Monatsarchive: März 2011

Ethnische Solidarität

Die Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität … sind vielgestaltig. Neben strukturierten, hierarchisch aufgebauten Organisationsformen (häufig zusätzlich abgestützt durch ethnische Solidarität, Sprache, Sitten, sozialen und familiären Hintergrund) finden sich -auf der Basis eines Systems persönlicher und geschäftlicher kriminell nutzbarer, insbesondere grenzüberschreitender Verbindungen Straftäterverflechtungen mit unterschiedlichem Bindungsgrad der Personen untereinander, deren konkrete Ausformung durch die jeweiligen kriminellen Interessen bestimmt wird.

Quelle: Sarrazin Amtsblatt Berlin Nr. 11 /18. 03. 2011

Und womit vertreiben sich sie sich die Zeit, die organisierten Ethnien?

    – Rauschgifthandel und -schmuggel,
    – Waffenhandel und -schmuggel,
    – Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben,
    – Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung,
    – Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft,
    – illegales Glücks-und Falschspiel,
    – Schutzgelderpressung,
    – unerlaubte Arbeitsvermittlung und illegale Beschäftigung,
    – Einschleusung von Ausländern,
    – Kontoeröffnungs-und Überweisungs betrug,
    – Zigarettenschmugge1,
    – Kapitalanlagebetrug,
    – Subventionsbetrug und Eingangsabgabenhinterziehung,
    – Fälschung und Missbrauch unbarer Zahlungsmittel,
    – Herstellung und Verbreitung von Falschgeld,
    – Verschiebung insbesondere hochwertiger Kraftfahrzeuge und von Lastkraftwagen-, Container-und Schiffsladungen,
    – Betrug zum Nachteil von Versicherungen,
    – Einbruchdiebstahl in Wohnungen mit zentraler Beuteverwertung,
    – Geldwäsche,
    – Korruption in Verbindung mit Wettbewerbsdelikten (Kartellabsprachen) und Untreue.

Auch der Rest der Gemeinsamen Richtlinie der Senatsverwaltungen für Inneres und Sport sowie für Justiz über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität vom 22. Februar 2011 erscheint eher eine angewandte Vorurteilsforschung zu sein als irgendwas Substantielles.

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Depressive Notgemeinschaft

Der Mandant sitzt nun schon seit geraumer Zeit in der Untersuchungshaft. Daß das kein Kindergeburtstag ist, liegt auf der Hand – auch wenn sich im Laufe der Zeit einiges eingeschliffen hat.

Die Haft soll an dem Mandanten nicht spurlos vorbeigegangen sein, meint jedenfalls der Anstaltsarzt: Er – der Mandant (!) – leide an Depressionen. Deswegen wurde ihm – quasi zur stimmungsaufhellenden Unterhaltung – ein Mitgefangener auf die Hütte gelegt. Darüber informiert uns die Anstalt:

Die beiden leben jetzt also in der so genannten „Notgemeinschaft“ in einer Zelle. Das allein ist schon kein Anlaß zur Freude, wenn man – wie der Mandant – das Leben auf den 10 qm lieber allein verbringt.

Zusätzlich wurde noch ein „roter Punkt“ an die Zellentür angebracht.

Der Tagesspiegel hat die Folgen mal so formuliert:

Ein Teil dieses Überwachungssystems ist der rote Punkt. Das Signal auf der Zellentür zeigt den wachhabenden Justizvollzugsbeamten die Risikofälle an, bei denen sie stündlich eine so genannte „Lebendkontrolle“ vorzunehmen haben. Rund 200 Türen der JVA Moabit sind mit einem roten Punkt versehen. In den Zellen brennt außerdem während der ganzen Nacht das Licht.

Man möge mal versuchen, nachts ein Auge zuzubekommen, wenn in einem Meter Abstand ein Schnarchsack liegt, das Licht brennt und jede Stunde nachgeschaut wird, ob man noch lebt.

Nebenbei: Der Mandant bestreitet, an Depressionen zu leiden, und macht während der Hauptverhandlungstermine auch keinen solchen Eindruck.

Aber der Anstaltsarzt wird es besser wissen. Und wenn die JVA diese Maßnahmen über einen längeren Zeitraum aufrecht erhält, wird er wohl Recht behalten.

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Unsere Volksvertreter

Wenn alles getan ist, kann man sich auch mal mit nicht-juristischer Literatur beschäftigen. Ein nettes Büchlein habe ich am vergangenen Wochenende durchgelesen. Und Erstaunliches über diejenigen erfahren, die uns regieren sollen. Deren Wortwahl hat durchaus Unterhaltungscharakter. Wobei gleichzeitig auch der Blick frei wird auf den Charakter einiger (?) Volksvertreter.

Von den Parlamentariern häufiger gebrauchte Beschimpfungen sind

    »Lümmel«, »Lump«, »Schnösel«, »Schwein«, »Strolch«, »Schmutzfink«, »Schwachkopf« oder »Schwätzer«.

Hier scheint sich eine Vorliebe für Zisch-Laute ablesen zu lassen.

Ebenfalls gern genommen wird das Adjektiv »arrogant«, etwa in den Kombinationen

    »arroganter Pinsel«, »arroganter Affe« oder »arroganter Fatzke«.

Bei Konstruktionen mit Adjektiv finden sich überhaupt interessante, mitunter sogar außergewöhnliche Kreationen, etwa

    »semantischer Gartenzwerg«, »geistiger Kurzarbeiter«, »hemmungsloser Demagoge«, »brutaler Volksbetrüger«, »umweltpolitischer Nichtsnutz«, »politische Giftschleuder«, »christliche Dreckschleuder« oder »ehrabschneidender Volksverhetzer«

Als Highlight dieser Aufzählung darf man wohl Herbert Wehners Titulierung des CDU-Mannes Kliesing als

    »geistiges Eintopfgesicht«

betrachten.

[…]

Zwar kann es passieren, dass auch Politiker aus der Haut fahren, gewöhnlich aber versuchen sie ihren Gegner gezielt zu diskreditieren. Dazu wird beispielsweise die Schlüpfrigkeit und Verlogenheit des Gegenübers suggeriert:

    »Heuchelbruder«, »Schmierenkomödiant«, »5pruchbeutel«, »Betrüger«, »Falschmünzer«.

Oder seine Naivität, Ungeschicktheit und Unerfahrenheit behauptet:

    »Rotzjunge«, »Hanswurst«, »Dösbaddel«, »Hampelmann«, »Gnom«.

Oder aber seine Gefährlichkeit und Illoyalität:

    »Brandstifter«, »Frühstücksverleumder«, »Schmutzwerfer«, »Berserker«.

Manchmal werden auch Ämterbezeichnungen zu Rohstoffen für Wortneuschöpfungen:

    »Pannenkanzler«, »Täuschungsminister«, »Hilfsabgeordneter«, »Mithörminister« oder »Bundesminister für Vetternwirtschaft«.

Der Versuch, neue Beschimpfungen zu finden, geht allerdings hin und wieder einher mit der Überschätzung der eigenen Kreativität und Sprachgewalt. Dann entstehen Wortungetüme wie

    »Starkstromleitungsreaktionär« oder »Worthülsenmeister«

und der Verdacht liegt nahe, dass hier ein paar Abgeordnete ganz schön den Hintern zusammengekniffen haben, um mal so richtig witzig zu wirken.

Aber es gibt bei den Neologismen auch Beispiele für gelungene Attacken, etwa Bernd Reuters Bezeichnung des Ex-Bundesumweltministers Walter Wall mann als

    »Quadratschlitzohr«.

Von diesen Leuten, die für das Volk die Gesetze machen, kann auch ein engagierter Strafverteidiger noch eine Menge hinzulernen.

Quelle der Zitate:

Die Kunst der Beleidigung

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Datenschmuggler beim BKA

Für die Beweisaufnahme ist es wichtig zu wissen, wann der Angeklagte wo ein- und wann er wo wieder ausgereist ist. Man benötigt also die Reisedaten.

Das Problem war allerdings, daß die deutschen Ermittlungsbehörden diese Daten von den türkischen Ermittlungsbehörden bekommen wollten. Es gab also zwei souveräne Staaten, die in „strafrechtlichen Angelegenheiten“ miteinander verkehren mußten. Dieser Verkehr ist geregelt in dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), eine hoch komplizierte Angelegenheit.

Deutsche Behörden müssen auf dem Verwaltungs- bzw. Gerichtsweg formelle Anträge stellen, die dann von besonders zugelassenen Dolmetschern in die türkische Sprache übersetzt werden müssen. Das Ganze wird dann auf einem genau festgelegten Weg in die Türkei befördert und dort dann an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Es muß geprüft werden, ob die Anträge zulässig sind, ob die Informationen vorhanden sind, die man benötigt, und ob keine türkischen Interessen der Weitergabe an die deutschen Behörden entgegen stehen.

Wer die deutschen Verwaltungswege kennt, kann sich sicher ungefähr vorstellen, wie die türkischen aussehen. Die Länge dieser beiden Wege werden aber nicht einfach addiert, sondern miteinander multipliziert.

Das führt dann dazu, daß Informationen, die auf dem Rechtshilfeweg von einem Land in das andere befördert werden sollen, in einigen Fällen entbehrlich werden, weil entweder das eine oder das andere Land in der Zwischenzeit untergegangen ist.

Aber es gibt eben auch Abkürzungen, die für eilige Fälle installiert wurden. Die Bundesbehörden stellen dafür sogenannte Verbindungsbeamte ab, der auf der anderen Seite ebensolche gegenüber stehen. Hat also die deutsche Behörde eine Frage, tritt der deutsche Verbindungsbeamte an seinen türkischen Kollegen heran, der ihm diese Frage kurzer Hand beantwortet.

In dem oben beschriebenen Fall war es ein achtseitiges Fax, das die begehrten Reisedaten enthielt. Allerdings in türkischer Sprache. Das Fax wurde dann mal eben von einem deutschen Beamten mit türkischem Migrationshintergrund übersetzt, gelocht und in die deutsche Ermittlungsakte geheftet, um fortan als Beweismittel zu dienen.

Wenn man sich dann, nach vielen Hauptverhandlungstagen irgendwann einmal das türkische Fax anschaut, findet man bei genauem Aktenstudium ganz unten, unterhalb der Unterschriften und abschließenden Stempel diesen freundlichen Hinweis:

Was soviel heißt wie etwa: Nur für den polizei-internen Dienstgebrauch.

Die Konsequenz ist recht einfach:

Bedingungen, die der ersuchte Staat an die Rechtshilfe geknüpft hat, sind zu beachten.

regelt § 72 IRG. Und damit waren die am Rechtshilfeweg vorbei geschmuggelten Reisedaten kein zulässiges Beweismittel mehr.

Es ist kein schlechter Gedanke, auch dicke Akten stets mit offenen Augen zu lesen.

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Totschlagsversuch des Finanzamts?

Das Finanzamt schreibt mir einen Brief.

Sowas liest wohl niemand gern, ich schon einmal gar nicht, weil mich die Finanzbuchhaltung jede Menge Nerven und Geld kostet, damit sie ordentlichlich geführt wird. Und dazu gehören eben auch pünktliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen.

Das Wörtchen „Mahnung“ in einem Brief vom Finanzamt führt daher in aller Regel bei mir zu Wachstum von Federn.

Aber als ich dann das hier gesehen habe, ist mir das Herz stehen geblieben:

Zahlen Sie mal eben
Umsatzsteuer in Höhe einer 3/4 Million Euro!

Erst nachdem ich dann aus einem – gefühlten – sechswöchigen Koma wieder aufgewacht bin, habe ich erkannt, daß die Steuereintreiber nicht mich persönlich meinen, sondern einen unseren Mandanten (graues Feld links oben).

Wieso das Finanzamt auf das schmale Brett kommt, meine Zustellungsbevollmächtigung für solche Totschlagsversuche anzunehmen, werde ich nach einer angemessenen Rekonvaleszenzphase zu prüfen haben.

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Armer Haftrichter

Der Staatsanwalt hat den Erlaß eines Haftbefehls beantragt. Die Antragsschrift umfaßte 24 Seiten. Die schickt er nun zusammen mit „der“ Ermittlungsakte an den Ermittlungsrichter.

Manchmal habe ich auch Mitleid mit den Haftrichtern.

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Händewaschen hilft

In Tokio leben zwölf bis 13 Millionen Menschen, im Großraum sogar 35 Millionen.

Also etwa zehnmal mehr wie in Berlin.

Eine Metropole wie Tokio zu evakuieren, überfordert auch ein gut vorbereitetes Land. Denn man muss die Leute ja nicht nur rausbringen, man muss sie auch unterbringen, ihre elementarsten Bedürfnisse wie Wasser, Sanitäranlagen oder Unterkunft decken.

Geht nicht. Gegenmaßnahmen:

Gegen verstrahlte Partikel könne Schutzkleidung helfen, wie etwa wasserdichte Regensachen. Damit ließen sich die Strahlen zwar nicht abwehren, aber so werde zumindest verhindert, dass sich verseuchte Partikel auf der Haut absetzen. Auch häufiges Händewaschen helfe, …

Der Artikel der Morgenpost, aus dem die Zitate stammen, erinnert mich an einen 1951 erschienenen Zivilverteidigungsfilm für Kinder:

Regenkombi und Händewaschen. Duck and Cover. Na denn …

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Made in Japan

Harley am 14.03.2011

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Dreisprung gegen die ED-Behandlung

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und eine einfache Körperverletzung lautete der Tatvorwurf. Der 60-kg-Mandant hatte ein wenig herumgezappelt, als die (dick gepolsterte) Polizei ihn des Platzes verweisen wollte. Es folgte eine Blutentnahme und dann die Entlassung aus dem Gewahrsam.

Ein paar Wochen später bekam der Mandant dann Post. Es war nicht nur die übliche Anhörung:

Ihnen wird zur Last gelegt … Es wird Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben …

In einem zweiten Schreiben wurde darüber hinaus eine weitere Maßnahme angeordnet:

Im Zusammenhang mit o.g. Ermittlungsverfahren wurde die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen angeordnet. Erkennungsdienstliche Unterlagen können die polizeilichen Ermittlungen bei der Äufklärung künftiger Straftaten fördern.

Soweit, so richtig. Nun folgte die Begründung dafür, warum in die Grundrechte des Mandanten eingegriffen werden und seine Daten in den Pool der Polizei-EDV gebrannt werden sollen:

Angesiohts aller Umstande des Einzelfalls besteht bei Ihnen die Gefahr, dass Sie auch zukündigter Verdächtige(r) erneut begangener Straftaten in Erscheinung treten könnten. Diese Prognose wird gestellt, da Sie schon mehrfach als Tatverdächtigter in Erscheinung getreten sind.

Hugh, ich habe gesprochen. Mehr jedenfalls wurde an Begründung nicht geliefert.

Diese nahezu unbegründete Datensammelwut hat ihren Anfang in den siebziger Jahre genommen, als der damaligen BKA-Präsident Horst Herold die Baader-Meinhof-Gruppe gejagt hat. Die Intensität dieser Sammelleidenschaft der Kriminalen steht nun nur noch im direkten Zusammenhang mit den Kapazitäten der Polizeicomputer. Auf die Schwere des Delikts scheint es nicht mehr anzukommen.

Störend wirken da nur noch vereinzelt ein paar einsame Verfassungsrichter in Karlsruhe. Die verlangen nämlich eine qualifizierte Begründung einer ED-Behandlung. Und nicht so ein rhetorisches Nullsummenspiel wie der oben zitierte Textbaunstein, den ein Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft gedankenlos mit der Post verschickt.

Aber auch wir verfügen über leistungsfähige Computer und Textbausteine:

  • Widerspruch gegen die Anordnung,
  • (vorsorglicher) Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Anordnung und
  • als Garnitur dann oben drauf der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO an das Verwaltungsgericht

So sieht er aus, der klassische Dreisprung gegen die ED-Behandlung.

Es dauert dann regelmäßig ein wenig, bis das Verwaltungsgericht die Antragsschrift an das Landeskriminalamt geschickt hat. Und dann kommt ebenso regelmäßig die folgende Reaktion des LKA:

Nun müssen wir noch das Verwaltungsgerichtsverfahren für erledigt erklären und beantragen, daß auch insoweit die Kosten des Verfahrens dem Steuerzahler übergeholfen werden.

Dann hat die liebe Seele wieder Ruhe. Und wir können uns locker machen für den nächsten Dreisprung.

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Die Wahrheit über die RAF

Betr.: Fahndung nach anarchistischen Gewaltverbrechern.
Hier: Konspirative Wohnung in der Seidenstraße 71.
Anlage: 22 Mickymaus-Hefte

Die beigefügten Mickymaus-Hefte wurden in der oben angegebenen Wohnung gefunden. Es besteht der begründete Verdacht, daß diese Mickymaus-Heftchen vom Bandenmitglied Andreas Baader gelesen wurden.

Ein Kriminalbeamter des LKA Stuttgart am 7. August 1972, zitiert nach Stefan Aust, Der Baader-Meinhof-Komplex,1. Auflage 1989, S. 248.

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