Abscheuliche Feuerteufel

Der Düsseldorfer Strafverteidiger Udo Vetter beschreibt in seinem law blog die – für seinen Mandanten – glückliche Fügung in einer Verkehrsstrafsache.

Der Staatsanwalt macht Urlaub, deswegen unterbleibt die Standard-Reaktion auf eine Autofahrt, die möglicherweise nach dem „Genuß alkoholischer Getränke und anderer berauschender Mittel“ stattgefunden hat. Vetters Mandant behält seinen Führerschein und seine Fahrerlaubnis, zumindest bis zum Urlaubsende des Staatsanwalts.

Stillstand der Rechtspflege, diesmal zugunsten des Beschuldigten.

Als wenig erfreulich empfinde ich allerdings die Kommentare der Leser des law blogs dazu. Offenbar trägt die permanente Medienhetze des Boulevard Früchte: Sobald das Volk meint, es gibt einen Regelverstoß, hat eine gnadenlose Reaktion zu erfolgen, beispielsweise den Entzug der Fahrerlaubnis auf Lebenszeit oder Knast. Und damit bei der Umsetzung solcher standrechtlichen Lösungen niemand stört, wird vorgeschlagen:

Ich wünsche mir ja, dass so ein zugekokster Alki mal einen Strafverteidiger erwischt und ihn volle Hacke umnietet. Nein, keinen bestimmten Strafverteidiger, wirklich nicht. Einfach irgendeinen, völlig beliebig. Die sind ja alle gleich und versuchen derartige Straftaten (!) ins Lächerliche/Harmlose zu ziehen.

Da hilft nur Auge um Auge, Zahn um Zahn.

In diesem Sinne… liebe Kokser, zielt auf Anwälte, wenn ihr wieder einmal besinnungslos auf der Straße herumheizt.

Ich nehme es den einzelnen Kommentatoren – sowohl bei Vetter als auch hier und in den anderen Strafrechtsblogs – nicht krumm, wenn solche, sagen wir mal: schlichte Lösungen gefordert werden. Das sind jedoch die notwendigen Folgen der Veröffentlichungen dieser brutalen Reporter-Chaoten in Blättern wie BZ und Express.

Kai Diekmann und seinesgleichen sind gewiss nicht Deutschlands verlogenste Dummköpfe, die sich anders als durch superlative Ramba-Zamba-Metapher nicht artikulieren könnten. Ich halte sie für geistige Brandstifter, brandgefährlich und schwerstkriminell.

Sie sorgen für eine Stimmung im Land, die nicht gut ist, gar nicht gut. Wir, die wir – anders als die erwähnten Kommentatoren – imstande sind, uns mehr als schlichte Hau-Drauf-Und-Kopf-Ab-Lösungen vorzustellen, sollten diese Entwicklung sehr, sehr aufmerksam beobachten.

Dieser Beitrag wurde unter Medien veröffentlicht.

22 Antworten auf Abscheuliche Feuerteufel

  1. 1
    Sash says:

    Danke! Ich hab mir schon so vielen Schwachsinn anhören müssen, der immer wieder darauf rauslief, einfach Rache zu üben, anstatt (vielleicht) Schuldigen ein faires rechtsstaatliches Verfahren zuzugestehen.

    Ich kann nur immer wieder feststellen, dass wir nicht nur wegen vielleicht nicht ganz in unserem Sinne liegenden Gesetzen, sondern gerade zum Verhindern von Rache und Lynchjustiz, einen Rechtsstaat – eben mit Verteidigern – brauchen.

    Traurig, dass das oftmals vergessen wird, „nur“ weil man mit dem ein oder anderen Delikt persönliche Erfahrungen gemacht hat…

  2. 2
    Jochen Hoff says:

    Tatsächlich ist es wichtig, die Leute die solche Stimmungen erzeugen um die Menschen in immer kleinere Gruppen zu spalten, beim Namen genannt werden. Allerdings ist die Nennung von Namen auch gefährlich. Diese Herrschaften reagieren fast immer mit Unterlassungserklärungen oder Beleidigungsklagen. Und wenn sie selbst nicht beleidigt sind, kommt die politische Polizei und versucht solch eine Klage zu initiieren.

    Noch gibt es ein wenig Freiraum um etwas zu unternehmen. Aber dieser Freiraum schmilzt und deshalb sind Artikel wie dieser so wichtig.

  3. 3
    Malte S. says:

    Ich kann nur zustimmen. Allerdings sind es ebenso die „Qualitätsblätter“, die eine solche Einstellung propagieren. Diese merkwürdigen Ansichten sind leider auch unter den Referendaren nicht unbedingt eine Seltenheit. Getreu dem Motto: Wen die Polizei beschuldigt, der wars auch.

    btw: Herr Vetter hat nicht mit dem StA gesprochen, sondern mit dem Kommissar. Die Sache bleibt deshalb liegen, weil der Kommissar sie nicht an die StA weiterleiten wird.

  4. 4
    dstg says:

    Was war nochmal schlimm daran, solch Wahnsinnige nicht am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen?

  5. 5
    MaxR says:

    Wäre die Justiz willens und/oder (kann und will ich als Außenstehender nicht beurteilen) in der Lage, die notwendigen Verfahren einzuleiten und angemessen rasch durchzuführen, dann wäre gar keine Zeit für die Diekmänner dieser Welt, derartige Artikel zu schreiben.

    Beispiel, am eigenen Leibe: Unfall, verursacht durch einen Betrunkenen jenseits der 1,5 Promille. Gerichtsverfahren mehr als anderthalb Jahre nach dem Unfall. Ein Unfallzeuge zwischenzeitlich unauffindbar Richtung Südamerika verzogen.

    Daß hier das Gerechtigkeitsempfinden(!) der Betroffenen massiv getroffen wird, ist sicherlich nachvollziehbar.
    Daß sowas auch in der „seriösen“ Presse aufgegriffen wird, liegt auch nahe.
    Und dann ist das Gerechtigkeitsempfinden aller Leser angegriffen. Und die Welle rollt. Und die Diekmänner beginnen auf ihr zu surfen ….

  6. 6
    Tourix says:

    Geistige Brandstifter ?
    Nein. Die Leute die sich ereifern möchten finden immer Gründe.
    Die entsprechende Medien kanalisieren das nur etwas.

  7. 7
    Todd says:

    @dstg: Menschen machen Fehler, Sie auch. Jemanden dauerhaft zu bestrafen verhindert, daß er sich ändert.

    Deswegen hatten wir in Deutschland auch mal eine begrenzte Haftzeit, selbst für Mörder. Ach nein, die haben wir ja noch, die – ggf. lebenslange – Folgehaft nennt man ja anders.

  8. 8
    Gerd says:

    Ob Sie noch genau so einen Artikel schreiben, wenn Sie am nächsten Wochenende auf Ihrem Moped von einem zugekoksten Yuppie auf die Hörner genommen werden und den Rest Ihres Lebens behindert und verkrüppelt verbringen müssten?

    Ich würde den für den Straßenverkehr ungeeigneten Menschen dann gerne verteidigen. Ist doch nicht so schlimm…

  9. 9
    Caminho says:

    Meine Erfahrung ist eher andersrum: Sobald in einem Blog eines Strafverteidigers irgendetwas über eine polizeiliche Maßnahme geschrieben wird, kommen etliche Kommentare über den Untergang des Rechtsstaats.

  10. 10
    RA JM says:

    @ Gerd:
    „… wenn Sie am nächsten Wochenende auf Ihrem Moped von einem zugekoksten Yuppie auf die Hörner genommen werden“, wenn Ihre Frau von besoffenen Nazis vergewaltigt wird, wenn ein Terrorist Ihre Bude in die Luft sprengt, wenn Ihr Sohn in der U-Bahn halbtot geschlagen wird …

    Was, bitte, soll diese Nullargumentation? Alle Straftäter ausnahmslos in den Knast, egal wie und wie lange und ob legal oder nicht ??

  11. 11
    frank says:

    Als Diskussionsgrundlage möchte ich mal folgendes behaupten:

    Insgesamt fehlt vielen Leuten, die sich immer an die Regeln halten, ein Grund für die Verhältnismäßigkeit von Strafe. Wer nicht unverhältnismäßig hart bestraft werden will, soll sich halt nicht strafber machen. Der einzige Grund für eine Abstufung ist, dass man nicht völlig ungeniert leben können soll, wenn man schon eine Straftat begangen hat, weil man ohnehin nicht noch härter bestraft werden kann (s. Life of Brian „Jehova“).

    Das scheint mir der Grund für solche Ausfälle wie regelmäßig in den Kommentaren bei Udo Vetter zu sein. Mir persönlich fällt darauf aber auch keine Erwiderung ein; wie sieht es bei den Lesern hier aus?

    Was die Medien angeht habe ich bisher noch keine „Hetze“ feststellen können. Dort wird der Sachverhalt dargestellt und mit einigen drastischen Vokabeln gespielt. Das machen aber alle Medien, nicht nur die mit den vielen Bildern, wenn es ums richtige Thema geht (s. vor allem die insofern entlarvende Sarrazin-Debatte und übrigens auch diesen Post des Herrn Hoenig).

  12. 12
    Jürgen says:

    Ich stimme Hr. Hönig und Sash zu, ergänzend noch folgendes.

    Der Artikel von Hr. Vetter zeigt, wer lesen und verstehen kann, ist klar im Vorteil. Die Einleitung und der Vollzug des Verwaltungsaktes „Entzug des Führerscheins“ scheitern nicht daran, dass der zuständige Verwaltungsbeamte keine Lust hat, sondern meist daran, dass die dafür erforderlichen Ressourcen schlicht und einfach nicht bereitgestellt werden (keine Urlaubsvertretung). Der eigentliche Skandal ist die mittlerweile in vielen verwaltungsbereichen völlig unzureichende Personalausstattung (gerne ummäntelt mit dem Schlagwort Entbürokratisierung).

    Die, ich nenne sie einfach mal „Kopf ab-Kommentatoren“ können a.m.S. weder richtig lesen noch das geschriebene verstehen, sonst müssten sie ja einsehen, dass ihre Kommentare an dieser Stelle nicht so richtig passen.

    MfG
    Jürgen

  13. 13
    Hardy says:

    @Sash:

    „[….]anstatt (vielleicht) Schuldigen ein faires rechtsstaatliches Verfahren zuzugestehen.“

    Wenn ein Halbwüchsiger einem anderen solange gegen den Kopf tritt, bis der fast tot ist – aber am nächsten Tag aus der Haft entlassen wird: Wo ist denn da das „faire rechtsstaatliche Verfahren“ für das Opfer? Ihr könnt und wollt es einfach nicht begreifen. Gleiches übrigens bei Ackermann – der BGH hebt den Freispruch auf, das LG Düsseldorf stellt wieder ein: kein öffentliches Interesse. Otto Normalbürger fasst sich an den Kopf – aber alles rechtsstaatlich ganz sauber, gell. Und irgendwann knallts, weil die Leute die Nase voll haben von Hamburger Richtern, von der Abmahnindustrie und davon, dass man inzwischen erst nach einem Jahrzehnt Recht bekommt – vorm EUGh. Anstatt also die zunehmende Ruppigkeit im Papierwald zu beklagen, sollte man sich selbst auf seinen Teil der Rechtspflege besinnen. Hilft oft mehr als palavern.

  14. 14
    Hardy says:

    Und nochwas zum konkreten Fall bei U. Vetter:

    „[….] aber von dem güldenen Getränk und dem weißen Pulver [….]dröhnte ihm noch am nächsten Tag der Kopf.“

    und weiter:

    „Mein Mandant hat doch Familie…“

    Darüber sollte man mal ganz, ganz lange nachdenken. Diese „Argumentation“ hätte ich ihm auf jeden Fall um die Ohren gehauen.

  15. 15
    Thomas Steiner says:

    lol….. “ Liebe Landfriedensbrecher “

    eine feine verniedlichung der anarchie. gut gemacht, wie selbstentlatvend…^^

    peinlich. und am besten ist die übersicht der posts. erst kommt der geistige brandstifter von der bild daher und dann der eigene.

    fremdschämen.

  16. 16
    tapir says:

    Bin weder für Lynchjustiz noch für Abschaffung rechtsstaatlicher Verfahren. Der lawblog Eintrag entbehrt allerdings jeglichem Fingerspitzengefühl für Moral und Anstand, was vielen Lesern nicht gefallen haben dürfte. Verniedlichungen wie „nicht ganz korrekt verhalten“ bzw. von einem „Ausrutscher“ zu sprechen scheinen deplatziert, wenn man sich vor Augen führt, welcher Gefahren für unbeteiligte Dritte bestehen, wenn Kraftfahrzeugführer unter Drogen- und Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilnehmen, z.B.:
    http://www.abendblatt.de/hamburg/polizeimeldungen/article1815285/Horror-Unfall-Guenter-Amendt-und-Dietmar-Mues-tot.html
    Gottseidank ist es im Vetter-Fall nicht zu einem Unfall gekommen! Nicht nur Täter haben Familie bzw. sind berufstätig und Amazon-Gutscheine machen Tote nicht lebendig …
    Der Skandal liegt neben den unglücklichen Formulierungen des Herrn Vetter m.E. darin, dass die Beamten, welche die Verkehrskontrolle durchführten, den Führerschein nicht einbehalten konnten, weil sich dieser beim Täter zuhause befand (?) und der zuständige Kommissar keine Urlaubsvertretung hat.

  17. 17
    NR says:

    @Caminho

    Es gibt eine allgemeine Ereiferungskultur:

    Bild und BZ: Wieso ist die Justiz IMMER und total EINDEUTIG so lasch?

    lawblog.de-Leser: Wieso überschreitet die Polizei/ die Justiz/ die Regierung IMMER und EINDEUTIG ihre Grenzen.

    Ausnahmsweise ereifern sich die Bild-Leser heute mal im lawblog…

  18. 18
    Caminho says:

    @ NR:
    Das sehe ich genauso. Ganz allgemein finde ich den Ton in den Kommentaren im Internet recht häufig zu extrem. Neben der Ereiferungskultur liegt dies sicherlich auch an der Anonymität der Kommentartoren.

  19. 19
    RA JM says:

    @ NR:

    Ausnahmsweise ???

  20. 20
    thomas says:

    @NR Bild Leser im Lawblog???? Das gibts???

  21. 21
    Georg says:

    Strafverteidiger scheint ein Job für gespaltene Naturen zu sein. Klar muss er versuchen, seinen Mandaten dsa raushauen, das gehört zum Rechtsstaat. Aber auf der anderen Seite die Befürchtung zu haben, dass sein Mandant die gewonnene Zeit mit Führerschein nutzt, um wieder eine Nase zuviel zu nehmen und dann möglicherweise einen folgenreichen Unfall zu verursachen, benötigtschon ein gehöriges Maß Verdrängung oder Ignoranz.

  22. 22
    SvenK says:

    Ich kann nicht zustimmen. Es geht hier nicht darum, dass das rechtsstaatlich einwandfreie Verfahren zu Ergebnissen führt, die dem „Pöbel“ unlieb sind, sondern schlicht darum, dass es nicht unverzüglich durchgeführt wird.

    Das mag dem Verteidiger im konkreten Fall behagen, als Juristen sollte uns das Sorgen machen. Es besteht ein starkes öffentliches Interesse daran, die Entziehung der FE sofort zu vollziehen und die Tauglichkeit des Mannes zur Führung eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu überprüfen. Das hat nichts mit Stammtischen und Lynchjustiz zu tun, das hat nicht mal etwas mit Strafrecht zu tun, das ist Gefahrenabwehr.

    Dass einige sofort nach unverhältnismäßigen Strafen rufen ist nichts neues, das uns gesteigert sorgen sollte. Das war schon immer so.