Der Dreisprung der Oberrittmeisterin

Die Kavallerie der Justiz, heute besetzt mit Frau Oberrittmeisterin Doris Möller-Scheu, meint:

Die gut 3000 Euro Entschädigung, die das Landgericht Frankfurt dem Kindsmörder Magnus Gäfgen zugesprochen hat, bleiben nach Angaben der Staatsanwaltschaft in der Staatskasse. Der 36-Jährige habe aus dem Mordprozess noch 71.000 Euro Schulden bei der Justizkasse offen, die müssten erst beglichen werden, sagte Oberstaatsanwältin Doris Möller-Scheu.

ist in einem Artikel von bim/dpa auf SPON zu lesen.

Es ist gut zu wissen, daß Staatsanwälte mutig sind. Mutig genug, um sich an’s Kostenrecht heranzuwagen. Aber Mut ist nicht allein entscheidend. Es gehört auch Geschick dazu, wenn man es zu etwas bringen will.

Die Pfändung des Geldentschädigungsanspruchs eines Strafgefangenen wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen durch den Staat ist unzulässig.

Das hat der Bundesgerichtshof (VII ZB 17/10) gerade erst am 5. Mai 2011 beschlossen.

Für Entschädigungen, die auf einer Verletzung der Grund- und insbesondere der Menschenrechte des Betroffenen beruhen, darf der Staat diese Aufrechnung jedenfalls nicht erklären.

Dem Reitverein hätte es gut gestanden, sich bei einem Strafverteidiger zu informieren, bevor er Kurzweil in den Medien verbreitet. Der Kollege Udo Vetter hatte das Thema bereits im Juni diskutiert.

Ein schönes Beispiel für den Dreisprung, von dem sich die Staatsanwaltschaft so häufig leiten läßt:

  • Das geht doch nicht!
  • Da könnte ja jeder kommen!
  • Wo kommen wir denn da hin!

Ich denke, da wird sich jetzt jemand fürchterlich schämen.

 

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

14 Antworten auf Der Dreisprung der Oberrittmeisterin

  1. 1
    Bettina says:

    Ich dachte, das erste wäre „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Aber gut, ich kenn das auch nur aus dem Verwaltungsrecht, da mag es feine Unterschiede geben.

  2. 2

    Janz jenau! Das hat übrigens nicht nur der BGH beschlossen, das steht sogar im Gesetz: Gegen Ansprüche aus Delikt kann man nicht aufrechnen, § 393 BGB.

    Aber mit dem Zivilrecht tut sich die Kavallerie noch schwerer als mit dem Recht sowieso schon.

  3. 3

    Pfändung und Aufrechnung kommen zwar nicht in Frage. Das ist womöglich aber auch nicht beabsichtigt. Vermutlich sieht Gäfgen deshalb kein Geld, weil ein Zurückbehaltungsrecht greifen dürfte. In diesem Sinne könnte die Erklärung der Staatsanwaltschaft (die Schulden bei der Staatskasse müssten erst beglichen werden)zu verstehen sein.

  4. 4
    rajede says:

    Wo keine Pfändung, da auch kein ZBR

  5. 5

    Pfändungs- und Aufrechnungsvebot schließen ein ZRR nicht von vornherein aus. Mit dem ZBR wir ja nur eine Sicherung des Anspruchs der Staatskassse verfolgt. Der Anspruch von Gäfgen würde nicht erlöschen.
    Das BayOblG hat allerdings einmal vor 20 Jahren geurteilt, dass ZBR gegenüber einem Anspruch aus Delikt sei ausgeschlossen (analog § 393 BGB). Warten wir`s ab …

  6. 6
    asta says:

    Das mit dem ZBR ist echt gut, kann mir kaum vorstellen, dass die gute Frau so daneben haut….

  7. 7
    HD says:

    Frage ist, ob Gäfgen noch andere Gläubiger hat – die dürften auf alle Fälle berechtigt sein, den Entschädigungsanspruch zu pfänden.

  8. 8
    MrVain says:

    Ähm, hust: Ist schon noch klar, dass der Mann nachgewiesen ein Kind ermordet hat?
    Ich finde das moralisch richtig, was die Staatsanwaltschaft hier versucht.

    Bei aller Liebe zum Rechtsstaat hab ich eine Meinung zu Kindsmördern. Das dürfte ungefähr diesselbe sein, die Herr Hoenig zu Nazis hat.

  9. 9
    FMH says:

    @MrVain
    Seit wann haben denn die Gerichte das Recht moralische Entscheidungen zu treffen? Die haben sich gefälligst an das Gesetz zu halten, die Moral können, nein müssen sie den Kirchen und Ethikern überlassen.

  10. 10
    MrVain says:

    @FMH: Natürlich haben sich die Gerichte an das Recht zu halten.
    Falls sich aber hier beim Verwaltungsrecht ein Schluploch finden lässt, dem Mann die 3000 Euro wieder zu pfänden, dann habe ich da nichts dagegen. Soll er doch wieder klagen.

    Es war sicherlich rechtlich falsch, was Daschner und Co. damals gemacht haben. Moralisch finde ich das immer noch einwandfrei, obwohl ich auch gegen Folter bin.

  11. 11
    VH says:

    Irgendwie habe ich Zweifel, dass die Dame das wirklich so gesagt hat. Wenn man sich die Artikel, die mit juristischen Themen zu tun haben, so anschaut-und hier ist es eine Agenturmeldung, die einfach nur übernommen wurde-würde mich ein „Mißverständnis“ nicht wundern. Was da zum Teil an Unsinn publiziert wird ist schon peinlich.

    Ansonsten gilt etwas weit gefasst: Im Zweifel für die Angeklagte. Die OStA hat sicher nur gemeint, dass Gäfgen die 3000€ gerne-am liebsten persönlich-bei der Staatskasse abliefern würde :) Das ist schließlich nicht verboten.

  12. 12

    […] Schadenersatz für M. Gäfgen wegen der Folter, vgl. u.a. hier, hier, hier, hier, hier, hier, und hier, zum Teil […]

  13. 13
    Zivilrechtler says:

    @ HD
    Klar hat Gäfgen andere Gläubiger. Z.B. die Eltern des ermordeten Kindes, die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen ihn haben. Von dem Geld sieht er jedenfalls nichts.

  14. 14
    Ryker says:

    Warten bis ers auf ein Konto einzahlt, dann Kontopfändung!^^