Monatsarchive: April 2011

Freiheit für zu Guttenberg

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wird in der Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg keinen Strafantrag stellen.

«Der Bundestagspräsident hat den Ältestenrat in seiner letzten Sitzung davon unterrichtet, dass dafür keine Notwendigkeit besteht», sagte Lammerts Sprecher Guido Heinen dem Berliner «Tagesspiegel». Eine nähere Begründung dafür gab es nicht.

berichtet die Berliner Zeitung.

Tja, wo kein Kläger, da kein Richter. Glück gehabt.

Trotzdem: Schade, ich hätte ihn gern verteidigt. ;-)

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Persönliche Gründe für eine Bulgarienreise

Heute fliegen drei Strafverteidiger und ein Oberstaatsanwalt nach Sofia in Bulgarien.

Dort werden sie von einem Verbindungsbeamten des deutschen Bundeskriminalamts abgeholt und per Taxi in eine kleine Stadt 200 km weiter östlich begleitet.

Die Delegation wird dann in einem Hotel übernachten, um am nächsten Tag von einem Dolmetscher abgeholt und zum örtlichen Gericht begleitet zu werden.

Nach dem Gerichtstermin fährt die Delegation dann – wieder per Taxi – zurück nach Sofia, übernachtet dort in einem Hotel in Flughafennähe und fliegt anschließend nach Berlin zurück.

Es geht um die Vernehmung einer Chemikerin, die bei einer bulgarischen Behörde arbeitet, die mit der Kriminaltechnik beim Landeskriminalamt Berlin vergleichbar ist. Die Chemikerin hatte vor knapp zwei Jahren ‚mal eine „nicht geringe Menge“ Betäubungsmittel auf ihren Wirkstoffgehalt untersucht.

Der Kundige weiß, daß bei einem Verstoß gegen das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG) der Wirkstoffgehalt eine unmittelbare Auswirkung auf das Strafmaß hat. Deswegen muß das deutsche Strafgericht wissen, mit welchen Methoden die Betäubungsmittel untersucht wurden.

Dazu soll diese Chemikerin befragt werden. Von einem bulgarischen Richter, im Auftrag seiner deutschen Kollegen. Und die Verteidiger, aber auch der Oberstaatsanwalt haben eventuell auch noch die eine oder andere Frage.

Apropos Frage: Warum lädt das deutsche Gericht eigentlich die Chemikerin eigentlich nicht als Zeugin nach Berlin? Hat das Gericht gemacht. Aber die Dame wollte nicht kommen. „Aus persönlichen Gründen,“ hieß es in ihrer Absage.

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Das Wheelie und die Provida-Messung

Ein 31-Jähriger und seine Suzuki-Rennmaschine sind gestern von einer Provida-Besatzung aus dem Verkehr gezogen worden. Statt erlaubter 80 km/h wurde er mit 166 km/h gemessen.

Die Beamten der Verkehrsdirektion waren mit ihrem zivilen Provida-Fahrzeug auf Streifenfahrt. In der Hammer Landstraße fand der Suzuki-Fahrer die Aufmerksamkeit der Polizisten, als er den Streifenwagen nur auf dem Hinterrad fahrend überholte. Danach schlängelte er sich zügig durch den mehrspurigen Verkehr zur Autobahnauffahrt und beschleunigte massiv, als er freie Fahrt hatte. Vermutlich um den Verschließ des Vorderrades zu minimieren erstaunte er auch hier die Beamten erneut, in dem er auch hier seine „Wheelie’s“ zeigte. Trotz des sich rasch aufbauenden Abstandes zwischen der Suzuki und dem Provida-Fahrzeug gelang es, eine Geschwindigkeitsmessung durchzuführen. Auf einer Strecke von zwei Kilometern erreichte der 31-Jährige 166 km/h statt der erlaubten 80 km/h. An der Ausfahrt Jenfeld verließ der Kradfahrer die Autobahn; die Polizisten folgten. In der Jenfelder Allee wurde der 31-Jährige angehalten. Befragt zu seinem Auftritt teilte der angehende Bundeswehr-Offizier mit, er sei Sicherheitsinstruktor eines Automobilklubs und bilde nebenher auch Motorradrennfahrer aus.

Statt Podiumsplatz, Sektduschen und Preisgeldern machten die Polizeibeamten eine andere Rechnung auf: 680 Euro Bußgeld, vier Punkte in Flensburg, drei Monate Fahrverbot. Damit hat sich die Motorradsaison für den 31-Jährigen deutlich verkürzt und seine Suzuki-Rennmaschine wird er in den nächsten Monaten nur auf abgesperrten Rennstrecken ausfahren können.

Quelle: Polizeipresse Hamburg

Moppedfahren scheint er zu beherrschen. Jetzt braucht er noch ein paar Hinweise, woran man eine Zivilstreife erkennt. In der nächsten Saison dann wieder …

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Anarchie!

In der einen Hand den Döner, gerade abgebissen, kauend; in der anderen Hand das eingeschaltete Handy, mit dem das Verbotsschild fotografiert wurde. Ha!

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Ich, der Mittelpunkt der Welt

Aus einer Anrufbenachrichtigung:

Datum: 30.03.2011 – 22:38 Uhr
Anruf von: Herr Müller(*)
Ansprechpartner: Hr. Hoenig
Mobiltelefon: +4917*********
Nachricht: Bittet um RR. Betr.: ist bekannt

(*): Herr Müller ist nicht der wirkliche Name, aber der Name des Anrufers war ein ähnlicher Gattungsbegriff, mit dem allein in unserer Kanzlei locker eine zweistellige Anzahl von Mandanten eingeordnet werden können.

Ich frage mich, ob Herr „Müller“ sich ganz sicher ist, daß er der einzige auf dieser Welt ist, der Herr „Müller“ heißt.

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Bitte nicht vorführen

Es geht um eine kleine Strafsache, der Angeklagte ist psychisch krank. Beim ersten Termin ist er nicht erschienen, obwohl:

Die ordnungsgemäße Ladung wird festgestellt.

war im Sitzungsprotokoll zu lesen. Es mußte also ein weiterer Termin anberaumt werden.

Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft legte erwartungsgemäß einen Schalter um und beantragte den Erlaß eines Haftbefehls nach § 230 II StPO. Der Hinweis des Verteidigers und des Betreuers des Angeklagten, daß dieser krankheitsbedingt Probleme hätte, sich Termine zu merken, stieß beim Staatsanwalt auf Durchzug zwischen den Ohren.

Die Richterin behielt allerdings ihr Augenmaß und erließ später einen Vorführungsbeschluß, also im Verhältnis zum Haftbefehl die weitaus mildere und gleichermaßen wirksame Maßnahme in diesem Fall. Damit aber nicht genug.

Den Beschluß übermittelte sie mit einem spannenden Anschreiben an die zuständige Polizeidienststelle, die mit der Vollstreckung beauftragt wurde:

Auf diesem Wege wurde aus der zwangsweisen Vorführung dann die höfliche Dienstleistung „Erinnerung an den bevorstehenden Hauptverhandlungstermin“.

Sowas wäre in Berlin völlig ausgeschlossen. Das geht nur auf dem Dorf.

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Dummheit? Willkür? Größenwahn?

Rechtsanwalt a.D. Dr. Welf Haeger

Wie soeben berichtet wurde, hat die Rechtsanwaltskammer Hamm am 11. März 2011 Herrn Rechtsanwalt Dr. Welf Haeger die Zulassung entzogen. Die Kammer geht davon aus, daß Herr Dr. Welf Haeger in Vermögensverfall geraten ist.

Herr Dr. Haeger stellt sich die Frage:

Warum handelt die Kammer so […]:

Ist es Dummheit? Willkür? Größenwahn?

Wir glauben, daß es nur der Versuch sein kann, einen unbequemen Preisbrecher endgültig vom Markt verschwinden zu lassen.

Nun ja, da wird der ehemalige Kollege wohl seine Tätigkeit auf sein zweites Standbein verlagern müssen.

Update:
Hier ist der Verfahrensverlauf ein wenig nachvollziehbar dargestellt.

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Tomaten bei der Postkontrolle

Der Mandant sitzt in der Untersuchungshaft. Nach § 119 StPO ist sein „Schrift- und Paketverkehr zu überwachen“. Dieser Postkontrolle unterliegt aber nicht die Verteidigerpost.

Ich hatte dem Mandanten einen längeren Brief geschrieben. Daß ich der Verteidiger des Untersuchungsgefangenen bin, ist in der Haftanstalt bekannt. Auf der Vorderseite des Briefes war zu erkennen, daß der Brief von unserer Kanzlei stammt. Zusätzlich trägt der Umschlag vorn einen roten Stempelabdruck:

VERTEIDIGERPOST

Gut, ich weiß, daß man das schon mal in der Eile übersehen kann. Deswegen gibt es den selben Stempel nochmal auf der Rückseite.

Trotzdem, es steht morgens früh irgendwo immer einer auf, der Tomaten auf den Augen hat. Dann passiert sowas hier:

Es handelt sich um einen sehr erfahrenen Richter. Ich glaube ihm, daß er die Post nicht gelesen hat.

Ein komisches Gefühl habe ich gleichwohl, auch wenn ich schon vorher wußte, daß man vertrauliche (vulgo: „gefährliche“) Informationen nicht mit der Post in den Knast schicken sollte.

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Die Anfrage der Woche

Am vergangenen Freitag erreichte uns die folgende eMail:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin eine Jura-Studentin im 3. Semester und muss eine Hausarbeit im öffentlichen Recht schreiben.
Ich habe diese fertig geschrieben, kenne aber keinen, der diese inhaltlich kontrollieren könnte.

Wären Sie bereit kurz ein Auge darauf zu werfen?
Das wäre sehr nett.

Auf eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

MfG,

Ich überlege noch, was ich antworten soll.

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Die Augsburger Demarkationslinie

Die mündliche Urteilsbegründung in dem Augsburger Verfahren, so wie sie von Gisela Friedrichsen wiedergegeben wurde:

Das Gericht rügte auch, Lucas habe „jede Möglichkeit zur Deeskalation vergehen lassen“. Wie das? Weil er schwieg.

erinnert mich an einen älteren Blogbeitrag von Rechtsanwalt Detlev Burhoff; er schreibt:

Manchmal ist man fassungslos, oder: KG muss Tatrichter an die Auswirkungen des “nemo-tenetur-Grundsatzes” erinnern.

In seinem Beitrag berichtet Herr Burhoff über einen bekannten Richter am Amtsgericht Tiergarten, dem eine seiner Entscheidungen vom Kammergericht links und rechts um die Ohren gehauen wurde:

Da führt der Amtsrichter in seinen Urteilsgründen doch allen Ernstes zum prozessualen Verhalten des Betroffenen aus, dass sein

„Versuch…, dadurch die Aufklärung des Sachverhaltes zu verhindern oder zumindest zu erschweren, dass er sich zur Sache nicht einließ, … gescheitert ist“.

Die Begründung des Richters Thomas Junggeburth, Vorsitzender der 3. Strafkammer am Landgericht Augsburg, ähnelt fatal der Entscheidung des Berliner Verkehrsrichters, dessen berufliche Existenz nur noch an einem hauchdünnen Faden des Art. 97 GG hängt.

Das Kammergericht hat es so formuliert:

Seine Berufung auf das Schweigerecht, auf das der Tatrichter ihn zuvor hingewiesen hatte, wird damit als Mittel gewertet, dem etwas Ungehöriges anhaftet, weil es darauf abzielt, die Aufklärung des Sachverhaltes durch das Gericht zumindest zu erschweren. Diese Wertung lässt besorgen, dass der Tatrichter das dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare entstammende Recht zu schweigen, das zu den elementaren Wesensmerkmalen eines rechtsstaatlichen Verfahrens gehört, nicht als solches ansieht, sondern als unlauter und seine Tätigkeit unnötig erschwerend begreift.

Wenn ich die Prozeßberichte richtig verstanden habe (hier gibt es einige), ist das Verfahren gegen Stephan Lucas meiner Ansicht nach von der Staatsanwaltschaft schon im Grenzbereich des Rechtsstaats geführt worden.

Nachdem nun auch noch ein VRiLG in dieser Weise seinen Blickwinkel auf das Verfassungsrecht offenbart, scheint mir Augsburg, sofern überhaupt noch im Grenzbereich, dann aber sicher jenseits der Demarkationslinie zu liegen.

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