Datenschmuggler beim BKA

Für die Beweisaufnahme ist es wichtig zu wissen, wann der Angeklagte wo ein- und wann er wo wieder ausgereist ist. Man benötigt also die Reisedaten.

Das Problem war allerdings, daß die deutschen Ermittlungsbehörden diese Daten von den türkischen Ermittlungsbehörden bekommen wollten. Es gab also zwei souveräne Staaten, die in „strafrechtlichen Angelegenheiten“ miteinander verkehren mußten. Dieser Verkehr ist geregelt in dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG), eine hoch komplizierte Angelegenheit.

Deutsche Behörden müssen auf dem Verwaltungs- bzw. Gerichtsweg formelle Anträge stellen, die dann von besonders zugelassenen Dolmetschern in die türkische Sprache übersetzt werden müssen. Das Ganze wird dann auf einem genau festgelegten Weg in die Türkei befördert und dort dann an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Es muß geprüft werden, ob die Anträge zulässig sind, ob die Informationen vorhanden sind, die man benötigt, und ob keine türkischen Interessen der Weitergabe an die deutschen Behörden entgegen stehen.

Wer die deutschen Verwaltungswege kennt, kann sich sicher ungefähr vorstellen, wie die türkischen aussehen. Die Länge dieser beiden Wege werden aber nicht einfach addiert, sondern miteinander multipliziert.

Das führt dann dazu, daß Informationen, die auf dem Rechtshilfeweg von einem Land in das andere befördert werden sollen, in einigen Fällen entbehrlich werden, weil entweder das eine oder das andere Land in der Zwischenzeit untergegangen ist.

Aber es gibt eben auch Abkürzungen, die für eilige Fälle installiert wurden. Die Bundesbehörden stellen dafür sogenannte Verbindungsbeamte ab, der auf der anderen Seite ebensolche gegenüber stehen. Hat also die deutsche Behörde eine Frage, tritt der deutsche Verbindungsbeamte an seinen türkischen Kollegen heran, der ihm diese Frage kurzer Hand beantwortet.

In dem oben beschriebenen Fall war es ein achtseitiges Fax, das die begehrten Reisedaten enthielt. Allerdings in türkischer Sprache. Das Fax wurde dann mal eben von einem deutschen Beamten mit türkischem Migrationshintergrund übersetzt, gelocht und in die deutsche Ermittlungsakte geheftet, um fortan als Beweismittel zu dienen.

Wenn man sich dann, nach vielen Hauptverhandlungstagen irgendwann einmal das türkische Fax anschaut, findet man bei genauem Aktenstudium ganz unten, unterhalb der Unterschriften und abschließenden Stempel diesen freundlichen Hinweis:

Was soviel heißt wie etwa: Nur für den polizei-internen Dienstgebrauch.

Die Konsequenz ist recht einfach:

Bedingungen, die der ersuchte Staat an die Rechtshilfe geknüpft hat, sind zu beachten.

regelt § 72 IRG. Und damit waren die am Rechtshilfeweg vorbei geschmuggelten Reisedaten kein zulässiges Beweismittel mehr.

Es ist kein schlechter Gedanke, auch dicke Akten stets mit offenen Augen zu lesen.

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht, Verteidigung veröffentlicht.

9 Antworten auf Datenschmuggler beim BKA

  1. 1
    Dr. Pagels says:

    war „bu bilgiler sadece polisiye kullanum icindir“ auch mit übersetzt oder wie sind Sie darauf gekommen? Oder sind sie in dieser Kreuzberger Zweitsprache so firm (dazu bedarf es doch mehr Türkischkenntnisse als drei Raki und ’ne Kebabplatte zu bestellen) oder hat dies ihr türkischstämmiger Referendarius entdeckt?

    Auf jeden Fall: sehr sehr elegant, Beweisverwertungsverbot aus § 72 IRG (klar, wenn man es hier so liest, drängt es sich auf, aber erstmal hieran zu denken, nicht schlecht….).

  2. 2
    Senior says:

    translate.google.de :)

  3. 3
    Tilman says:

    Seit wann gibts in Deutschland ein Beweisverwertungsverbot ?! Bei uns wird doch fast alles verwertet, auch wenn systematisch Gesetze verletzt wurden.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BCchte_des_vergifteten_Baumes#Rechtslage_in_Deutschland

  4. 4
    klabauter says:

    Es gibt meines Wissens eine ältere BGH_Entscheidung (so 1987, betraf die Niederlande und 72 IRG gab es damals auch schon) bei der ein Verwertungsverbot bei polizeilicher Rechtshilfe aber nur dann verneint wurde, wenn der „helfende“ Staat explizit der Verwertung widersprochen und auch eine Rechtshilfe abgelehnt hat.
    Von daher wundert mich etwas, dass man auf einen wo auch immer und von wem auch immer (lt. Herrn Hoenig nach den Unterschriften…) angebrachten Vermerk ohne Weiteres ein Verwertungsverbot nach 72 IRG ableiten will.

  5. 5
    Serif says:

    Benim anüs ayn? patlama oldu?unu!

  6. 6
    MaM says:

    Herr Hoenig behauptet das jetzt erst einmal und wenn das Gericht dem nicht folgt, werden wir es nicht erfahren. So läuft Werbung.

  7. 7
    Zivilrechtler says:

    @MaM

    Werbung. Ja. Na und. Ich finde Werbung mit echtem Erkenntnisgewinn – und um solchen hat man hier öfters – sehr unterhaltsam.

  8. 8
    Dr. Pagels says:

    Lieber MaM,

    man muß Kollege Hoenig nicht stets bejubeln, gleichwohl missfällt mir der etwas abschätzige Ton. Mir gefällt auch nicht alles, was Hoenig hier bloggt, er bietet gleichwohl stets eine interessante Mischung aus fachlich interessant und kurzweilig. Wenn ein Anwalt bloggt und der Blog intensiv gelesen wird, ist es doch klar, dass Werbung für dessen Kanzlei immer ein Nebensaspekt ist. Im Strafrecht scheint Hoenig jedenfalls kein Blinder zu sein, was sich aus der Blog-Lektüre zwanglos ergibt. Wenn er die schöne Idee mit § 72 IRG hat, soll er das denn erst bloggen, wenn der Stafrichter seiner Meinung gefolgt ist?

    CP

  9. 9

    […] bekannt wurde, daß ein türkisches Fax nicht als Beweismittel genutzt werden durfte, sondern nur der polizeiinternen Neugierde dienen […]