Vor allem bei einer Konstellation Aussage gegen Aussage ist der Deal geradezu darauf angelegt, Fehlurteile zu produzieren. Wurden dem Angeklagten im Mittelalter die Folterwerkzeuge gezeigt, um ihn zum Geständnis zu bewegen, so werden ihm heute die »eigenen Interessen« vor Augen geführt. Geht er nicht darauf ein und bestreitet die Tat, läuft er Gefahr, den Groll des Gerichts auf sich zu ziehen, dem er zumutet, seine Pflicht zu tun. Nur ein sehr tapferer Angeklagter wird da dem Lockruf der Dealer und der Aussicht auf eine milde Strafe widerstehen – selbst dann, wenn er die Tat nicht begangen hat.
Quelle: Zeit Online – Dossier zum Bundesgerichtshof
Schon vor dem Click dachte ich mir, das hat doch bestimmt unsere geschätzte Frau Rückert verfasst. ;)
Ich habe kein Problem damit, wenn durch den Deal nur ein Strafrabatt erreicht würde; jedoch führt dies in der Praxis leider dazu, dass der Deal der Normalfall ist und der nicht geständige, nicht zu einem Deal bereite Angeklagte die Ausnahme. So führt in der Zwischenzeit ein Nichtgeständnis praktisch zu einer Straferhöhung.
Ich habe ein wenig das Gefühl, dass hier die Unschuldsvermutung aufgeweicht wird. Ist der Beschuldigte nicht zu einem Deal bereit und kann seine Unschuld nicht beweisen, wird er als trotzig wahrgenommen, der der Justiz unnötig viel Aufwand machen möchte. Dass nicht er es ist, der seine Unschuld beweisen muss, sondern das Gericht ermitteln muss, ob er überhaupt schuldig ist, gerät dabei ins Hintertreffen.
Bekannterweise gehören zu einem Deal im Strafprozess immer vier (StA, Richter, Angeklagter, Verteidiger). Wenn dem – wie ich denke, perfekt beratenen – Angeklagten der Deal nicht passt, braucht er diesem ja nicht zuzustimmen. Der – perfekte – Strafverteidiger wird dann die Lücken des anschließenden Urteils gnadenlos aufdecken.
Von daher erschließt sich mir das Problem nicht.
Zur Verständigung in der HV gehören immer drei (Kammer mit 2/3 Beschluß, Angeklagter und StA), Strafverteidiger und Nebenklage sind nur beratend tätig. – Die „Pest“ wird hoffentlich bald vom BVerfG geprüft. – Besser wäre ein Tat- oder Schuldinterlokut, das der deutsche Gesetzgeber aber leider nicht ermöglicht.
Na ja, die meisten Aussage gegen Aussage Verfahren werden, wenn die Beweislage unklar ist, ja schon im Ermittlungsverfahren eingestellt. Prozessual duerfen auch nur die Faelle angeklagt und zugelassen werden, bei denen eine Verurteilung ueberwiegend wahrscheinlich ist. (Was – zugegeben – in der Praxis nicht restriktiv genug gehandhabt wird.)
Bei den Faellen, die dann tatsaechlich vor Gericht landen, ist dann haeufig auch was dran. Und wenn nicht, dann muss im Urteil schon ganz besonders dargelegt werden, warum eine Aussage glaubhafter war als die andere.
Vielleicht sollte Frau Rueckert als Nichtjuristin etwas zurueckhaltender sein, die Vorhaltung der „eingenen Interessen“ mit mittelalterlichen Folterwerkzeugen zu vergleichen. Ich erwarte es jedenfalls in einem fairen Prozess, dass das Gericht einem Angeklagten auch schon einmal eine vorlaeufige Beweiseinschaetzung auf Basis der Aktenlage kommuniziert damit dieser sein Verhalten darauf abstimmen kann und ich habe es auch schon erlebt, das Konfliktverteidiger der uebelsten Sorte – gemeint ist damit nicht das sachgemaesse Ausschoepfen prozessualer Rechte im Interesse des Angeklagten sondern schlicht ekelhaftes Auftreten – das Gericht vor Einlassung des Angeklagten offen gefragt haben, ob bei einer nicht konfrontativen Verfahrensfuehrung eine Bewaehrungsstrafe in Betracht kommt.
Insofern sollte man zurueckhaltend sein, gerichtliche Hinweise mit Folterwerkzeugen gleichzusetzen…