Monatsarchive: Mai 2011

Kein kilometerlanges Vertrauen

Welchen Wert eine fünf Jahre alte Beziehung zwischen Verteidiger und Mandant in Bayern hat, dokumentiert dieser Beschluß des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen.

Darin heißt es unter anderem:

Also: Bei einer Entfernung von bis zu 300 km überwiegt das Vertrauen. Darüber hinaus geht das Kosteninteresse des Freistaats vor. Meint jedenfalls der Richter am Amtsgericht.

Mal schauen, was die Etage darüber dazu zu sagen hat.

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Einführung in die Strafverteidigung – die Berliner Praxis

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. informiert in ihrem Newsletter an die Mitglieder, daß bei Interesse die Veranstaltungsreihe „Einführung in die Strafverteidigung – die Berliner Praxis“ wieder aufgelegt werden soll:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im vergangenen Jahr haben wir nach einigen Jahren Pause die Veranstaltungsreihe „Einführung in die Strafverteidigung – die Berliner Praxis“ wiederbelebt. Die Veranstaltung fand in drei Blöcken zu den Themen

  • Verteidigung im Ermittlungsverfahren,
  • Verteidigung in der Hauptverhandlung und
  • Verteidigung bei Untersuchungshaft

statt.

Die Veranstaltung richtet sich vorwiegend an junge Kolleginnen und Kollegen und soll einen Überblick über die Verteidigung in den Verfahrensabschnitten unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Praxis bieten.

Bei entsprechendem Interesse würden wir die Veranstaltung auch in diesem Jahr anbieten. Wir bitten daher Kolleginnen und Kollegen uns mitzuteilen, ob ein Interesse an der Veranstaltung besteht. Bei entsprechender Anzahl potentieller Teilnehmerinnen und Teilnehmer würden wir die Veranstaltung organisieren.

Die Höhe der Kosten für die Teilname an dieser Veranstaltungsreihe (und allen anderen Fortbildungsveranstaltungen) orientierte sich in der Vergangenheits stets an der Leistungsfähigkeit von Berufseinsteigern. Noch geringer sind übrigens die Kosten für Mitglieder der Vereinigung. ;-)

Bei Interesse bitte eine eMail an die Berliner Strafverteidiger.

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Sarkastische Gebührenfrage

Die klassische Dreisprung-Anklage gegen den Mandanten: Beleidigung, Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Es gab einen nächtlichen Konflikt in der S-Bahn. Und dann die übliche Hau-Ruck-Ermittlung; schließlich hatte man ja die ausführlichen und gleichlautenden Zeugenaussagen von drei Polizeibeamten. Was sollte man da noch ermitteln?! Also raus mit der Anklage …

Damit kam dann der Betreuer des Mandanten zu mir. Zusätzlich bekam ich die Krankenakte dieses Drehtür-Patienten der Psychiatrie: Rein bei einem Psycho-Schub, Behandlung, als „gut eingestellt“ entlassen; es folgt ein neuer Schub und das Ganze beginnt von vorn. Zu dieser psychischen Erkrankung kam noch die Diagnose einer Epilepsie.

In der Hauptverhandlung habe ich – mittlerweile zum Pflichtverteidiger bestellt – dann ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Frage der Schuldfähigkeit beantragt.

Die Verhandlung wurde ausgesetzt, der Mandant begutachtet mit dem Ergebnis: Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB.

Das Gericht vereinbart mit uns einen Termin im Juli 2011, damit das Gutachten in das Verfahren eingeführt und der Mandant freigesprochen werden kann.

Dann erreicht uns jedoch die Mitteilung des Betreuers: Der Mandant sei verstorben. Wir übermitteln die Sterbeurkunde an das Gericht, das Verfahren wird eingestellt. Soweit, so gut(?).

Nun stellt sich hier die Frage: Wie sieht es mit den Kosten aus? Hat der Verteidiger auch einen Anspruch auf die Erledigungsgebühr (Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG?) ;-)

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Gut getarnte Zivilpolizisten

Am 1. Mai wurden offenbar an mehreren Orten Polizisten durch Polizisten verletzt. LKA-Mitarbeiter beklagt Faustschlag. Zivilbeamte zeigen Pfeffersprayeinsatz an. Demosanitäter spricht von wahllosem Reizgaseinsatz.

berichtet Gereon Asmuth in der taz.

Namensschilder für Polizisten wären auch unter diesem Aspekt eine schlaue Idee. Insbesondere für die Zivilpolizisten, damit sie von ihren Kollegen erkannt werden, bevor sie eins auf die Glocke bekommen.

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Die Simlock-Entfernung ist strafbar

entscheidet das Amtsgericht Göttingen.

Wegen gewerbsmäßiger Entfernung der Bindung an einen bestimmten Mobilfunk-Anbieter (Simlock) bei Handys ist ein 35-Jähriger in Göttingen zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Göttingen befand, die Entsperrung sei eine „Fälschung beweiserheblicher Daten“ und eine strafbare Datenveränderung. Mobilfunkanbieter richten die Sperre beim Abschluss eines Nutzervertrags ein und verhindern damit die Verwendung in anderen Mobilfunknetzen zu möglicherweise günstigeren Konditionen.

berichtet Heise mobil.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Entscheidung des Amtsgerichts rechtskräftig wird. Die laut Heise von der Verteidigung vorgetragene Argumentation:

Wer eine Simlock-Sperre aufhebe, beseitige ein „Nutzungshindernis“, sagte der Anwalt. Dies sei allenfalls eine zivilrechtlich relevante Vertragsverletzung gegenüber dem Mobilfunkanbieter.

hört sich durchaus vertretbar an. Ich bin gespannt, ob das Landgericht Göttingen diese Entscheidung hält.

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Regelungen zur Sicherungsverwahrung verfassungswidrig

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass alle Vorschriften des Strafgesetzbuches und des Jugendgerichtsgesetzes über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind, weil sie den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots nicht genügen.

Überdies verletzen die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Vorschriften zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus und zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

Quelle und weitere Informationen dazu: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011

Hier ist das dieser Pressemitteilung zugrunde liegende Urteil des BVerfG, 2 BvR 2365/09 vom 4.5.2011 veröffentlicht.

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Blog-Statistik

Ein Blick unter die Motorhaube:

Bei einem durchschnittlichen Zeitaufwand von nur 15 Minuten pro Artikel sind das 750 Stunden, die ich mit Schreiben von Blogbeiträgen verbracht habe. Als wenn ich nichts Besseres zu tun hätte. 8-)

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Beifall für und Freude über einen Mord?

Frage:Frau Bundeskanzlerin, dieser Erfolg, den Sie beschreiben, war offenkundig eine gezielte Tötung; vieles spricht dafür. Sollten auch deutsche Sicherheitskräfte in der Lage sein, auf diese Weise gegen Terrorhäupter vorzugehen?

BK´in Merkel:
Ich bin heute erst einmal hier, um zu sagen: Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.

Quelle: Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Tötung von Osama bin Laden

Ich bin ziemlich sicher, daß das, was Frau Merkel vor dieser Antwort zu sich genommen hat, zumindest rezeptpflichtig war.

Es kann doch nicht sein, daß die Spitze unserer Exekutive, die für das Volk spricht (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), bei auch nur durchschnittlich klarem Verstand einer vermutlich gezielten Tötung Beifall klatscht, für die unser Gesetzgeber durchaus heftige Reaktionen zur Verfügung stellt.

Rechtsanwalt Udo Vetter formuliert zutreffend, nur sachlicher:

Wenn Frau Merkel also unverhohlene Freude über die gezielte Tötung eines Menschen äußert, relativiert sie ohne Not verfassungsrechtliche Eckpositionen wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Heute tut sie das für Terroristen und Massenmörder. Morgen macht sie es vielleicht für Serienkiller, übermorgen für Sexualstraftäter. Andere tun es dann irgendwann auch für weit harmlosere Zeitgenossen. Eine passende Schublade lässt sich auch für dich und mich finden, wenn die Dämme mal gebrochen sind.

Ich fasse es nicht, von was für einem Pack welchen Menschen wir regiert werden uns regieren lassen müssen.

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Die Ansprache

President Obama on Death of Osama bin Laden.

Ich rechne nicht damit, daß damit ein Schlußpunkt gesetzt wurde. Im Gegenteil …

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Abscheuliche Feuerteufel

Der Düsseldorfer Strafverteidiger Udo Vetter beschreibt in seinem law blog die – für seinen Mandanten – glückliche Fügung in einer Verkehrsstrafsache.

Der Staatsanwalt macht Urlaub, deswegen unterbleibt die Standard-Reaktion auf eine Autofahrt, die möglicherweise nach dem „Genuß alkoholischer Getränke und anderer berauschender Mittel“ stattgefunden hat. Vetters Mandant behält seinen Führerschein und seine Fahrerlaubnis, zumindest bis zum Urlaubsende des Staatsanwalts.

Stillstand der Rechtspflege, diesmal zugunsten des Beschuldigten.

Als wenig erfreulich empfinde ich allerdings die Kommentare der Leser des law blogs dazu. Offenbar trägt die permanente Medienhetze des Boulevard Früchte: Sobald das Volk meint, es gibt einen Regelverstoß, hat eine gnadenlose Reaktion zu erfolgen, beispielsweise den Entzug der Fahrerlaubnis auf Lebenszeit oder Knast. Und damit bei der Umsetzung solcher standrechtlichen Lösungen niemand stört, wird vorgeschlagen:

Ich wünsche mir ja, dass so ein zugekokster Alki mal einen Strafverteidiger erwischt und ihn volle Hacke umnietet. Nein, keinen bestimmten Strafverteidiger, wirklich nicht. Einfach irgendeinen, völlig beliebig. Die sind ja alle gleich und versuchen derartige Straftaten (!) ins Lächerliche/Harmlose zu ziehen.

Da hilft nur Auge um Auge, Zahn um Zahn.

In diesem Sinne… liebe Kokser, zielt auf Anwälte, wenn ihr wieder einmal besinnungslos auf der Straße herumheizt.

Ich nehme es den einzelnen Kommentatoren – sowohl bei Vetter als auch hier und in den anderen Strafrechtsblogs – nicht krumm, wenn solche, sagen wir mal: schlichte Lösungen gefordert werden. Das sind jedoch die notwendigen Folgen der Veröffentlichungen dieser brutalen Reporter-Chaoten in Blättern wie BZ und Express.

Kai Diekmann und seinesgleichen sind gewiss nicht Deutschlands verlogenste Dummköpfe, die sich anders als durch superlative Ramba-Zamba-Metapher nicht artikulieren könnten. Ich halte sie für geistige Brandstifter, brandgefährlich und schwerstkriminell.

Sie sorgen für eine Stimmung im Land, die nicht gut ist, gar nicht gut. Wir, die wir – anders als die erwähnten Kommentatoren – imstande sind, uns mehr als schlichte Hau-Drauf-Und-Kopf-Ab-Lösungen vorzustellen, sollten diese Entwicklung sehr, sehr aufmerksam beobachten.

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