Monatsarchive: Dezember 2011

Gefährlicher Mandant

Strafverteidigung ist eine gefahrgeneigte Tätigkeit, bei der durchaus mal etwas aus dem Ruder laufen kann.

Weil eine Rechtsanwältin angeblich die für die Abschiebung bestimmten 1.000 Euro ihres Mandanten als Honorar verrechnete, terrorisierte sie ein Häftling ein Jahr lang verbal und schriftlich mit den widerwärtigsten Anwürfen und mit Todesdrohungen. Der aus Serbien gebürtige Bauarbeiter gab sich geständig. Während er ’nur noch hier raus will‘, wünscht die Nebenklage seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

Über einen Prozeß gegen den ehemaligen Mandanten einer Strafverteidigerin berichtet Barbara Keller auf Berlin Kriminell. Wenn’s um’s Geld geht, hört die Mandantschaft bekanntlich auf.

Die mir gut bekannte und sehr erfahrene Kollegin hat nicht leichtfertig und vorschnell mit einer Strafanzeige reagiert. Wie andere professionelle Verteidiger auch hat sie ein sehr dickes Fell, was „Gespräche“ mit Mandanten angeht. Dieser Kandidat hier allerdings scheint auch diese Grenze locker überschritten zu haben. Die Drohung mit einer Enthauptung schlägt man sich nicht so einfach wieder aus dem Kopf.

Das Problem mit der Sicherungsverwahrung, deren Verhängung das Gericht prüft, dürfte für den verhinderten Henker nun zu einem einschneidenden Erlebnis werden.

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Das untere Ende der justiziellen Intelligenz

Die Strafjuristen werden ja bekanntermaßen am unteren Ende der justiziellen Intelligenz angesiedelt.

Dieser Satz stammt von einem Insider, von Herrn Staatsanwalt Jörn Patzak aus Trier, seines Zeichens kompetenter Gegner der Verteidigung, wenn es um Betäubungsmitteldelikte geht.

Das Zitat ist schon etwas betagt, es fiel mir jedoch bei der Lektüre der Zeit, Ausgabe Schweiz, wieder ein. Der Schweizer Bundesanwalt Erwin Beyeler geht ist den Ruhestand und gibt dort das letzte Interview seiner Amtszeit.

Herr Beyeler versäumt es nicht in seinem Resumee, Verteidiger-Verhalten zu kritisieren:

Das stimmt nicht. Das ist falsch. So etwas ist sehr gezieltes Anwaltsgeschwätz.

und

Aber die Anwälte nutzen so etwas aus …

Diese Art der Kritik ist bekannt. Engagierte Strafverteidiger sind bei einer bestimmten Sorte von Staatsanwälten weder hier noch in der Oase beliebt. Anwaltsschelte aus dieser Ecke ehrt eher, als daß sie kränkt.

Am Ende des Interviews wird der künftige Pensionär nach seinen Zukunftsplänen gefragt:

Ich habe im Sinn, mich – nach einer Pause – als Anwalt formell zu konstituieren und eintragen zu lassen in Schaffhausen. Dann möchte ich gern beratend tätig sein für Behörden, auch Projekte begleiten. Vielleicht mal als außerordentlicher Staatsanwalt. Oder als Strafverteidiger, wenn ein ganz interessanter Fall kommt.

Der Kollege Konrad Jeker aus Solothurn, bei dem ich den Hinweis auf das Interview gefunden habe, begrüßt den künftigen Kollegen Beyerele freundlich, wenn auch mit einem gewissen Unterton.

Die Schweizer sind eben ein höfliches Volk. Ich hingegen überlege, ob es unterhalb des unteren Endes der Intelligenz noch ein weiteres Ende gibt.

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Kollegen oder was?!

Der Anwalt schreibt einen Blogbeitrag. Ein Besucher des Weblogs schreibt dazu einen Kommentar. Soweit, so gut.

Aber der Kommentator macht einen entscheidenden Fehler: Er redet den Anwalt zwar höflich an, versteigt sich dann aber zu einem „Herr Kollege“. Das geht ja nun gaa nich! … wenn man noch Referendar ist.

Kleine, unbedeutende Referendare sind im Verhältnis zu einem ausgewachsenen [tm] Rechtsanwalt keine Kollegen! Wo kämen wir denn da hin?! Wenn das jeder Referendar mit einem Anwalt machen würde?!

Man kann doch nicht einfach davon ausgehen, daß jeder Anwalt über Selbstbewußtsein verfügt? ODER?! Also, sowas!

 

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 22

Heute:

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Humor bei der Vollstreckungsstelle

Es war eine kleine Sache, eine Prügelei im besoffenen Kopf. Mußte alles nicht sein, erst Recht nicht der Ruf nach der Polizei. Das hätte man alles „unter sich“ klären können.

Die Polizisten machten ihren Job und notierten die Personalien, die dann auf einigen Umwegen den Strafrichter erreichten.

Der Richter wollte den Körperverletzer gar nicht erst sehen und unterschrieb daher einen Strafbefehl, der dann auch rechtskräftig wurde.

Dem derart Verurteilten war’s Recht, nur die Geldstrafe konnte er nicht stemmen. Jedenfalls nicht auf einen Hub. Deswegen beantragte er bei der

die Geldstrafe in Raten zahlen zu dürfen, weil er derzeit nicht liquide sei. Die Vollstrecker meldeten sich auch umgehend:

Das ist doch echt nett:

Verurteilter:
Ich kann nicht alles auf einmal zahlen, weil ich kein Geld habe.

Staatsanwaltschaft:
Weil Du kein Geld hast, mußt Du alles auf einmal zahlen.

Das war nun etwas, das der Verurteilte nun überhaupt nicht verstand. (Ich versteh’s auch nicht.) Deswegen kam er zu uns und bat um anwaltlichen Rat und Beistand.

Es gibt für den Mandanten nun grob gesagt drei Möglichkeiten.

  1. Er zahlt, obwohl er kein Geld hat. Dann wäre die Sache erledigt.
  2. Er zahlt nicht, weil er kein Geld hat und sitzt eine Ersatz-Freiheitsstrafe in der JVA Charlottenburg ab.
  3. Er beantragt, die Geldstrafe in freier Arbeit zu tilgen.

Ich habe ihm zu Variante 3 geraten und ihn zur

geschickt.

Mir scheint, bei der Vollstreckungsstelle der Staatsanwaltschaft sitzen Menschen, die Humor haben. Nur kann über diesen Humor kein anderer Mensch lachen.

 

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 21

Heute:

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Erpressung per DDoS-Attacke

Der Online-Shop des Elekronik-Fachmarkts Conrad meldete am 21.12.2011 – also mitten im Weihnachtskonsumterrorgeschäft – Land unter. Gegen das Unternehmen wurde eine DDoS-Attacke gefahren und damit der Shop-Server in die Knie gezwungen.

Dahinter steckt eine neue Geschäftsidee. Nicht die von Conrad, sondern von Leuten aus der Cybercrime-Szene.

Das beginnt zunächst damit, daß die Website des Anbieters für eine kurze Zeit lahmgelegt wird. Danach meldet sich ein freundlicher Mensch und „bittet“ um einen Geldbetrag, zahlbar sofort und per Western Union oder Ukash. Zahlt der Website-Betreiber den erbetenen Betrag, ist die Sache meist erledigt; zahlt er nicht, setzt eine DDoS-Attacke ein, die mehrere Stunden bis Tage dauern kann. In dieser Zeit geht auf der Website gar nichts mehr.

So eine DDoS-Attacke funktioniert recht bequem über ein Bot-Netz. Man mietet sich die erforderlichen Serverkapazitäten (Attacker/Handler) – allerdings eher nicht in Europa. Durch einen Trojaner oder Wurm infiziert man mehrere (sehr viele) Computer (Zombies), verbindet sie mit den Servern und steuert sie von dort aus. Der Steuermann ist dann Herr über tausende Rechner, die alle gleichzeitig und massiv bei Conrad einkaufen wollen. In aller Regel führt das zum Endes des Weihnachtsmarkts.

Bereits im März hatte das Landgericht Düsseldorf (Urteil v. 22.03.2011 – Az.: 3 KLs 1/11) entschieden, daß so eine Attacke strafbar ist.

Gewerbsmäßige Erpressung (§§ 253 Abs. 1, Abs. 4 StGB) ist ein Stichwort, an dem man nicht vorbei kommt. Die DDoS-Attacke stellt nach der Entscheidung des Düsseldorfer Landgerichts eine Computersabotage im Sinne der §§ 303b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB dar. Maximal und im Paket gibt es dafür 15 Jahre Freiheitsentzug. Also eine Geschichte, die sich nur begrenzt für einen Kindergeburtstag eignen.

Siehe dazu auch: Kanzlei Dr. Bahr – LG Düsseldorf: DDoS-Angriffe sind strafbare Computersabotage

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Presseerklärung und Interviews der Verteidiger von Beate Zschäpe

Gerade an solchen Extrem-Fällen zeigt sich, von welcher Qualität der Rechtsstaat ist.

Die Ermittler stehen unter einem enormen Erfolgsdruck. Das bisherige Versagen ist offenkundig, irgendein Ergebnis muß vorgelegt werden. Daß in so einer Lage oftmals Rechte des (bzw. hier der) Beschuldigten geschliffen werden, scheinen die dafür Verantwortlichen als Kollateralschaden hinzunehmen. Dagegen wehren sich die Verteidiger der Beate Zschäpe mit einer öffentlich mitgeteilten Haftbeschwerde.

Nach den uns vorliegenden Akten besteht kein dringender Tatverdacht wegen Gründung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

ist der am heutigen Dienstag veröffentlichten Presseerklärung der Verteidiger Heer und Stahl (PDF) zu entnehmen.

Reklamiert wird unter anderem die verweigerte Einsicht in Teile der Ermittlungsakten, während der Generalbundesanwalt (GBA) und das Bundeskriminalamt (BKA) genau aus diesen Aktenteilen Informationen an die Medien – und nicht an die Beschuldigte – weiter leiten.

Ein weiterer Kritikpunkt scheinen die Haftbedingungen zu sein. Beate Zschäpe soll in einer Einzelzelle sitzen, in der Tag und Nacht das Licht brenne. Dies sind „übliche“ Vorsichtsmaßnahmen der Haftanstalt, sofern eine Suizid-Gefahr besteht. Dafür gäbe es aber keinerlei Anhaltspunkte, ist von den Verteidigern zu hören.

Ich halte es für richtig, daß die Verteidiger mit dieser Erklärung eine Gegenöffentlichkeit herzustellen versuchen. Damit auch Außenstehende, seien sie nun Fachpublikum oder juristische Laien, nachvollziehen können, wie der Staat mit Verdächtigen umgeht.

Aus der Würde des Mandanten als Prozessubjekt folgt, dass ihm alle gesetzlichen Möglichkeiten zuzugestehen sind, sich mit den ihm und seinem Verteidiger richtig erscheinenden Maßnahmen gegen die drohende strafrechtliche Sanktion zu wehren.

schreibt Rechtsanwalt Heer auf seiner Website. Dazu gehört auch die Verteidigung in der Öffentlichkeit.

Als wenig hilfreich empfinde ich allerdings den (öffentlichen) Hinweis der Verteidiger auf persönliche Charakterzüge ihrer Mandantin. Das mag aber auch damit zusammen hängen, daß ich von Vorurteilen gegen diese Nazi-Szene geprägt bin.

Update:
Hier gibt es ein lesenswertes Interview mit dem Verteidiger.

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4 Millionen neue Mandanten täglich

Das Amtsgericht Leipzig sorgt für Nachschub. Bis zu vier Millionen Menschen sollen sich strafbar gemacht haben. Täglich! Das sind 46,3 Straftäter pro Sekunde.

Der dortige Richter am Amtsgericht (RiAG) schreibt mit einer am Mittwoch, den 21.12.2011, verkündeteten Entscheidung Rechtsgeschichte. Er verurteilte einen „Film-Piraten von Kino.to“ (Berliner Kurier) zu drei Jahren und fünf Monaten Haft. Er habe „nach Überzeugung des Gerichts“ die Serverinfrastruktur im Ausland für das Portal organisiert und einen eigenen Filehoster betrieben.

Geschenkt, das war keine Aufgabe, an der ein Richter wachsen konnte; der Verurteilte hatte zuvor ein Geständnis abgelegt, der Rest steht im Gesetz, das man auch ohne Prädikats-Examen verstehen kann.

Deswegen ließ sich der RiAG bei der Urteilsverkündung etwas Spektakuläres einfallen, um dann doch noch in die Zeitung zu kommen: Die Nutzer von Kino.to, also die vier Millionen täglichen Filmegucker, sollen sich auch strafbar gemacht haben:

Mit dem Begriff „vervielfältigen“ habe der Gesetzgeber „herunterladen“ gemeint, erläuterte Richter […] der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zufolge. Dazu gehöre auch das zeitweilige Herunterladen, das beim Streaming stattfinde: Es würden Datenpakete sukzessive heruntergeladen, was eine sukzessive Vervielfältigung sei. Jeder Nutzer illegaler Streaming-Portale müsse sich bewusst sein, dass dahinter eine Vervielfältigungshandlung stehen könne.

liest man in der Süddeutschen Zeitung und so ähnlich in anderen „Blättern“. Eine höchst eigenwillige Interpretation der – außerhalb des Leipziger Gerichtssprengels – geltenden Rechtslage.

Die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit in diesem Zusammenhang könnte § 106 UrhG liefern. Darin geht es um das besagte „Vervielfältigen“ von urheberrechtlich geschützten Werken.

Wie der RiAG zu der Annahme kommt, „Vervielfältigen ist gleich Downloaden“, weiß ich nicht. Vielleicht hat er auch nur die Ansicht „Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen“ verinnerlicht. Warten wir die schriftlichen Urteilsgründe ab.

Wenn man sich den Vorgang des Streamings bei Lichte betrachtet, handelt es sich wie bei jeder Datenübertragung im Grunde um einen Kopiervorgang. Der Film wird häppchenweise im Zwischenspeicher des eigenen Rechners abgelegt. Im technischen Sinne liegt dort also für einen kurzen Moment eine Kopie herum.

Technik hat aber nur am Rande etwas mit Recht zu tun. Insbesondere das Strafrecht hat da ganz eigene Regeln. Zum Beispiel das Übermaß- und Analogieverbot. § 106 UrhG will verhindern, daß geschützte Werke dauerhaft kopiert werden. Dies läßt sich zwanglos aus § 16 Abs. 2 UrhG ableiten, der von einer “wiederholbaren Wiedergabe“ spricht.

Dieses technisch bedingte Zwischenspeichern beim Strömen dient aber eben nicht der Herstellung eines Vervielfältigungsstücks. Den vier Millionen Filmeguckern kam es nicht auf die wiederholbare Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen an. An dieser Stelle jetzt mit einer Analogie zu arbeiten und den Begriff des Vervielfältigens im Sinne des Urheberrechtes gnadenlos auszudehnen, widerspricht dem Analogieverbot; die Regeln des Strafrecht als ultima ratio sind stets restriktiv auszulegen. Auch in Leipzig.

Es gibt noch die eine oder andere Dunkelnorm, die gern an dieser Stelle mal diskutiert wird (§ 44a UrhG zum Beispiel); einschlägig sind sie jedoch alle nicht.

Der Leipziger Richter bedient sich eines Instruments, das nicht nur Strafverteidigern bekannt ist. Ein bestimmtes Verhalten ist nicht erwünscht. Also sucht man solange, bis man irgendwas gefunden hat, das so ungefähr passen könnte. Und dann beginnt das große Auslegen nach der Methode:

„… es kann doch nicht sein, daß das nicht strafbar ist. Da könnte ja jeder kommen. Wo kommen wir denn da hin?“

Ich freue mich auf die 4 Millionen neue Mandanten und die Freispruchverteidigungen.

Danke an Thomas H. für den Hinweis auf den Artikel in der SZ. crh

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Schon wieder ein Polenböller in Kreuzberg?

Diesmal war es keine Telefonzelle, sondern Mülleimer:

Unbekannte Täter haben in der vergangenen Nacht einen Mülleimer in Kreuzberg gesprengt. Ein Mitarbeiter eines Kiosks alarmierte gegen 23 Uhr 10 die Polizei in die Urbanstraße, nachdem er einen lauten Knall vernommen hatte und wenig später eine Scheibe seines Geschäftes zu Bruch ging. Ursächlich war eine circa 25 Meter entfernter Mülleimer der BSR, der mittels noch unbekanntem Sprengmittel derart beschädigt worden war, dass er sich aus der Halterung gelöst und vier Meter weiter liegengeblieben war. Aus dem Behälter hatte sich außerdem ein Metallrohr gelöst, welches in der Scheibe des Geschäftes auf der anderen Straßenseite einschlug. Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden.Die Kriminalpolizei ermittelt.

ist in einer Pressemeldung der Polizei Berlin zu lesen.

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