Monatsarchive: August 2011

Wahlkampf in Neukölln

In Kürze wird gewählt. Das Wahlvolk in Berlin, und damit auch in Neukölln, ist aufgerufen seine Vertreter ins Amt zu wählen. Einer der Kandidaten ist Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, Mitglied der SPD.

Es ist unbestritten, daß Buschkowski für den Bezirk mit dem Proleten-Image eine Menge guter Dienste geleistet hat. Sympathisch an ihm waren auch seine stets deutlichen Worte, mit denen er die Zu- und Umstände in Neukölln beschrieb.

Nun aber scheint er den Bogen reichlich überspannt zu haben. In einer Bußgeldsache hatte das Amtsgericht Tiergarten die Einstellung des Verfahrens verfügt. Es ging um einen Bußgeldbescheid, der gegen einen Gastwirt erlassen wurde; das Ordnungsamt warf ihm vor, Jugendlichen verbotenerweise Alkohol ausgeschenkt zu haben.

Buschkowski, der die Verfahrensakten nicht kennt und auch sonst nicht an dem Verfahren beteiligt war, reklamierte diese Einstellung als falsch. Soweit, so gerade noch in Ordnung.

Dann schrieb Buschkowski aber auch noch einen Kommentar für die BILD. Exakt auf dem Niveau dieses Blatts. Er Bezeichnete den Richter – wenn auch indirekt – als einen Schwachmaten, low performer, und kritisierte gleich in einem Rundumschlag die „Schlafmützenjustiz“.

Kritik an einer gerichtlichen Entscheidung ist eine Sache, persönliche Diffamierung von Richtern durch Politiker eine andere.

Politiker wie Buschkowski sollten ihre eigenen Grenzen kennen, damit sie andere von der Qualität ihrer Leistung überzeugen können. Diese Grenzen hat der Dicke aus Neukölln deutlich überschritten.

Hintergrund: Tagesspiegel

Danke an HU für den Hinweis.

Update:
Die Pressemeldung der Präsidentin des Kammergerichts liefert die Fakten, die zu der – zutreffenden – Entscheidung des Amtsgerichts geführt haben.  Es ist zu hoffen, daß Herr Buschkowski in seinem Wahlkampf Zeit gefunden hat, die Hintergründe des Entscheidung wenigstens im Nachhinein zur Kenntnis zu nehmen und über sein eigenes Verhalten nachzudenken.

 

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Bußgeldbescheid vom Inkassounternehmen

Einen Schub von Mandaten mit Bezug zum italienischen Ausland bekommen wir regelmäßig nach Ende der Sommerferien. Dann nämlich sind die Italien-Urlauber wieder im Lande und haben Post  von dem privaten Inkassounternehmen „European Municipality Outsourcing“ mit Sitz in Florenz bekommen.

Meist handelt es sich dabei um den Vorwurf, irgendeine kleine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Halte- oder Parkverstöße sind die Klassiker, die Benutzung einer Einbahnstraße in verkehrter Richtung oder das Befahren in einer zeitweise gesperrten Zone zur falschen Zeit.

Dazu wird ein hervorragender Service angeboten: Die Geldbuße – oft in 3-stelliger Höhe – kann sofort auf der Website des Inkassounternehmens per Kreditkarte bezahlt werden, Benutzernamen und ein Password werden gleich mitgeliefert, damit dies in einem geschützten Bereich erfolgen kann.

Wer zahlt, für den ist die Sache damit erledigt. Für den, der nicht zahlt auch.

Denn vollstreckt werden diese Bußgeldbescheide hier in Deutschland nicht, weil sie schlicht den Anforderungen des Gesetz zur Umsetzung eines Rahmenbeschlusses der EU über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen nicht entsprechen.

Problematisch wird das erst, wenn der nächste Italienaufenthalt ansteht und das Fahrzeug in eine Kontrolle gerät, bei der dann anhand des Kennzeichens der noch offene Deckel festgestellt wird. Dieses Szenario ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich und zahlreiche Ausreden sind immer leicht zur Hand; im schlimmsten Fall zahlt man eben vor Ort und gut ist.

Oder man verbringt seinen Urlaub bis nächsten Fahrzeugwechsel, längstens bis zum Ablauf der Verjährungszeit im Harz. Oder fährt mit dem Fahrrad nach Italien, so wie ich. ;-)

 

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Das Programm für die Woche

So ungefähr wird es aussehen:

Vom Bodensee zum Comer See

Wenn nur die Trainingsrückstände nicht wären …

 

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Gefällt mir – abschalten!

ULD droht Bußgelder für den Fall an, dass Webseiten-Betreiber die Facebook-Social-Media-Dienste wie die „Gefällt mir“-Funktion nicht deaktivieren.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) fordert alle Stellen in Schleswig-Holstein auf, ihre Fanpages bei Facebook und Social-Plugins wie den „Gefällt mir“-Button auf ihren Webseiten zu entfernen. Nach eingehender technischer und rechtlicher Analyse kommt das ULD zu dem Ergebnis, dass derartige Angebote gegen das Telemediengesetz (TMG) und gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) bzw. das Landesdatenschutzgesetz Schleswig-Holstein (LDSG SH) verstoßen. Bei Nutzung der Facebook-Dienste erfolgt eine Datenweitergabe von Verkehrs- und Inhaltsdaten in die USA und eine qualifizierte Rückmeldung an den Betreiber hinsichtlich der Nutzung des Angebots, die sog. Reichweitenanalyse. Wer einmal bei Facebook war oder ein Plugin genutzt hat, der muss davon ausgehen, dass er von dem Unternehmen zwei Jahre lang getrackt wird. Bei Facebook wird eine umfassende persönliche, bei Mitgliedern sogar eine personifizierte Profilbildung vorgenommen. Diese Abläufe verstoßen gegen deutsches und europäisches Datenschutzrecht. Es erfolgt keine hinreichende Information der betroffenen Nutzerinnen und Nutzer; diesen wird kein Wahlrecht zugestanden; die Formulierungen in den Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinien von Facebook genügen nicht annähernd den rechtlichen Anforderungen an gesetzeskonforme Hinweise, an wirksame Datenschutzeinwilligungen und an allgemeine Geschäftsbedingungen.

Das ULD erwartet von allen Webseitenbetreibern in Schleswig-Holstein, dass sie umgehend die Datenweitergaben über ihre Nutzenden an Facebook in den USA einstellen, indem sie die entsprechenden Dienste deaktivieren. Erfolgt dies nicht bis Ende September 2011, wird das ULD weitergehende Maßnahmen ergreifen. Nach Durchlaufen des rechtlich vorgesehenen Anhörungs- und Verwaltungsverfahrens können dies bei öffentlichen Stellen Beanstandungen nach § 42 LDSG SH, bei privaten Stellen Untersagungsverfügungen nach § 38 Abs. 5 BDSG sowie Bußgeldverfahren sein. Die maximale Bußgeldhöhe liegt bei Verstößen gegen das TMG bei 50.000 Euro.

Quelle: ULD an Webseitenbetreiber: Facebook-Reichweitenanalyse abschalten

ULD Arbeitspapier „Facebook und Reichweitenanalyse

Danke an den Kollegen Michael Seidlitz, Berlin, für den Hinweis.

 

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Facebook-Warnung ist nicht strafbar

Facebook-Gruppen, mit/in denen vor Kontrolleuren in öffentlichen Verkehrsmitteln gewarnt wird, sind keine kriminellen Vereinigungen und die Warnungen vor den Kontrollettis in Bussen und Bahnen sind nicht strafbar.

Zu diesem – zutreffenden – Ergebnis kommt Adolf Rebler in seinem Artikel „Unerwünschte Solidarität im Verkehr“, der am 12.08.2011 in der Legal Tribune Online erschienen ist.

 

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Der Blockwart in der GEZ

Die GEZ möchte ab 2013 von jedem Haushalt eine feste Pauschale für’s Fernsehgucken und Radiohören. Das setzt nun auch voraus, daß die Quasi-Behörde über die Haushalte Bescheid weiß. Weil sie aber nicht so ohne Weiteres in jede Wohnung hinschauen darf, ist die Zentrale auf Informationen angewiesen, die sie von dritter Seite bekommen kann. Das können unter anderem die Vermieter sein.

So hat man in einem Staatsvertrag ein paar schlaue Ideen verpackt:

In § 9 dieses Vertrages wird unter anderem geregelt,

dass die GEZ beim Hauseigentümer Auskunft über den Mieter einholen darf, wenn gewisse Daten der GEZ nicht vorliegen. Diese Daten sind Vor- und Nachname, frühere Namen, Geburtstag, Anschrift und Angaben zur Lage der Wohnung, letzte gemeldete Anschrift, Beginn des Mietsverhältnisses, beitragspflichtige Kraftfahrzeuge und mehr.

berichtet die PC-Welt unter Berufung auf das WAZ-Portal Der Westen.

Es ist schon erstaunlich, was sich dieser Staat so alles einfallen läßt, um an das Geld seiner Bürger zu kommen. Wie zu alten Zeiten wird der Hauswart (wahlweise Hausmeister, Hausverwalter, Hauseigentümer) zum Blockwart, der seinerzeit vergleichbare Aufgaben hatte:

Nach einem Rundschreiben vom 31. Januar 1941 sollten die Blockleiter vermerken, „seit wann der Völkische Beobachter bezogen wird, ob die Familie bereits vor dem Flaggengesetz von 1935 eine Hakenkreuzfahne besaß und welches Rundfunkgerät in dem Haushalt vorhanden ist. […]

Quelle dieses Zitats: Wikipedia

Schön, daß sich die Geschichte stets wiederholt; so kann man sich vorstellen, wie sich die Sache weiter entwickeln könnte.

 

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Private Zwangsmaßnahmen im Maßregelvollzug

Am 25. Oktober 2011 um 10.00 Uhr wird das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) öffentlich verhandeln

über die Verfassungsbeschwerde eines Maßregelvollzugspatienten, der sich gegen die Anordnung und zwangsweise Durchführung einer besonderen Sicherungsmaßnahme (Einschluss) durch Bedienstete einer mit der Durchführung des Maßregelvollzugs beliehenen Gesellschaft privaten Rechts wendet. Die Verfassungsbeschwerde wirft die Frage auf, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei der Anwendung von Zwangsmaßnahmen im Maßregelvollzug der Einsatz von Bediensteten beliehener Privater zulässig ist.

teilt die Pressestelle des BVerfG in der Pressemitteilung Nr. 51/2011 vom 17. August 2011 mit.

Es geht um die Verpflichtung des Staates nach Art. 33 Abs. 4 GG, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe „in der Regel“ Beamten zu übertragen ist.

Je intensiver bei der Ausübung dieser Befugnisse in die Rechte des Bürgers eingriffen wird, desto verbindlicher ist diese Regel und desto weniger darf es davon Ausnahmen geben.

Es dürfte Einigkeit bestehen, daß man beispielsweise die Überprüfung eines Schornsteins oder eines Kraftfahrzeugs Privaten Unternehmern überlassen kann, indem man den Schornsteigfeger bzw. den TÜV mit Hoheitsrechten „beleiht“.

Problematisch wird es bei Zwangsmaßnahmen, die de facto sämtliche Freiheitsrechte außer Kraft setzen. Denn heftiger als der mit Gewalt durchgesetzte Einschluß in einen Haftraum ist nur noch der „finale Rettungsschuß“, den es offziell eigentlich gar nicht gibt. Diese Gewalt abzugeben in die Hände Privater, ist schon echt mutig – wenn man die Spielregeln des Verfassungsrechts ernst nehmen will.

Ich bin auf die Entscheidung aus dem Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts am Dienstsitz „Waldstadt“ in der Rintheimer Querallee 11, 76131 Karlsruhe, gespannt.

 

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Versenkt! Taucher gesucht.

Ich hatte über die Werbung der ERGO Versicherungsgruppe AG mit dem billigen internen Kundenanwalt berichtet. Der Versicherer wollte seine Kunden mit einer Videobotschaft dazu veranlassen, erst einmal mit dem eigenen „Kundenanwalt“ zu sprechen, bevor er sich bei „einem teueren externen Rechtsanwalt“ Rat einholt.

Auch auf der Mailingliste der Rechtsanwälte, auf der sich über 1.000 Kollegen austauschen. war diese Werbung ein Thema. Es wurde diskutiert, ob das Angebot des Versicherers gegen Wettbewerbsrecht verstößt und gegebenenfalls sogar strafbar ist.

Die Wege des Internets sind unergründbar, jedenfalls hat diese Diskussion den Weg in die Internet-Redaktion gefunden. Dort war man von dem Gegenwind wohl etwas überrascht.

Und hat das Video mal eben schnell wieder aus dem Netz genommen.

Vielleicht ist einer der Leser hier aber in der Lage, mir eine Kopie dieses Videos oder einen Link dorthin zu übermitteln. Ich sichere Vertraulichkeit zu. (Vorsorglich: Veröffentlichen werde ich es natürlich nicht.)

 

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Für den Weg zum Gericht

Auch für Jogger geeignet: Eine freundliche Begrüßung unsrer vierbeinigen Freunde.

Ich setze mich dann mal auf’s Rad und fahre von Kreuzberg nach Moabit ins Gericht …

Besten Dank an den Nordic Walker aus Schenklengsfeld für den freundlichen Vorschlag.

 

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Interner billiger Kundenanwalt

Darüber, daß Versicherungsunternehmen Rechtsanwälten ihre Unabhängigkeit abkaufen, damit diese ihre Mandanten verraten beraten, habe ich erst kürzlich einmal wieder berichtet.

Die ERGO Versicherungsgruppe AG setzt dem noch einen oben drauf. Sie kauft sich gleich den ganzen Anwalt, der dann vorgibt, die Kundeninteressen zu vertreten.

Im vergangenen Jahr hat ERGO […] verschiedene Initiativen gestartet, die den Kunden weitere Unterstützung bieten. Aktuelles Beispiel ist der Kundenanwalt, der seit Anfang 2011 als feste Instanz innerhalb von ERGO ausschließlich die Interessen der Kunden verfolgt und eventuellen Benachteiligungen oder Fehlern nachgeht.

Quelle: ERGO Presseinformation 3. August 2011

Immerhin, der eingekaufte Anwalt spricht von Kunden, nicht von Mandanten:

Den wunden Punkt spricht dieser sympathische Ergo-Anwalt ungefragt von sich aus an (0:57):

Klar, es kann Kunden geben, die sich die Frage stellen, wenn ich von der ERGO bezahlt werde, warum sie mir vertrauen sollen. Sie sollen kommen, sie sollen es ausprobieren. … Das ist eine tolle zusätzliche Alternative zu einem teuren externen Anwalt.

Ausprobieren?! Wer trägt eigentlich das Risiko, daß dieser „Test am lebenden Objekt“ durch die mutmaßlich einseitige, dem Unternehmen verpflichtete Beratung zum Rechtsverlust und Vermögensschaden beim Ratsuchenden führt? Doch allein der Versicherungsnehmer, der dafür vorher auch noch teure Prämien an den Versicherer geleistet hat!

Und welche Interessen stehen dahinter, wenn der Versicherer jährlich einen sechsstelligen Betrag dafür aufwendet, um die Versicherungsnehmer angeblich rechtlich zu beraten? Die ERGO wird dadurch Gewinne erwirtschaften wollen. Das ist grundsätzlich auch legitim, allerdings nur dann, wenn die Investition keine Täuschung der Kunden im Auge hat.

Aus der Sicht eines unabhängigen Beraters rate ich dringend davon ab, ein solches Angebot anzunehmen; der „externe, teure Anwalt“ ist im Zweifel preiswerter als der billige Ergo-Anwalt.

Danke an Rechtsanwalt Harald Vogler aus Nürnberg für den Hinweis auf den Verrat das Angebot.

 

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