Der vierte Haftgrund

Das deutsche Strafprozeß-Recht kennt drei Gründe, die – neben dem Tatverdacht – Voraussetzung für den Erlaß eines Haftbefehls sind:

Fluchtgefahr – § 112 Abs. 2 Ziffern  1, 2 StPO,
Verdunklungsgefahr – § 112 Abs. 2 Ziffern  3  StPO und
Wiederholungsgefahr – § 112a StPO.

Die Realität im deutschen Strafprozeß kennt einen weiteren Haftgrund:

Die fehlende Aussage des Beschuldigten,

vorzugsweise eine Aussage in der Form eines Geständnisses und – noch besser – in der qualifizierten Form als Verrat Aufklärungshilfe (§ 46b StGB). Böse Zungen sprechen dann auch von

Aussageerpressung.

Aber soweit soll es hier nicht gehen.

Dies voraus geschickt scheint Gulli in einem prägnanten Beispiel erörtern zu wollen, wie so etwas in der Praxis aussehen kann.

Wobei ich jetzt nicht sagen will, daß der Entlassene ein Verräter sei. Nein! Wahrscheinlicher ist wohl, daß schlicht sein Nervenkostüm der massiven Belastung durch Verhaftung, Verschubung und Inhaftierung nicht standhalten konnte. Ihm ist sicherlich kein Vorwurf zu machen.

Soweit erst einmal ein erster Hinweis; ein weiteres schönes Beispiel für die Haftpraxis in diesem unseren Lande werde ich in Kürze mal skizzieren.  Hier schonmal ein kleiner Ausblick:

 

Dieser Beitrag wurde unter Knast veröffentlicht.

12 Antworten auf Der vierte Haftgrund

  1. 1
    fe says:

    ich dachte, der vierte haftgrund sei „der muss doch von der straße“?

  2. 2
    RA Will says:

    Ja, das hatte ich auch erst letzten Freitag (obwohl ich doch eigentlich frei machen wollte).

    „Der Andere“ hat nichts eiligeres zu tun, als meinen Mandanten zu belasten. Nun gut, es hat funktioniert, er kam raus und meiner rein.

  3. 3
    portnoy says:

    nimmt man es genau, sind’s qua gesetz schon deren fünf (!):

    – flucht,
    – fluchtgefahr,
    – verdunkelungsgefahr,
    – wiederholungsgefahr und
    – tatschwere.

    wobei die letzteren beiden (insbesondere der von denn nazis eingeführte haftgrund der tatschwere) nach der bekannten entscheidung des BVerfG das hinzutreten eines der ersten drei haftgründe (mit weniger strengen voraussetzungen) verlangen.

    aber das nur am (akademischen) rande. ich hätte vor diesem hintergrund eher vom „sechsten haftgrund“ geschrieben.

      Wenn Sie diese akademische Überflüssigkeit einem Haftrichter vortragen, ordnet er auf der Stelle Ihre Unterbringung nach dem PsychKG an. Halten Sie das, was Sie da auf der Schule im beschützten Raum lernen, nicht für das, was sich in der Realität zuträgt. crh
  4. 4
    Martin says:

    Diese Klugscheißerei passt bestens zum Bild. Wie Arsch auf Eimer, wenn man so will.

  5. 5
    portnoy says:

    @Martin:
    das hat nichts mit klugscheisserei zu tun, sondern mit der frage, wieviele und welche haftgründe die §§ 112f. StPO tatsächlich enthalten und unter wann ihre voraussetzungen erfüllt sind.
    meines erachtens sind das praktisch höchst wichtige fragen, und wenn herr hoenig den haftgrund der tatschwere unterschlägt und flucht und fluchtgefahr kurzerhand miteinander verschmilzt, dann ist das eine verkürzte darstellung.

  6. 6
    W says:

    Franz, ohne dem Kollegen hinter die Stirn sehen zu können, würde ich mal versuchen, das „Verrat“ eher in die „Hilfe“ als in die „Aufklärung“ rein zu lesen. Wenn Du verstehst.

  7. 7
    Martin says:

    Herrje, mein lieber Herr portnoy, ich wollte doch nur einen Scherz auf Ihre Kosten machen. Es war nicht so böse gemeint, wie es geklungen hat, aber da es scheinbar so angekommen ist, entschuldige ich mich selbstredend dafür.

    Dennoch ist es nichtganz falsch, von drei Haftgründen zu sprechen. Nur sind diese eben Flucht, Fluchtgefahr und Verdunklungsgefahr. Sie schützen Ermittlung, Strafverfahren und Vollstreckung.

    Die Schwere der Tat ist ein von Ihnen zurecht benannter Sonderfall. Die Wiederholungsgefahr hat hingegen präventiven Charakter, schützt vor weiterer Tatbegehung.

    Diese Möglichkeit der Gruppierung erlaubt meines Erachtens, von den drei Haftgründen zu sprechen. Hoffentlich können Sie einem Rheinländer seine schnabbelige Art nachsehen. Zumindest an einem Montag. Zwingen Sie mich nicht, das Wetter zu bemühen!

    Herzlich,
    Martin

  8. 8
    portnoy says:

    soso, rheinländer also, köllsche jong gar? natürlich nehme ich das nicht persönlich. ich wollte einfach klarstellen, dass es mir um die sache geht.

    dessen ungeachtet muss ich Ihnen widersprechen: zurecht beschreiben Sie die haftgründe der tatschwere und der wiederholungsgefahr als dem eigentlich zweck der untersuchungshaft – der sicherung des ermittlungsverfahrens – zuwiderlaufend.

    gleichwohl handelt es sich bei Ihnen um (in der praxis nicht unwichtige) haftgründe.

  9. 9
    portnoy says:

    p.s.:
    oder vielleicht nicht zuwiderlaufend, aber jedenfalls dem zweck nicht dienend.

  10. 10
    R says:

    @W: Franz?

  11. 11
    fernetpunker says:

    Ich habe es so gelernt, wie Herr Hoenig es hier dargelegt hat: 3 Haftgründe. Kann also nicht so falsch sein. ;-)

  12. 12

    […] des sogenannten dringenden Tatverdachts, sondern auch eines Haftgrunds. Die Kollegen Udo Vetter und Carsten Hoenig berichteten in den letzten Tagen in ihren Blogs über solche Fälle, die im Kanzleialltag nahezu […]