar. Und ich hoffe, der Schöffe wurde nicht ausgelacht, sondern ihm sachlich Auskunft gegeben. Denn dann löst das bei ihm möglicherweise Nachdenklichkeit aus. @Kampfschmuser: Lebensfremd ist es vielleicht eher anzunehmen, jeder wisse, dass für manche Menschen 270 Euro im Monat ausreichen müssen.

  8. 8
    Freggle says:

    Also die Schöffen haben es schwer genug, ich will nicht mit denen tauschen. Jeder, der darauf rumhackt sollte sich mal versuchen sich auch auf Grund des allgemeinen Drucks in die Haut eines Schöffen zu versetzen.

  9. 9
    Das Ich says:

    Muss denn wirklich jeder über den Müll den Peter Hartz verbockt hat bescheid wissen? Ausserdem hat er eben lediglich von seinem Fragerecht gebrauch gemacht. Vielleicht meinte er das ironisch?

  10. 10
    fernetpunker says:

    @hem, Hartz IV ist nicht wenig. In anderen Ländern, die wir durchaus als zivilisiert bezeichnen, gibt es deutlich weniger, wenn überhaupt etwas ohne Gegenleistung. Und der allgemeine ALG II-Satz ist einfach grundlegendes Allgemeinwissen, das jeder, der Zeitung liest oder einen Internetanschluss hat, zu wissen hat, wenn er ernst genommen werden will.

  11. 11
    Kampfschmuser says:

    @Hem
    Wie schon Fernetpunker anführte, muss schon jemand taub und blind sein, um die Höhe von ALGII/H4/Hartz4 (in etwa) nicht zu kennen. Die Sau wurde schon zigtausendmal durchs Dorf geprügelt.
    Und die Diskussion, ob nun 270 Euro reichen oder nicht, ist hier nicht relevant, sowie eine andere Baustelle.

    @Kand.in.Sky
    Peinliches Gelächter vermute ich mal nicht. Eher ein sachliches Aufklären und weiter im Takt. Aber darüber kann uns ja vielleicht „crh“ aufklären. ;)

    @Das Ich
    Ironisch? Das wäre ja dann der Gipfel. Gerade vereidigt, hingesetzt und den Angeklagten veräppelt.

    @Freggle
    Warum hat es nach ihrer Meinung ein Schöffe so schwer?

  12. 12
    Holger says:

    Vielleicht war ja der Schöffe auch deshalb verwirrt, weil der Mandant (mutmaßlich) lediglich seinen Anteil an den Regelsatzleistungen angab und den Anteil an den Kosten der Unterkunft unter den Tisch fallen ließ.

  13. 13
    Peter says:

    @Freggle:
    Ist zwar OT aber Schöffen sind einfach nur komplett überflüssig.

  14. 14
    Henrik says:

    Hartz IV als ausreichend für ein menschenwürdiges Leben anzusehen, ist sehr gefährlich, einerseits wird die Menschenwürde ad absurdum geführt, vor allem aber könnte der Damm brechen und sich das als gerade noch sozial erträglich angesehene Niveau global weiter bergab bewegen, sehen wir doch seit Langem eine Erosion der Sozialstaatlichkeit.

  15. 15
    fernetpunker says:

    @14, Henrik, man sollte sich lieber um die Menschen auf der Welt kümmern, denen es sehr viel schlechter als jedem bei uns geht: der sogenannten Dritten Welt! Und das ist die GROSSE MEHRHEIT auf unserem Globus! Unsere Hartzler können auf ne Pulle und ne Fluppe mehr vom Amt verzichten! Die Höhe von ALG II wurde übrigens per se mitnichten vom BVerfG für menschenunwürdig erklärt. Lediglich die Berechnung muss neu erfolgen.

  16. 16
    fernetpunker says:

    p.s. Ich habe als Student jedenfalls jahrelang von weniger gelebt und kam mir nicht arm oder menschenunwürdig vor. Unsere Ansprüche und Maßstäbe sind zu hoch!

  17. 17
    Das Ich says:

    Stimmt, die leben in Saus und Braus. Hartz 4 sollte man abschaffen und das gesparte Geld gleich den Griechen für ihr 13tes und 14tes Monatsgehalt überweisen. Dann müssten die auch keine Banken und Polizisten anzünden. So schön einfach funktioniert die Welt. Alles ist gut!

  18. 18
    StB Roland Ecke says:

    @fernetpunker
    Ich halte den Bezug von H4 durchaus nicht für einen „Bezug ohne Gegenleistung“. Man muss sich ja nur vor Augen halten, dass jemand, der eine Vollzeitarbeitsstelle innehat, einem H4-Empfänger mindestens eine Halbzeitarbeitsstelle vorenthält. Und daus Grund eigener Gier.

    H4-Bezieher verzichten zugunsten von Ererbseinkommensbeziehern.

  19. 19
    Kampfschmuser says:

    @StB Roland Ecke
    Danke für die aufheiternden Worte. :) Nun habe ich ein schlechtes Gewissen. ;)

  20. 20
    Der schnelle Jochen says:

    @Roland Ecke
    Interessante Argumentationskette!
    Die Wahl des Verbs „vorenthalten“ in diesem Zusammenhang brachte mich fast dazu, nach Jahren der Abstinenz, wieder mit dem Rauchen anzufangen.

    <>
    Bitte vertreten sie diese steile These in einem buergerlichen Lokal ihrer Wahl und teilen mir vorher den Zeitpunkt mit.

    MfG,
    Der schnelle Jochen

  21. 21
    JPPB says:

    Ach wäre das schön gewesen, wenn ich während meines Studiums Hartz 4 bezogen hätte.

    Miete, Strom, Heizung und hin und wieder ein Möbelstück wären bezahlt worden.

    Krankenversorgung für lau, da keine Praxisgebühr und Zuzahlung. Von der zahnärztlichen Behandlung ganz zu schweigen.

    Und zu guter letzt noch etwa 8 Euro am Tag zum „verprassen“. Das sind 5 mehr als das, was ich hatte.

    Aber Gott sei Dank hatte ich Arbeit. Jeden Monat flossen 470 Euro auf mein Konto, so dass ich mir meine 23qm Luxuswohnung in Essen-Katernberg gut leisten konnte.

    Bis zu 20 mal im Monat gab es Nudeln und Ketchup von Aldi als einzige Mahlzeit.

    Und ehrlich, ich kann es nicht mehr hören, das ewige Geseiere von der Armut der Hartz4er.

    Mal abgesehen davon, dass jeder ein wenig mehr haben will, wer soll das bezahlen?

    JPPB

  22. 22
    Tobias Glienke says:

    @JPPB

    Mir kommen die Tränen :-)

  23. 23
    Hartzie says:

    Immer wieder amüsant diese Hartz-IV-Diskussionen, bei denen man schon beim ersten überblicksartigen Lesen merkt, dass ungefähr die Hälfte der Diskutanten absolut keine Ahnung davon hat, was Hartz IV wirklich bedeutet.

    Hartz IV, das heißt in der Praxis auch:
    – abwimmeln von Antragstellern aufgrund von fragwürdigen Zielvereinbarungen
    – verschleppte Anträge
    – fehlender Berufsschutz, das heißt, es spielt keinerlei Rolle mehr, was man vorher beruflich geleistet hat
    – „verloren gegangene“ Unterlagen auf der ARGE
    – dem Geld hinterherlaufen zu müssen, weil die Zahlungen aus unerfindlichen Gründen einfach mal ausbleiben
    – die Begegnung mit ebenso unqualifizierten wie unfreundlichen Sachbearbeitern mit einem sehr weiten Ermessensspielraum und der Lizenz zum Kürzen der Leistungen auf 0 Euro
    – zwangsweise Zuweisungen zu Jobs, die sonst niemand erledigen möchte
    – bundesweite Vermittelbarkeit

    Ich empfehle all denjenigen, die ein Leben mit Hartz IV als eine Art paradiesischen Dauerzustand betrachten und sich dabei gar an ihre kuschelige Studentenzeit erinnert fühlen, einfach mal selbst eine Weile von Hartz IV zu kosten. Aber Vorsicht, das könnte eine Erkenntnis fördernde Wirkung haben, die vielleicht sorgsam gepflegte Vorurteile infrage stellt.

  24. 24
    Stefan says:

    @Das Ich: Dem armen Peter Hartz kann man dieses Desaster wirklich nicht in die Schuhe schieben. Sein Konzept sah hier schon etwas anders aus und wurde nur so zusammengestrichen, dass nur das schlechte übrigblieb.

  25. 25
    Verkehrsteilnehmer says:

    @ JPPB #21
    Stimmt, Studenten müssen meist mit geringeren Transferleistungen auskommen.

    Allerdings gibt es da ein paar Aber:
    – ein Arbeitsloser ist auf der Suche nach einer Vollzeitstelle mit würdiger Bezahlung — ein Student sucht meist nur eine stundenweise Beschäftigung und nimmt bewußt einen geringeren Stundenlohn in Kauf,
    – Studenten werden, wenn für den Job möglich, bevorzugt eingestellt, da steuer- und versicherungstechnisch günstiger,
    – Studenten haben meist keine Familie oder zumindest keine Kinder -> geringerer Finanzbedarf und arbeitszeittechnisch flexibler,
    – Studenten haben oft durch Eltern gewisse Erleichterungen wie z.B. am Wochenende durchfuttern und Wäsche waschen, mal ein Buch als Geschenk, Übernahme der Kfz-Versicherung…,
    – Studenten sind in der KV oft familienversichert und von Zuzahlungen befreit oder bekommen die Beiträge mit dem BAföG
    – was ein Arbeitsloser ‚dazuverdient‘ wird fast komplett bei den Leistungen wieder abgezogen.

    Die letzte Sozialerhebung des Studentenwerkes hat allerdings das durchschnittliche Budget eines Studenten mit 812 Euro angegeben. Da ich nicht glaube, dass diese Zahl völlig aus der Luft gegriffen ist, wird dieser Bedarf beim durchschnittlichen Studenten wohl auch gedeckt werden.

    Ein Arbeitsloser mit HartzIV hat oft bereits eine Familie und weitere Belastungen wie z.B. Lebensversicherung, private Rentenversicherung, Raten für Wohnung/Kfz.

    Ein paar kleine Korrekturen beim Wissen über HartzIV:
    – es werden kein Strom und Warmwasser bezahlt,
    – es werden keine Extraleistungen gezahlt wie z.B. für ein Möbelstück,
    – Zuzahlungen für Medikamente, Therapien, Krankenhaus und Praxisgebühr müssen bis zu einer Höhe von 2% des Regelsatzes vom Arbeitslosen bezahlt werden,
    – die 8 Euro Zusatzbeitrag der Krankenkassen müssen vom Arbeitslosen bezahlt werden,
    – die zahnärztliche Behandlung beschränkt sich auf eine Amalganplombe – für alles weitere gelten die gleichen Regeln wie bei anderen Versicherten auch.

    Wer denkt, ein HartzIVer hat 8 Euro täglich zum Verprassen, sollte sich mal über die Zusammensetzung der Regelsätze informieren und dann mal die eigenen Kosten aufstellen, die man auch als Arbeitsloser hätte: Strom, Telefon, Internet, Hausrat-, Unfall-, Lebens-, Kfz-Versicherung, Kfz-Steuer, Kfz-Reparaturen, TÜV, Tanken und/oder Monatskarte ÖPNV, Bibliotheksausweis (u. a. zum Lesen der Stellenanzeigen in der Zeitung), Druckerpatronen, ab und zu mal Hose, Schuhe, Hemd und Jacke sowie vielleicht noch ein (Sport-)Verein oder eine Zeitschrift.
    Jetzt überlege man noch, wo das Geld herkommt (von der ARGE nicht!), wenn die Waschmaschine oder der Rechner den Geist aufgeben und ob bzw. wieviel Kino-/Theater-/Konzert-/Museums-Besuche, Cafebesuche mit Freunden (soziale Kontakte) etc. man einem HartzIVer zubilligt.

    Ich behaupte nicht, dass man als HartzIV-Single zu wenig Geld für ein schlichtes Leben erhält, es ist ein ‚Almosen‘ des Staates, für eine Familie mit schulpflichtigen Kindern stellt sich aber sehrwohl bereits die Frage der Menschenwürdigkeit.

  26. 26
    fernetpunker says:

    Das ellenlange Gejammere zeigt mir, dass es uns allen in diesem schönen Land noch viel zu gut geht. Aber das scheint sich ja schon sehr bald alles zu ändern, wenn man sich die weltweite Schuldenkrise anschaut. Mal sehen, wer dann unter neuen Vorzeichen den guten alten Hartz IV-Zeiten nachtrauert.

  27. 27
    Rudi Rucker says:

    @JPPB: Bitte die Kosten für das Studium, die von der Allgemeinheit gezahlt wurden (eventuell damals auch von dem heute Hartz IV Empfangenden!) nicht vergessen. Die Vorteile wurden von Ihnen internalisiert, die Kosten externalisiert.

    Gratulation.