Das Ping-Pong-Spiel der Justiz

Es geht um Betrug. Um einen Standardfall, der unbedingt mal geklärt werden mußte. Und das auf dem Rücken der Angeklagten.

In Kurzform der Verfahrensverlauf:

    1.
    Urteil des Amtsgerichts Tiergarten: Wegen Betruges in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, Bewährung. 

    2.
    Berufung der Angeklagten. Urteil des Landgerichts Berlin: Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 EUR.

    3.
    (Strafmaß-)Revision zu Ungunsten der Angeklagten durch die Staatsanwaltschaft. Entscheidung des Kammergerichts: Aufhebung des Urteil, Zurückverweisung an das Landgericht.

    4.
    Urteil des Landgerichts: Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen, diesmal zu je 35 EUR.

    5.
    Revision der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten der Angeklagten. Urteil des Kammergerichts: Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

Ich bin mir sicher, daß dieses Spielchen, das da mit der Angeklagten getrieben wurde, durchaus den strafprozessualen Regeln entspricht. Aber ich weiß auch, daß die Geldstrafe, die die Angeklagte da zu zahlen hat, im Verhältnis zu den Nerven, die sie bei dem Ping-Pong-Spielchen, das die Staatsanwaltschaft da mit den den Gerichten gespielt hat, das weitaus geringere Übel ist.

Der Instanzenzug als Abschreckung. Das Argument:

    Wenn sie keine Berufung eingelegt hätte, wäre es gar nicht erst soweit gekommen.

bedeutet:

    Überlege es Dir gut, ob Du von dem Recht, eine Berufung einzulegen, Gebrauch machen willst!

Das Verbot der reformatio in peius? Im Strafausspruch hier beachtet. Durch das Verfahren ad absurdum geführt.

Nachlesen kann man die Entscheidung des KG, Urt. v. 7. 3. 2011 – (2) 1 Ss 423/10 (32/10) bei Herrn Detlef Burhoff, der sie allerdings aus anderen Gründen zur Lektüre empfohlen hat.

 

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Justiz, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

9 Antworten auf Das Ping-Pong-Spiel der Justiz

  1. 1
    luDa says:

    Der/die arme Angeklagte, kaum erleichtert man die Allgemeinheit mal um knappe 20.0000,00 euro, schon muss man sich einem ganz bösen, schlimmen und total menschenverachtenden Verfahren unterziehen. Bekommt zweitinstanzlich eine Strafe unterhalb des eigentlich möglichen Strafrahmens und muss dann auch noch Rechtmittel der Staatsanwaltschaft ertragen.

  2. 2
    Bürger says:

    Wie hoch war den der Betrug? Wäre ja nicht unwichtig um die Aussagen zu beurteilen ;-)

    Falls die 20.000€ stimmen sollten fänd ich eine Strafe von 5250€ auch zu wenig. Wo soll denn sonst die Abschreckung vor der Straftat sein?

  3. 3
    Jupp says:

    Könnte es möglicherweise sein, dass auch die StA Rechtsmittel hin und wieder nicht nur aus purer Schikane einlegt, sondern, weil sie das ausgeurteilte Strafmaß schlicht und einfach für zu niedrig erachtet? Zumal es in dem zu entscheidenden Fall offensichtlich um die (auch im Rahmen der auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision) (nicht erfolgte) Annahme eines besonders schweren Falles ging.

    Die Unterstellung gegenüber der StA, das Rechtsmittel nur eingelegt zu haben, weil der Angeklagte seinerseits in Berufung gegangen war, halte ich, freundlich ausgedrückt, für auf die etwas eingeschränkte Sichtweise eines Strafverteidigers zurückzuführen.

  4. 4
    Zwerg says:

    Einfach den Rechtsmittelzug abschaffen. Ein Urteil und aus die Maus, sowohl für Angeklagten als auch für StA. Erstaunlicherweise wird das von Seiten der Anwaltschaft aber nie gefordert. Seltsam …

  5. 5
    Moritz says:

    Um dann mal nett zu den Bafög-Schummlern zu sein:

    1. Nicht jeder Euro Bafög = einem Euro Schaden. Man muss regelmäßig einen Teil zurückzahlen. Natürlich nicht alles und der Zinsvorteil ist nett. Aber dennoch kein Grund für Milchmädchenrechnungen und Riesenempörung.

    2. War das ganze „früher“ mal absolut üblich. Sofern das Einkommen der Eltern niedrig genug war, hat da jeder Bafög beantragt und genommen, egal, ob Oma/Opa/Onkel/Tante etc. da mal ein Sparbuch gefüttert hat, einen Bausparvertrag abgeschlossen hat, oder ob die Vermögensverschiebung hin zu den Kindern nur der Steueroptimierung der Eltern gedient hat. Denn schließlich gibt es keinen „Familienfreibetrag“ bei Kapitalerträgen. Da man früher noch seinen Einkommenssteuersatz auf einige Kapitalerträge zahlen musste (speziell die konservativen, Bundesschatzbriefe etc.), war es quasi geboten, einige Zehntausend zu den Kindern zu schieben, wenn man nicht steuerlich der Doofe sein wollte. Dummerweise war man dann später beim Bafög der Blöde.

  6. 6
    Nicht-Bafög-Empfänger says:

    Mal wieder nur Trolle mit Rechenschwäche unterwegs?
    Die Angeklagte hat ein Vermöhen von 19K€ verschwiegen. 5 K€ ist die Freigrenze, bleiben 14K€ zu Unrecht bezogene Leistungen. Davon wir die Hälfte als Darlehen gewährt, bleiben 7K€ effektiver Schaden, den die Angeklagte aktuell auch noch abzahlt. Da noch 5K€ Strafe obendrauf ist nicht wenig, auch nach dem Ende das Refrendariats als angestellte Lehrerin.

  7. 7
    Matthias says:

    Leider fehlt die Angabe, ob die StA im jeweiligen Plädoyer vor dem Landgericht dan ausgeurteilten Tenor auch noch beantragt hatte, um dann im nachhinein Revision wegen der Strafhöhe einzulegen.

  8. 8
    luDa says:

    @Nicht-Bafög-Empfänger:

    Klären Sie uns auf: um was für Bafög handelte es sich?

  9. 9

    […] -1 Ss 423/10 .  , über das ich aus anderen Gründen berichtet hatte (vgl. hier) über “Das Ping-Pong-Spiel der Justiz” berichtet. Im KG-Urt.  ging es nur um das Hin und Her zwischen  AG, LG und KG. Da kann man beqeum […]