Monatsarchive: Oktober 2011

Das Rein- und Raus-Spielchen der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft teilte mir am 18.10.2011 mit, daß das Verfahren gegen meinen Mandanten nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Ich habe darauf unter Hinweis auf Ziffer 88 RiStBV um eine Begründung für die Einstellung gebeten und dem Mandanten von dem freudigen Ereignis berichtet.

Relativ zügig reagierte die Staatsanwaltschaft auf meine Begründungsbitte:

Rinn in de Duffeln, russ us de Duffeln, sagen wir Siegerländer dazu. Ich bin gespannt, was die ausländischen Ermittler da für Informationen an die deutschen Behörden geschickt haben.

Aber einmal mehr hat sich unser Textbaustein bewährt, mit dem wir unseren Mandanten zum vorsichtigen Genuß von Einstellungsmitteilungen raten.

Ein Verbrauch der Strafklage tritt durch die Einstellung nach § 170 Abs. 2 S. 1 StPO nicht ein, da der Einstellungsverfügung keinerlei Rechtskraftwirkung zukommt. Das Verfahren kann auch bei gleicher Sach- und Rechtslage jederzeit wieder aufgenommen werden.

schreibt Dr. Karl-Heinz Schmid im Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage 2008, Rn 23 zu § 170.

Man kann sich eben nicht verlassen auf Entscheidungen der Staatsanwaltschaft. So sieht es jedenfalls der gemeine Bürger. Und der arme Strafverteidiger muß ihm dann mühsam erklären, welchen zuverlässigen Charakter Staatsanwälte haben. Keine leichte Aufgabe das …

Übrigens: Wenn es am Ende dann zum zweiten Male zu einer Einstellung nach § 170 StPO kommen sollte, bezahlt der Mandant auch zum zweiten Mal die Rechnung seines Verteidigers. Der Mandant, nicht der Staatsanwalt.

 

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Komplexe Argumente

Die Sache hat sich etwas verzögert. Der Mandant sitzt derweil in Untersuchungshaft. Es geht aber nun mal nicht schneller, schrieb der Vorsitzende Ende Juli.

Ein früherer Beginn kommt mit Blick auf die notwendige Einarbeitung in den sehr komplexen Verfahrensstoff nicht in Betracht.

Diesem Argument stellte sich die Verteidigung – zustimmend – nicht entgegen.

Und weil es eben „sehr komplex“ (siehe oben) und auch noch sehr umfangreich (siehe hier) war, beantragte die Verteidigung Unterstützung: Das Gericht möge doch bitte einen zweiten Pflichtverteidiger bestellen.

Diesem Antrag gab die Strafkammer nicht statt. Ende September erging ein Beschluß, in dem es heißt:

Der Verfahrensstoff ist […] nicht von außergewöhnlicher rechtlicher Schwierigkeit.

Auch in tatsächlicher Hinsicht ergeben sich aus dem Verfahrensstoff keine besonders hohen, von einem Verteidiger allein nicht zu bewältigenden Anforderungen.

Im Übrigen weisen die drei mit der Anklage erhobenen Tatvorwürfe in ganz erheblichem Umfang sowohl rechtlich wie tatsächlich gleichartige Strukturen auf, wodurch das Durcharbeiten des Verfahrensstoffs stark erleichtert wird.

Womit die Verhältnisse zwischen Richter und Strafveteidiger – jedenfalls in diesem Strafverfahren – geklärt wären.

 

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Die Kiste der Staatsanwaltschaft

Ich habe einen Teil meiner Ausbildung mit Arbeit im Gemüse- und Lebensmittelhandel finanziert. Meine Aufgaben bestanden unter anderem darin, Gemüsekisten zu stapeln. Auch während meiner dreimonatigen Aushilfstätigkeit in der Krombacher Brauerei hatte ich mit Kisten zu tun.

Seinerzeit habe ich zwar noch nicht damit gerechnet, irgendwann einmal als Strafverteidiger unterwegs zu sein. Allerdings hätte ich es auch nie geglaubt, wenn mir jemand erzählt hätte, daß ich auch dann noch Kisten schieben muß.

Aber, bei Lichte betrachtet: So groß ist der Unterschied zwischen der Brauerei und den Wirtschaftsabteilungen der Berliner Justiz ja nun auch wieder nicht.

 

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Zuwachs in der Bibliothek

Das meiste an Literatur und Zeitschriften, die wir für unsere Kanzlei benötigen, führen wir uns auf elektronischem Wege zu. Dazu gehören die klassischen, übers Netz zu erreichenden Datenbanken und die silbrigen Scheiben, deren Inhalte sich auch bequem auf den mobilen Geräten der Strafverteidiger abspeichern lassen.

Aber so ab und an geht es dann noch nicht ohne ein richtiges Buch in den Händen. Frisch eingetroffen ist heute dieser Schinken mit seinen 2.116 Seiten:

Recht herzlichen Dank an den Autor und „Blogger-Kollegen„, Rechtsanwalt Detlef Burhoff, insbesondere für die freundliche Widmung, mit der er unsere Kanzlei grüßt.

 

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Der Strafverteidiger empfiehlt -18

Heute:

Erste-Klasse-Pissoir

Unverschämter Richter

Ehemaliger Richter munitioniert Verteidiger

Die Würde des Menschen in Passau

Keine Bomben-Kühlpads

 

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Das Lob des Richters

Es ist nicht ganz klar, ob ich mich uneingeschränkt freuen kann, wenn mich ein Richter einmal lobt. Erwähnenswert ist es aber allemal, daß Hans-Otto Burschel, Direktor des Amtsgerichts Bad Salzungen, in seinem Artikel „Blogs – und was man daraus lernen kann“ (Stud.JUR 2/2011) über unser Blog schreibt:

Im Ton deutlich rauer, aber mit viel (schwarzem) Humor und Kreuzberger-Lokalkolorit versehen, geht es im Blog des Berliner Strafverteidigers Carsten R. Hoenig (http://www.kanzlei-hoenig.info) zu. „Verteidigung ist Kampf. Kampf um die Rechte des Beschuldigten im Widerstreit mit den Organen des Staates, die dem Auftrag zur Verfolgung von Straftaten zu genügen haben. Im Strafverfahren bringt der Staat gegen persönliche Freiheit und Vermögen des Einzelnen seine Machtmittel mit einer Wucht zum Einsatz wie in keinem anderen Bereich des gesellschaftlichen Lebens.“ Unter dieses Motto, das aus dem berühmten, von Hans Dahs verfassten Handbuch des Strafverteidigers stammt, hat Hoenig sein Blog gestellt. Und das merkt man. Wer aus dem Studium und dem Referendariat nun die richterliche Denkweise kennt, lernt hier die ganz und gar andere Sichtweise eines Strafverteidigers kennen.

Dann bedanke ich mich mal ganz artig. Ein bisschen stolz macht mich der Beitrag aus jener Ecke aber schon. :-) Zumal Herr Burschel ja ebenfalls erkennbar großen  Spaß am Bloggen hat, auch wenn er sich innerhalb des ihm gesteckten Rahmens deutlich seriöser darstellt.

 

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Die Wanne in der LTO

Die Kanzlei-Wanne in Kreuzberg

Die Legal Tribune Online berichtet über unsere Kanzlei Wanne und die Fahrzeuge anderer Kollegen. Constantin Baron van Lijnden schreibt:

Wenn Strafverteidiger Carsten Hoenig durch die Straßen Berlins fährt, dann ordnet sich der Verkehr rings um ihn: Niemand überschreitet mehr das Tempolimit, bei Gelb wird brav gebremst, ja, andere Autofahrer lassen ihm sogar freiwillig die Vorfahrt.

Insbesondere die  in die Wanne eingebaute Vorfahrt macht große Freude. ;-) Und die Musik, zu der die Wanne Reiner von Vielen inspiriert hat:

 

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Realitätsverlust

Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen „Unbekannt“ eingeleitet. Mit dem Lieferwagen unseres Mandanten soll ein Unfall verursacht worden sein. Der Fahrer soll sich unerlaubt vom Unfallort entfernt haben. Das sagte jedenfalls der Polizeibeamte, der bei unserem Mandanten zuhause vorstellig wurde.

Der Mandant hat richtig reagiert: Er hat sich gegenüber dem Polizeibeamten nicht geäußert und das polizeiliche Aktenzeichen notiert. Damit konnten wir uns dann bei der Polizei als Vertreter des Mandanten  melden und routinemäßig die Akteneinsicht beantragen.

Ich habe bewußt nicht die Verteidigung des Mandanten angezeigt, weil das Ermittlungsverfahren sich ja (noch!) nicht gegen ihn richtete, sondern gegen den unbekannten Fahrer. Die Standard-Verteidigungsanzeige, die ich in Ermittlungsverfahren an die Behörde schicke, wäre hier bereits eine Information zuviel, die von böswilligen peniblen Ermittlern zu Lasten des Mandanten gewertet werden könnte.

Ein „Vertreter“ ist nämlich noch kein „Strafverteidiger“, sondern könnte auch die zivilrechtlichen Interessen vertreten oder als Zeugenbeistand auftreten. Vorsicht ist auch bei der Strafverteidigung die Mutter aller Porzellanläden.

Über das Akteneinsichtsgesuch entscheidet nicht die Polizei, sondern die Staatsanwaltschaft. Dort arbeitet eine penible (siehe oben) Staatsanwältin, die mir folgenden Text übermittelt:

Ich weiß, daß diese Staatsanwältin nicht erst seit gestern ihren Job macht. Sie wird als alte Häsin wissen, daß Rechtsanwälte keine Verräter sind, egal, ob sie nun zivilrechtliche Bevollmächtigte, Zeugenbeistand oder Strafverteidiger sind. Die – über die Bande an den Mandanten gerichtete – Androhung des empfindlichen Übels „Fahrtenbuchauflage“ für den Fall der Verrats-Verweigerung ist bereits aus dieser Perspektive entbehrlich. Sie verursacht allein weiteren Beratungsbefarf beim Mandanten, mehr aber auch nicht.

Denn wenn der Mandant ein flüchtiger Fahrer gewesen sein sollte: Welches ist wohl das geringere Übel – die Fahrtbuchauflage oder eine Geldstrafe mit Entziehung der Fahrerlaubnis? Aber vielleicht hat die Ermittlerin auch nur geträumt. Die Akte jedenfalls haben wir mit Dank und ohne weiteren Kommentar zurückgesandt.

 

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Die RAK verklagt die HUK

Die HUK-Coburg-Rechtsschutzversicherung stellt ihren Kunden Vergünstigungen in Aussicht, wenn sie im Streitfall einen von der Gesellschaft empfohlenen Anwalt wählen. Die Münchner Anwaltskammer sieht dadurch die freie Anwaltswahl beschnitten.

… und hat Klage gegen den Versicherer erhoben, berichtet Friederike Krieger in der Financial Times Deutschland.

Das Gewinnstreben dieses Versicherers – und einiger anderer auch – gefährdet nicht nur das Institut der freien Anwaltswahl, sondern macht meiner Ansicht nach die Kooperations-Anwälte der Versicherer zu Verrätern.

Die Rechtsanwaltskammer München formuliert den Verstoß gegen das Doppelvertretungsverbot etwas höflicher, im Kern ist es aber genau das. Noch einmal wird die bayerische Justiz- und Verbraucherministerin Beate Merk zitiert:

[Sie] sieht das Gebaren der Rechtsschutzversicherer kritisch. „Sobald zwischen dem Rechtsanwalt und der Rechtsschutzversicherung eine Geschäftsbeziehung besteht, wächst die Gefahr einer Interessenkollision zulasten des Versicherten“, sagt sie. „Denn die Versicherung mindert ihr Kostenrisiko, wenn der Rechtsanwalt dem Versicherten vom Rechtsstreit abrät und es nicht zum Prozess kommt.“

Für Verbraucher gilt daher: Hände weg von Versicherern, die ihre (leib-)eigenen Anwälte durchsetzen wollen.
Und für Anwälte gilt: Hände weg von Versicherern, die Euch gegen meist leere Versprechungen die Unabhängigkeit abkaufen wollen.

Danke an Rechtsanwalt Kai Breuning für den Hinweis auf den FTD-Artikel.

 

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Geschäftstüchtiger Hartzie

Dem Mandanten wurde vorgeworfen, einen schweren Fall des Betrugs begangen zu haben. Nach zähen Verhandlungen in sechs Terminen vor dem Landgericht waren die Staatsanwaltschaft und das Gericht mit einer Einstellung nach § 153a StPO unter der Bedingung einverstanden, daß der Mandant bereit ist, eine Auflagenzahlung an eine gemeinnützige Organisation zu leisten.

Ich habe dem Mandanten aus verschiedenen schlagkräftigen Gründen gaaaanz dringend dazu geraten, dieses Angebot sofort anzunehmen. Zumal die Höhe der Zahlung seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht besser hätte angepaßt werden können. Und dann wurde ihm auch noch nachgelassen, die Auflage in 6 monatlichen Teilzahlungen zu erfüllen.

Der Mandant zögerte. Und diskutierte ausführlich mit mir. Schließlich stellte er mir die Frage, ob er die Auflagenzahlung wenigstens „von der Steuer absetzen“ könne.

Der Mandant bezieht Sozialleistungen, Hartz-IV, also ALG-II.

Meine Eltern haben mich zu gut erzogen, als daß ich das hier kommentieren dürfte.

 

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