Monatsarchive: Januar 2011

Handy-Blocker für den Knast

In einem Berliner Jugendknast soll ein Handy-Blocker unerlaubte Telefonate der Gefangenen verhindern. Doch das System ist umstritten – Anwohner, aber auch Rechtsanwälte und Beamte fürchten um ihre Erreichbarkeit.

Über die Versuche, den Gefangenen der Berliner Haftanstalten das Telefonieren unmöglich zu machen, berichtet Anne Backhaus auf SPON. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das funktionieren wird.

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Wertschätzung

Bei dem Mandanten steht die gesamte berufliche und außerberufliche Existenz auf dem Spiel. In einer sehr persönlich geführten Auseinandersetzung zwischen ihm als Angeklagten und seiner Exfrau als Nebenklägerin wurde er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die für ihn das Aus bedeutet, wenn sie rechtskräftig würde.

Die Strafaussetzung zur Bewährung verhinderte zwar die Inhaftierung, aber wenn diese Vorstrafe in sein Register eingetragen würde, wäre seine akademische Ausbildung ein Fall für die Pinwand. Und sein ausländerrechtlicher Status würde sich ebenfalls schlagartig verändern.

Der Mandant beauftragt mich nun mit der Verteidigung in der Berufungsinstanz. Ich vereinbare mit ihm ein angemessenes Honorar, er schickt mir die unterschriebene Vergütungsvereinbarung zurück, wir besorgen die drei Bände Gerichtsakten und stellen ihm die Kopien als PDF in unserer WebAkte zur Verfügung

Auf meine Vorschußkostenrechnung teilt er mir mit:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt! Ich habe zur Zeit viele Raten zu bezahlen, überweise Ihnen zunächst einen Teil des Honorars und werde in den nächsten Tagen anrufen, um einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Mit freundlichen Grüßen.

Heute geht seine Teilzahlung ein. 80 Euro.

Offenbar ist ihm die Verteidigung seiner Lebensgrundlage nicht mehr wert. Ich bin mir sicher, daß er für diesen Betrag keine halbe Stunde arbeiten würde. Und bin gespannt auf das, was er von mir für diese Teilzahlung erwartet.

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Nebenklage im Betrugsverfahren

Der Prozeßbevollmächtige hatte Schaum vor dem Mund, als er die Strafanzeige schrieb. Über drei Seiten teilte er der Polizei mit blumigen Worten mit, daß der Beschuldigte ein Betrüger sei.

Irgendwann muß der Anwalt auch schon einmal etwas von einer Nebenklage gehört haben; vielleicht in der Kantine vom Landgericht im Tegeler Weg. Oder in einer Nachtbar. Den Schluß seiner Strafanzeige garnierte er jedenfalls noch mit folgendem Antrag:

Ein Blick ins Gesetz oder wenigstens in das Laienlexikon – statt ins Glas – hätte ihm gezeigt, daß so ein Antrag genauso ein Blödsinn ist wie seine ganze Strafanzeige auch.

Warum können Zivilrechtler eigentlich nicht die Finger vom Strafrecht lassen? Strafverteidiger stochern doch auch nicht im zivilrechtlichen Nebel herum.

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Durch Arbeitslast bedingt verzögerte Antwort

Wir hatten die Bußgeldstelle gebeten, uns die Gründe für die Einstellung des Verfahrens mitzuteilen. Und erhielten diese verschwurbelte Antwort:

Verzögert war aber nicht nur die Beantwortung unserer Anfrage, sondern auch die Bearbeitung der Bußgeldsache. Das freut den Mandanten, für den es hier um seine Fahrerlaubnis ging.

Entschuldigung angenommen!

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Presseerklärung: Bewährungsstrafe für Jugendlichen

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. hat die folgende Presseerklärung veröffentlicht:

Am 13.1.2011 wurde ein Jugendlicher wegen Drogenhandels zu einer längeren Bewährungsstrafe verurteilt. Der Fall erfuhr größere öffentliche Aufmerksamkeit, da die Altersbestimmung des jungen Mannes schwierig war. Dem Gericht lag ein Gutachten vor, dem das Gericht wegen erheblicher qualitativer Mängel nicht folgen wollte. Das Gericht ging zugunsten des Angeklagten davon aus, dass er zur Tatzeit 17 Jahre alt war. Das Urteil wird in der Öffentlichkeit als zu milde kritisiert. Der Innensenator spricht von ?falsch verstandener Humanität?. Der Bund der Kriminalbeamten sieht die Arbeit der Polizei konterkariert. Die verstorbene Richterin Heisig muss postum als Kritikerin herhalten.

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. bemerkt hierzu Folgendes:

Ein wesentliches Element eines Rechtsstaates ist die Gewaltenteilung. Niemals dürfen die Feststellungen oder Bewertungen der Polizei an die Stelle gerichtlicher Feststellungen treten. Es ziemt sich nicht für eine Polizeigewerkschaft mit Kritik an Urteilen an die Öffentlichkeit zu treten, selbst wenn im Wege eines Lippenbekenntnisses auf die richterliche Unabhängigkeit verwiesen wird.

Aus selben Grunde nehmen wir die Äußerungen des Innensenators mit großer Verwunderung zur Kenntnis. Ebenso verwundert, dass der Innensenator der ihm nicht untergeordneten Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel gegen das Urteil nahe legt.

Die Behauptung, der Jugendliche sei als Sieger aus dem Verfahren getreten, da er nur eine Bewährungsstrafe erhalten habe, ist nicht nur ungehörig, sondern auch falsch. Der Jugendliche ist unbestraft. Er befand sich über zwei Monate in Untersuchungshaft. Er erfuhr als Ersttäter mithin eine scharfe Sanktion.

Die Forderung nach generalpräventiver Wirkung einer Jugendstrafe ist dem Gesetz nahezu fremd. Generalprävention hat in dem vom Erziehungsgedanken geprägten Jugendstrafrecht nur äußerst nachrangige Bedeutung.

Die Altersbestimmung wurde unter Missachtung jeglicher wissenschaftlicher Mindeststandards vorgenommen.

Dies kann nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen.

Rechtsanwalt Peter Zuriel
1. Vorsitzender

Die Reaktion der Berliner Strafverteidiger auf die Einmischung des Innensenators in fremde Angelegenheiten ist sehr moderat ausgefallen. Dr. Ehrhart Körting scheint die Grenzen, die ihm das Recht setzt, entweder nicht zu kennen, oder aber er setzt sich bewußt darüber hinweg. Daß es sich dabei um den im (Vor-)Wahlkampf üblichen Populismus handelt, erscheint mir jedenfalls naheliegend.

Hier gibt es die Quelle der Presseerklärung.

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Mandat beendet, mal wieder

Aus der eMail des (Dauer-) Mandanten, der den Stammkunden unter den Bloglesern hier durchaus schon das eine oder andere Mal begegnet ist:

Sie legen SOFORT das Mandat nieder! Ich will mit IHNEN nichts mehr zu tun haben und akzeptiere SIE nicht als mein was auch immer…

Sie werden noch Gelegenheit bekommen zu bereuen was Sie mir angetan haben. Gott kann Ihnen nicht mehr gnädig sein. Sie Lump. Sie werden ihn ganz bestimmt kennenlernen. Sie sind eine Schande. Doppel-Pfuifui.

Ich übersetze das mal so:

Lieber Herr Verteidiger. Ich bedauere es sehr, daß Sie weder meinen Arzthaftungsfall noch die Abwehr der Gebührenforderung von eBay übernehmen möchten. Obwohl ich Ihnen bereits ganz ausführlich mitgeteilt hatte, warum der Arzt mir Schadensersatz zahlen muß und eBay von mir kein Geld bekommt.

Deswegen möchte ich mich von Ihnen auch nicht mehr in den beiden Strafsachen verteidigen lassen.

Bis bald und mit freundlichen Grüßen.

Es ist eben nicht jedem in die Wiege gelegt, seinen Gefühle mit gewählten Worten Ausdruck zu verleihen.

Ich bin auf den nächsten Brief gespannt. eMails wird er jedenfalls mindestens in den nächsten 15 Monaten eher nicht schreiben können. Aber irgendwie wird er sich hier wieder melden. Außer mir hält den armen Kerl nämlich kein anderer Anwalt auf die Dauer aus.

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Richtigstellung: Wiedereinführung einer Gerichtsgebühr (nur) für Jobcenter vorgeschlagen

In dem Beitrag „Hartz IV, nur gegen Gebühr“ hatte ich eine Nachricht aus dem Inforadio besprochen. Offenbar handelt es sich bei dieser Nachricht um eine „Ente“, zumindest aber um eine leicht falsch zu verstehende Mitteilung.

Herr Richter Dr. Marcus Howe, Pressesprecher des Sozialgerichts Berlin, wies mich mit der nachfolgend in Auszügen zitierten eMail darauf hin:

Diesem Bericht [gemeint ist der Blog-Beitrag. crh] liegt eine krasse Fehlinformation zugrunde! Die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin hat am 11. Januar in ihrer Rede auf der Jahrespressekonferenz mitnichten eine Gerichtsgebühr für Kläger gefordert! Im Gegenteil sagt sie wörtlich: „Völlig unverständlich ist daher (nämlich angesichts einer Erfolgsquote von 50 %) wenn von Teilen der Politik ausgerechnet die hohe Zahl der Hartz IV Verfahren als Argument für die Einführung von Gerichtsgebühren ins Feld geführt wird. Deutlich wird vielmehr: Der freie Zugang zur Justiz ist wichtiger denn je…“ Sie fordert anschließend Gerichtsgebühren für die Jobcenter ! Den Volltext der Rede können Sie auf unserer Internetseite nachlesen. Den das Thema betreffenden Abschnitt finden Sie im IV. Abschnitt der Rede.

Ich zitiere zur Klar- und Richtigstellung die betreffende Passage aus der Rede der Präsidentin des Sozialgerichts Berlin, Frau Sabine Schudoma [Hervorhebungen durch crh]:

Seit Jahren hoch ist die Hartz IV-Erfolgsquote. Im Allgemeinen enden am Sozialgericht rund 2/3 der Klageverfahren ohne Erfolg für die Kläger. Nur 1/3 der Kläger erzielt zumindest einen Teilerfolg. Ganz anders bei Hartz IV: Die Hälfte der Hartz IV-Klagen ist zumindest teilweise berechtigt. Völlig unverständlich ist daher, wenn von Teilen der Politik ausgerechnet die hohe Zahl der Hartz IV-Verfahren als Argument für die Einführung von Gerichtsgebühren ins Feld geführt wird. Deutlich wird vielmehr: Der freie Zugang zur Justiz ist wichtiger denn je. Nicht die Gerichtsgebühr für Kläger, nein, die Wiedereinführung einer Gerichtsgebühr für Jobcenter könnte einen wirkungsvollen Anreiz zur außergerichtlichen Streitbeilegung schaffen! Noch bis zum Juli 2006 mussten die Jobcenter – wie andere beispielsweise Rentenversicherungsträger und Krankenkassen auch – für jedes Sozialgerichtsverfahren, an dem sie beteiligt waren, eine pauschale Gerichtsgebühr entrichten – immerhin 150 Euro. Es verwundert, dass sich gerade die Behörde mit den höchsten Klagezahlen nicht mehr an den Kosten beteiligen muss.

Es hat sich gezeigt, daß es auch (und gerade?) für einen Blogger notwendig ist, sich nicht blind auf Nachrichten der konventionellen Medien zu verlassen.

Ich entschuldige mich bei der Präsidentin für meine ungeprüfte Weiterverbreitung dieser Falschmeldung.

Im übrigen weise ich hin auf den Kommentar von lawdwarf zu dem kritisierten Beitrag und meine Erwiderung, jeweils vom 12.01.2011.

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Der Schuß ins blaue Schwarze

In einer Bußgeldsache findet sich auf Blatt 237 (!!) der Gerichtsakte dieses erfreuliche Schriftstück:

Ich hatte nach vielem Hin und Her (Beweisanträge, erfolgreiches Ablehnungsgesuch …) reklamiert, daß eine Zustellungsurkunde nicht im Original vorläge; mit einer Kopie sei die ordnungsgemäße Zustellung des Bußgeldbescheides nicht nachgewiesen. Zumal die Zustellung an den (damaligen) Verteidiger erfolgt sein soll, der aber dazu gar bevollmächtigt sein wollte und außerdem zur Zeit der angeblichen Zustellung nicht in seiner Kanzlei war. Und überhaupt …

Nun steht fest: Eine Original-Urkunde gibt es nicht. Eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides demnach auch nicht (was nicht nachgewiesen werden kann, gibt es nicht. Basta!). Damit gibt es keine Unterbrechung der Verjährung.

Eine Menge Schüsse ins Blaue, einer hat ins Schwarze getroffen. Das Verfahren war daher wegen Verfolgungsverjährung einzustellen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Landeskasse. Und der Mandant darf seine Fahrerlaubnis behalten.

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Fortschritt in der U-Haft

Die Entwicklung schreitet voran. In einigen Fällen in großen, in anderen Fällen in kleineren Schritten.

Der Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. teilte heute seinen Mitgliedern in einer Rundmail mit:

Datenträger

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ab sofort dürfen anlässlich der Verteidigerbesuche in der JVA Moabit für die Dauer der Verteidigergespräche Datenträger wie CDs, DVDs und Datensticks eingebracht werden.

Nach wie vor n i c h t gestattet sind Vorrichtungen, die einen Internetzugang ermöglichen.

Na, das ist ja mal was richtig Erfreuliches!

… und auch in Frankfurt geht es voran, wenn auch manchmal erst nach einer Drohung mit der Kostenkeule.

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Hartz IV, nur gegen Gebühr

Im vergangenen Jahr sind 32.000 neue Verfahren beim Berliner Sozialgericht anhängig geworden. Das sind 20 % mehr als 2009. Die Anzahl der Richter hat sich verdoppelt. Trotzdem bekommen die Richter die Arbeit nicht vom Tisch.

Zur Zeit beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer 9 Monate. Für einen Hartz IV Empfänger, der um seinen Heizkostenzuschuß oder um eine neue Waschmaschine kämpft, ist das natürlich eine Zumutung. Deswegen machte die Präsidentin des Sozialgerichts, Frau Sabine Schudoma, nun einen Vorschlag.

Es solle auch von den Hartz IV Empfängern ein Gerichtskostenvorschuß in Höhe von 150 Euro verlangt werden. Damit würde dann die außergerichtliche Vergleichsbereitschaft bei den Klägern gefördert und die Anzahl der Klagen reduziert werden.

Eine echt tolle Idee: Gute 40 % seiner monatlichen Bezüge soll der Hartzi erst mal auf den Tisch des Richters legen, damit er irgendwann einmal vielleicht unter Umständen ein Urteil bekommen könnte, in dem das Gericht einen Anspruch z.B. auf einen Mehrbedarfszuschlag in Höhe von – sagen wir mal – 20 Euro monatlich feststellt. Richtig super!

In diesem Zusammenhang noch eine spannende Zahl: Etwa die Hälfte der Klagen gegen Hartz IV Bescheide sind ganz oder teilweise erfolgreich. Man könnte da vielleicht auch auf andere Ideen kommen, statt einen Gerichtskostenvorschuß zu verlangen.

(Die Zahlen habe ich einem Beitrag auf Info-Radio entnommen.)

UPDATE / Richtigstellung:
Hier gibt es eine Richtigstellung zu diesem Beitrag: Gerichtsgebühren sollen nicht – wie dem Bericht des Inforadios zu entnehmen war – vom Kläger (dem Hartz IV Empfänger) erhoben werden, sondern nur vom Jobcenter, schlug die Präsidentin des SG Berlin vor.

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