Monatsarchive: März 2011

Kriminalpolizeiliche Gesprächsüberwachung

Untersuchungsgefangene, also „inhaftierte Beschuldigte“, müssen Beschränkungen hinnehmen. Das regelt der neue § 119 StPO.

Zum Beispiel wird ihre Briefpost kontrolliert; wenn der Beschuldigte seiner Familie schreibt, wird der Brief erst vom Staatsanwalt oder Richter auf verdächtige Inhalte geprüft. Ist die Prüfung „erfolgreich“, wird der Brief angehalten und als Beweismittel zur Akte genommen.

Auch Besuche der Familie werden überwacht. Wenn also die Ehefrau den Beschuldigten alle 14 Tage für 30 Minuten besucht, sitzt ein Wachtmeister neben den beiden, und hört sich an, was sie sich zu sagen haben. In der Regel sind das Justizwachtmeister, die ihren Arbeitsplatz in der Untersuchungshaftanstalt haben.

In einer Wirtschaftsstrafsache reichte das der Staatsanwaltschaft nicht. Der Leiter der Ermittlungen, ein besonders umtriebiger Staatsanwalt, ordnete die Gesprächsüberwachung durch den Kriminalkommissar an, der auch im Ermittlungsverfahren die führende Rolle spielte. Insbesondere war der Kommissar sowohl bei der Durchsuchung der Ehewohnung dabei, als auch zwei Wochen später bei der Verhaftung des Beschuldigten aktiv.

Nun saßen sie zu dritt im Besuchsraum und genossen die entspannte Knast-Atmosphäre. Das Gespräch war nach weniger als 10 Minuten beendet.

Der Kommissar verabschiedete sich höflich bei der Ehefrau:

Wenn Sie ihn wieder einmal besuchen möchten, sagen Sie mir Bescheid. Ich begleite Sie gern wieder …

Schau’n wir mal, wie sich das weiter entwickelt.

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… in the air for you an me

#Fukushima1
#Onagawa
#Tokai

… to be continued?

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Bremsprobe

Der ICE, der etwa fünf Minuten, nachdem dieses Foto entstand, auf dem rechten Gleis einfuhr, beschleunigt in Richtung Berlin auf 250 km/h. Da müssen die Bremsen funktionieren.

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Raucher in die Psychiatrie

Zigaretten werden schon wieder teurer, war gestern in der taz zu lesen. Wo soll das bloß hinführen?

Bemerkenswert ist nicht nur die Größe des Aschenbechers. Sondern auch der Umstand, daß es sich bei diesem Krankenhaus um eine (forensische) Psychiatrie handelt. Liebe Raucher, paßt gut auf Euch auf!

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Notruf der Woche

Gestern, 23:45 Uhr. Ein Anrufer auf unserer Notrufnummer. Aus der Telefonnotiz:

Bittet um RR. Betr.: Rechtsberatung zu Scheidung.

Ich kann mir genau vorstellen, warum die Frau sich von dem Kerl trennen will:

    Ruft bei einem Strafverteidiger an, weil er ein familienrechtliches Problem hat.
    Ruft mitten in der Nacht bei einem Strafverteidiger an, weil er eine Rechtsberatung braucht.
    Ruft auf einer Notrufnummer an, weil ihm seine Frau die rote Karte gezeigt hat

Haben Psychiater eigentlich auch Notrufnummern?

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Versuchen kann man es ja …

Wenn ich in der Justizvollzugsanstalt anrufe und um Auskunft bitte, ob mein Mandant dort schon eingetroffen ist, werde ich auf den Datenschutz verwiesen. Solche Auskünfte gibt es nur gegen Vorlage einer schriftlichen Vollmacht.

Bei Inkasso-Buden scheint das etwas gaaaanz anderes zu sein:

Ich hoffe nur, daß auf die Anfrage mit Worten reagiert wurde, die diese Leute auch verstehen.

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Kein Spaßdelikt und die U-Haft

Zum ersten Mal erreicht die Staatsanwaltschaft ein Urteil gegen einen Linken wegen Autobrandstiftung. Der Deal: Für sein Geständnis erhält er eine Bewährungsstrafe.

berichtet Konrad Litschko in der taz.

Der Verurteilte saß seit September 2010 in Untersuchungshaft, die erkennbare Spuren bei ihm hinterlassen hatte. Und – wie so häufig – für Geständnisbereitschaft gesorgt hat.

Das Geständnis wurde wenigstens belohnt: 22 Monate Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Abredegemäß:

Schon im Vorfeld hatten Richter, Staatsanwalt und Verteidiger einen Deal ausgehandelt.

Es war wohl auch wenig Spielraum für eine Freispruchverteidigung.

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Supersonderangebot: Die Nachvernehmung

U-Haft schafft Rechtskraft. Ein unter den Strafjuristen bekanntes Sprichwort. Nachfolgend dazu ein Beispiel aus der Praxis.

Die Staatsanwaltschaft beantragt den Erlaß eines Haftbefehls gegen einen Beschuldigten, von dem sie erwartet oder weiß, daß er – anwaltlich beraten – sich durch Schweigen verteidigen wird.

Den Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. II Nr. 2 StPO) bekommt ein geschickter Staatsanwalt relativ einfach dargestellt. Schließlich steht man noch mitten in den Ermittlungen, die nach aktueller summarischer Prüfung auf eine hohe Straferwartung „hoffen“ lassen. Der im Zweifel überlastete Haftrichter glaubt dem Staatsanwalt alles, was er ihm erzählt; der Haftbefehl wird erlassen, der Beschuldigte gepflückt und eingetütet.

Wenn der Verteidiger in diesem Moment nicht aufpaßt, wird aus dem schweigenden Mandanten ein singendes Vögelchen. Das wissen die Ermittler im Zweifel auch.

In einem Fall wurden gleich mehrere Beschuldigte verhaftet und in der Untersuchungshaftanstalt verwahrt. Ein Teil der Beschuldigten war entsprechend instruiert: Erst die Akteneinsicht, dann schaut man weiter. Bis dahin: Eisernes Schweigen. Die Ermittlungsbehörden (Polizei und(!) Staatsanwaltschaft) hatten in diesen Fällen auch schon Post erhalten: „Keine Vernehmung ohne Verteidiger!“

Ein anderer Teil der Beschuldigten wurde nicht so oder anders beraten. Zudem hatte ein Verteidiger beiläufig verlauten lassen, daß er vier Tage lang nicht in der Stadt sei. Sozusagen ein Supersonderangebot für die Ermittlungsbehörden.

Begleitet von drei Kriminalbeamten stand der Herr Staatsanwalt einen frühen Vormittag quasi in der Zelle des Mitbeschuldigten. Es hätten sich noch einige neue Gesichtspunkte ergeben, über die man mal eben reden müsse … eilig … unaufschiebbar.

Natürlich war die Partnerin des Mitbeschuldigten ein Thema, das angesprochen wurde. Auch die Rechtsfolgen des § 46b StGB, die reduzierte Straferwartung im Falle des Verrats der Aufklärungshilfe, wurden erörtert (insbesondere das Müller-Prinzip in diesem Zusammenhang: Wer zuerst singt, bekommt den Rabatt). Dazu der Haftschock, der fehlende Fernseher, Nikotinentzug und die Sorgen um die Zukunft. Und Freitag hat der Haftrichter zufällig Zeit, um noch vor dem Wochenende schnell mal einen Haftprüfungstermin dazwischen zu schieben.

Man kann es dem Mitbeschuldigten nicht übel nehmen, wenn er diesem Druck nicht standhält. In dem beschriebenen Fall folgten knapp 20 Stunden Vernehmung an drei Tagen. Im Protokoll war natürlich zu lesen, daß der Mitbeschuldigte ausdrücklich auf die Hinzuziehung eines Verteidigers verzichtet hat.

Hart an der Grenze, ganz nah dran, so eine Ermittlungsstrategie. Wie gesagt: Das muß ein Verteidiger vorher wissen, bevor es zu spät ist, wenn er aus dem Kurzurlaub wieder zurück kommt.

 

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Sinnvolles Zubehör für den Zeugenbeistand

Das Recht des Zeugen, die Auskunft zu verweigern, ist in § 55 StPO geregelt. Es gibt jedoch Fälle, in denen nicht ganz sicher ist, ob der Zeuge überhaupt nicht aussagen muß, also ob er ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht hat. Oder ob er nur einzelne Fragen nicht beantworten muß.

Darüber wird in vielen Fällen heftig gestritten. Und in den meisten Streitfällen läuft das dann darauf hinaus, daß der Vorsitzende und dann auch der Staatsanwalt ihre Fragenkataloge der Reihe nach abarbeiten und der Zeuge auf jede Frage antwortet, daß er diese Frage nicht beantworten muß, weil ihm die Rechte aus § 55 StPO zustehen.

Das ist für einen Zeugenbeistand, also für den anwaltlichen Begleiter des Zeugen, recht eintönig.

Kürzlich habe ich in der Kanzlei eines findigen Kollegen ein Schild gesehen, das er sich um den Hals hängt, sobald der Vorsitzende mit seiner Fragerei anfängt.

Und schon kann er sich gelassen der Zeremonie hingeben.

 

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Beweislast am Sonntag

Man ist in diesem Land so lange schuldig, bis man seine Unschuld bewiesen hat.

Quelle: Monika de Montgazon, zitiert nach Barbara Keller, Sieht so eine Mörderin aus?

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