Es geht um eine kleine Strafsache, der Angeklagte ist psychisch krank. Beim ersten Termin ist er nicht erschienen, obwohl:
Die ordnungsgemäße Ladung wird festgestellt.
war im Sitzungsprotokoll zu lesen. Es mußte also ein weiterer Termin anberaumt werden.
Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft legte erwartungsgemäß einen Schalter um und beantragte den Erlaß eines Haftbefehls nach § 230 II StPO. Der Hinweis des Verteidigers und des Betreuers des Angeklagten, daß dieser krankheitsbedingt Probleme hätte, sich Termine zu merken, stieß beim Staatsanwalt auf Durchzug zwischen den Ohren.
Die Richterin behielt allerdings ihr Augenmaß und erließ später einen Vorführungsbeschluß, also im Verhältnis zum Haftbefehl die weitaus mildere und gleichermaßen wirksame Maßnahme in diesem Fall. Damit aber nicht genug.
Den Beschluß übermittelte sie mit einem spannenden Anschreiben an die zuständige Polizeidienststelle, die mit der Vollstreckung beauftragt wurde:
Auf diesem Wege wurde aus der zwangsweisen Vorführung dann die höfliche Dienstleistung „Erinnerung an den bevorstehenden Hauptverhandlungstermin“.
Sowas wäre in Berlin völlig ausgeschlossen. Das geht nur auf dem Dorf.
Das ist der Grund, weshalb ich recht gerne „auf dem Dorf“ verteidige. Und da zähle ich Saarbrücken durchaus noch dazu.
Wenn man sich auch bei manchen Richtern über das konsequente Ignorieren der StPO ärgert, so kennt man sich doch und weiss, mit wem man wie umgehen kann und wem man was gleuben kann.
Respekt, Frau Richterin!
Hier herrscht zwar zwar Kleinstadtidylle und die Bürgersteige werden auch früher hochgeklappt als anderswo, aber als Dorf würde ich Strausberg dann doch nicht bezeichnen.
und wenn Angeklagte beim Besuch der (Erinnerungs-)Beamten „Einsicht“ heuchelt und dann trotzdem nicht zur Verhandlung kommt, hat sie ‚was dazugelernt …
Das wird auch in Strausberg fast nur in Jugendsachen vorkommen. Angewandter Erziehungsgedanke … .
Ja. Wenn man als Strafrichter die Zeit hat, dann auch beim nächsten Mal ohne Angeklagten zu sein, dann ist das ganz prima.
Warum weder der Verteidiger noch der Betreuer, die ja um die Probleme des Angeklagten wussten, den Angeklagten an den Termin erinnrerten, ist vielleicht noch eine andere Frage…