Monatsarchive: Oktober 2011

Gespenstische Reporter

Am Sonntag fanden am Schönefelder Kreuz Fahrversuche statt, die Aufschluß über die Ursachen für das Busunglück vom 26. September 2010 geben sollten. Dazu wurde ein Teil des Autobahnkreuzes für den öffentlichen Verkehr gesperrt.

Gegen Ende der Versuchsreihe tauchten dann aus dem Dickicht der Straßenrandbepflanzung zwei jungen Männer vom Typ „Ich-bin-Reporter-ich-bin-wichtig“ auf. Weder gehörten sie zum Team der Sachverständigen, noch zu den zahlreichen Mitarbeitern von Polizei und Feuerwehr, die die Versuche tatkräftig unterstützten. Es war so genannte „Reporter“ von der Bildzeitung, wie mir einer der Sachverständigen auf meine Frage mitteilte.

Ohne sich bei den Beteiligten in einer Form mal bemerkbar zu machen, die unter zivilisierten Menschen üblich ist, stacksten die beiden Sonnyboys über das Versuchsgelände. Der eine mit der Ausrüstung eines durchschnittlichen Paparazzo, der andere mit seiner guten Frisur.

Herausgekommen ist das hier:

Die Fotos sind halbwegs authentisch, aber das ist auch so ziemlich das einzige, was paßt. Der Inhalt dieses Berichts dieser Geschichte entspricht dem Niveau der Recherche auf dem Randstreifen der Autobahn.

Gespenstisch war nichts an der Versuchsanordnung an dem sonnigen Vormittag. Es standen auch keine Meßgeräte herum, das waren Fotoapparate. Das Bild mit dem querstehenden Mercedes gibt das Ende einer Vollbremsung wieder, mit der die Griffigkeit des Straßenbelags aufgezeichnet wurde. Um die wirklich interessanten und für das Verfahren wichtigen Vorgänge verfolgen zu können (auch intellektuell), hätten sich die beiden Jungs ein wenig vorbereiten müssen.

„Auftraggeber“ für das Gutachten war im übrigen auch nicht die Staatsanwaltschaft, die ohnehin nicht vor Ort war. Es war das Landgericht, das – nach Rücksprache mit der Verteidigung – die Nachermittlungen zu einer konkreten Frage per Beweisbeschluß veranlaßt und die Sachverständigen mit der Untersuchung beauftragt hatte. Es ist auch nicht die Staatsanwaltschaft, die hier irgendwas prüfen muß. Und rekonstruiert wurde weder „der Unfall“, noch wurde er von der Polizei nachgestellt.

All das ist dummes Zeug sind Unrichtigkeiten, die einem ausgebildeten Journalisten sicher nicht untergekommen wären. Es reicht eben nicht aus, mal eben Sonntagmorgen nach einem Prosecco einen schicken Pullover überzuwerfen und zu schauen, über was man denn ein paar Zeilen schreiben könnte. Saubere Arbeit geht anders.

Aber diesen Qualitätsjournalismus hatte ich bereits nach Schluß des Ortstermins genau so erwartet.

 

4 Kommentare

Richterliche Erinnerung an die Akteneinsicht

Auch unter den Hobby-Strafverteidigern („das bisschen Strafrecht machen wir doch mit links„) hat sich herumgesprochen, daß eine sachgerechte Strafverteidung nur nach Akteneinsicht möglich ist. Die eiserne Regel – erst Akteneinsicht, dann (vielleicht) eine Stellungnahme – ist eigentlich gut bekannt. Und wird meistens auch befolgt.

In der Übung für Fortgeschrittene lernt man dann, daß es nicht bei einer Akteneinsicht bleiben darf, insbesondere wenn sich das Verfahren ein wenig in die Länge zieht. Zumindest nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens und Erhebung der Anklage sollte der Verteidiger beim Gericht erneut um Akteneinsicht nachsuchen. Die Abschlußvermerke der Staatsanwaltschaft sind für die weitere Verteidigung – nun vor Gericht – nicht selten äußerst informativ.

Für Premiumverteidiger gilt dann noch die Regel, unmittelbar vor dem erstem Hauptverhandlungstermin die Gerichtsakte anzufordern. Standard ist dann zumindest der Blick in die Ladungsliste und in die eventuellen Vermerke des Richters zur Vorbereitung der Beweisaufnahme. Wenn sich dann in der Akte auch noch die Ergebnisse von Nachermittlungen der Staatsanwaltschaft befinden, ist der engagierte Anwalt bestens auf die Verteidigung  vorbereitet.

Diese Form der Informationsbeschaffung wird aber von einigen, auch  routinierten Verteidigern schon ‚mal vergessen.

Davon ging wohl auch die Strafkammer aus, bei der Anfang kommenden Monats das Verfahren beginnt. Fair, wie manche Richter nun mal sind, schreibt mir einer der beisitzenden Richter – der Berichterstatter – eine freundliche Erinnerung:

Das Schreiben hatte sich allerdings mit meinem Akteneinsichtsgesuch einen Tag zuvor knapp überschnitten. Gleichwohl ist diese mit der Zusammenfassung bestückte Erinnerung sehr hilfreich, zumal sie aller Voraussicht nach auch an die Mitverteidiger gegangen sein dürfte. Deswegen: Besten Dank von hier aus an’s (wohl mitlesende) Gericht!

 

9 Kommentare

Der Strafverteidiger empfiehlt – 17

Heute:

Finanzgericht: Die persönliche Arbeitsleistung des Kläger  war beim Inkasso ohne nennenswerte Bedeutung.

Chaotische Anklage gegen Hells Angels

Abzockender Telekommunikationsdienstleister

Rambos in Polizeiuniform

Belohnte Erpresserin

 

1 Kommentar

Highway To Hell

Seit seiner letzten Verhaftung sitzt er auf der Lebensälterenstation der JVA Detmold. Eine Sonderabteilung für Leben, das im Gefängnis alt wurde und noch älter wird.

Markus Mähler berichtet in der taz über einen alten Bankräuber, der sich davor fürchtet, nur noch mit den Füßen nach vorn aus dem Knast zu kommen:

Wer nicht mehr vom Klo hoch kommt, es nicht mehr allein aus dem Bett schafft, wer durch Krebs, Diabetes oder Alzheimer verfällt, für den gibt es keinen Kochkurs oder Tischkicker mehr auf der Lebensälterenstation, der sortiert keine Schrauben, der baut keine Laternen, auf den wartet nur noch Hövelhof. Eine abgeschlossene Pflegestation, ein vergittertes Altersheim. Die Endstation.

Große Hoffnung hat der Strafgefangene allerdings nicht.

 

6 Kommentare

… und wie sieht es in Wien aus?

Die Österreicher hatten es schon immer drauf:

Iiijoa. Mir ham halt olle Herrn im Olter von 93 Joahr vorläufig festnehme loassen.

1.367 Zahnlücken. Immer wieder eine helle Freude.

 

Kommentare deaktiviert für … und wie sieht es in Wien aus?

… und plötzlich geht es ganz f-f-flott

Vielfach wird behauptet, eine Dienstaufsichtbeschwerde gegen Mitarbeiter der Verwaltung seien mit drei „F“ behaftet: Formlos – Fristlos – Fruchtlos. Dem möchte ich entgegen treten, jedenfalls was das dritte „F“ angeht.

Ich hatte die Festsetzung der Verteidiger-Vergütung beantragt. Monatelang passierte nicht. Gar nichts. Trotz höflicher Erinnerung, höflicher Mahnung, Aufforderung.

Erst die Dienstaufsichtbeschwerde zum Präsidenten des Gerichts brachte wieder richtig Schwung in die Sache:

Ein paar Tage später hatte ich den begehrten Beschluß, wenig weitere Tage war der Zahlungseingang zu verzeichnen.

Formlos, fristlos und dann aber flott. ;-)

 

3 Kommentare

Keine Sicherungsverwahrung für Bankräuber

Die wiederholte Bedrohung von Bankangestellten und Bankkunden mit einer Spielzeugpistole zum Zwecke der Erpressung von Bargeldbeträgen, stets unmaskiert und ohne über die Drohung hinausgehende aggressive Tendenzen bei Vermeidung körperliche Konfrontationen, stellt keine konkrete Gefahr einer Verletzung der Rechtsgüter Leib, Leben oder sexuelle Selbstbestimmung dar, sondern sind lediglich Gefahren für Vermögen oder Eigentum, die für die Anordnung einer Sicherungsverwahrung ebenso wenig ausreichen wie bloße Beeinträchtigungen der psychischen Befindlichkeit oder der Freiheit der Willensbetätigung.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Oktober 2011 – 2 StR 305/11, siehe auch Mitteilung der Pressestelle Nr. 166/2011 vom 20.10.2011

 

Kommentare deaktiviert für Keine Sicherungsverwahrung für Bankräuber

Vorbereitung eines Plädoyers

Der Anklagevorwurf stützt sich im Wesentlichen auf die Aussage eines einzigen Zeugen. Der Zeuge war zur Vorfallszeit 16 Jahre alt. Die Verhandlung gegen den Angeklagten fand drei Jahre später statt. Der Zeuge ist dann also 19 Jahre alt.

Sind also tatsächlich nur drei Jahre zwischen dem Vorfall und der Gerichtsverhandlung vergangen? Oder doch ein paar Jährchen mehr?

Jeder Ältere kennt das Phänomen, daß mit zunehmendem Alter die Zeit schneller vergeht. Im Alter von 17 Jahren wartet man ewig bis zu Volljährigkeit. Das eine Jahr bis zur Erteilung der Fahrerlaubnis zieht sich wie Gummi. Andererseits dauert die Zeit zwischen dem 64. Lebensjahr und der Pensionierung mit 65 gefühlte zwei Wochen. Um diese Erfahrung einmal griffig darstellen zu können, ist die folgende Berechnung hilfreich.

Der Zeuge ist in den drei Jahren um 18,75, also rund 19 %, bzw. für die Nichtmathematiker: um 20 % älter geworden. Der Richter, der die Sache verhandelt, steht kurz vor seiner Pensionierung, gehen wir – höflicherweise – mal von einem Alter von 60 Jahren aus. Dann ist der Richter in den drei Jahren seit seinem 57. Geburtstag um 5,26, also runde 5 % gealtert.

Daraus läßt sich nun der Schluß ziehen, daß der 16-jährige Bengel fast viermal schneller alt geworden ist als der Richter. Dies voraus geschickt sind – aus Sicht des Zeugen – seit dem Vorfall auf dem Bahnhofsvorplatz nachts um 23 Uhr nicht drei Jahre vergangen, sondern – ganz grob gerechnet – derer 12!

Wenn man nun noch berücksichtigt, daß der Zeuge zur Vorfallszeit mit reichlich Bier befüllt war, stellt sich die Frage, ob sich ein besoffener Heranwachsener nach 12 Jahren noch richtig daran erinnert, von wem er eins auf die Omme bekommen hat.

Im Zweifel wohl kaum … 8-)

 

16 Kommentare

Trojanische Stute

Markus Felber, ein stets fröhlicher Journalist aus der Oase, genauer: „ein Herold und Watchdog am höchsten Gericht der Schweiz„, berichtet in seinem Blog „Kalenderblätter“ über das Verhalten der schweizerischen Bundesanwaltschaft:

Im Umgang mit der Presse setzt die Bundesanwaltschaft ohnehin auf ein trojanisches Pferd aus Fleisch und Blut. In Person einer Mitarbeiterin, die sich bei wichtigen Prozessen auf der Pressebank diskret unter die Journaille mischt und auf den Notebook-Bildschirmen die Entstehung der noch nicht erschienenen Berichterstattung mitverfolgt.

Ein Kommentator korrigierte Herrn Felber, was das Pferd angeht. Ein weibliches Pferd ist eben in der Regel eine Stute. 8-) Das würde ich mich nicht trauen, eine deutsche Staatsanwältin als Stute zu bezeichnen. Vor allem nicht dann, wenn ich nicht weiß, wie das Brauereipferd sie aussieht.

 

2 Kommentare

Das fängt ja gut an

Der erste Hauptverhandlungstermin nach dem Urlaub. Es geht um § 265a StGB, Schwarzfahrt mit der U-Bahn. Die klassische Norm, gemacht für Menschen, die ohnehin im sozialen Abseits stehen.

Der Mandant ist chronisch krank, auch und gerade psychisch. Er erscheint nicht rechtzeitig zum Termin, läßt aber mitteilen, daß er etwa 45 Minuten später kommt. Der Grund für die Verspätung liegt in seiner multiplen Erkrankung.

Gegen den Mandanten wurde zuvor ein Strafbefehl erlassen, gegen den er sich mit meiner Hilfe mit einem Einspruch zur Wehr gesetzt hat. Für diese Art des Strafbefehls-Verfahrens hat der Gesetzgeber in § 411 Abs. 2 StPO geregelt:

Der Angeklagte kann sich in der Hauptverhandlung durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen.

Ich bin ein solcher Verteidiger, allerdings auch bewaffnet mit häßlichen Beweisanträgen. Der Richter hätte gern den Mandanten gesehen und möchte nicht ohne ihn verhandeln. Warten will er aber auch nicht. Deswegen fragt er die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, was sie denn beantragen möchte.

Wie aus der Pistole geschossen kam der Antrag der schneidigen Staatsanwältin: Erlaß eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO.

Das sind genau die Momente, in denen ich in den Tisch beißen möchte, um zu verhindern, daß mir (!) Schlimmeres passiert. Die Staatsanwaltschaft als objektive Behörde wird wissen, daß der Erlaß eines Haftbefehls in dieser Konstellation nicht vorgesehen ist. Die Staatsanwältin als (Sitzungs-)Vertreterin dieser Behörde wußte es nicht.

Der sinn-lose (sic!) Reflex dieser Strafverfolgerin zeigt einmal wieder sehr deutlich, wie in der Justiz gearbeitet wird. Und welche Einstellung manche Staatsanwälte zu ihren Mitmenschen haben, die in ihrem Leben nicht auf Rosen gebettet sind. Im besten Falle war es nur Inkompetenz oder schlicht eine Gedankenlosigkeit der Frau Staatsanwältin.

Ich freue mich auf meinen nächsten Urlaub …

 

15 Kommentare