Die Strafkammer im Haftraum

Wenn jemand verhaftet wird, muß er bis zum Ende des nächsten Tages einem Richter vorgeführt werden, der dem Verhafteten den Haftbefehl verkündet. Es steht also nicht viel Zeit für die Vorbereitung des Haftbefehlsverkündungstermins zur Verfügung.

In Berlin gibt es dafür ein Eilgericht am Tempelhofer Damm und dort einen kleinen schmucklosen Raum, in dem der Gefangene sich vom Haftrichter anhören muß, daß er ab sofort keinen Türschlüssel mehr braucht. Die Türen schließen jetzt andere für ihn ab.

Das gefällt natürlich den wenigsten Leuten. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und deswegen das Haftprüfungsverfahren geschaffen. Wenn der Gefangene einen Haftprüfungstermin beantragt, muß spätestens 14 Tage später darüber entschieden werden. Wieder durch einen Richter, in Berlin dann aber ein anderer, ein so genannter Ermittlungsrichter.

Der sitzt dann aber schon im Moabiter Kriminalgericht. Auch dort gibt es besondere Räume (als Säle kann man diese Schachteln nicht bezeichnen), die genau für diese Zwecke eingerichtet sind. Schmucklos, ein wenig provisorisch, meist vollgepackt mit irgendwelchen roten Akten. Dem Anlaß entsprechend eben.

Übrigens: Schmucklos sind auch Richter, Staatsanwalt und Verteidiger – es werden keine Roben getragen.

Das ist das Prozedere, solange die Sache noch frisch ist und die Anklage noch nicht erhoben wurde. Sobald die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift an das Gericht geschickt hat, wechselt auch die Zuständigkeit für die Haftverfahren. Dann entscheidet nicht mehr der Ermittlungsrichter, sondern der Richter, der auch für die Hauptsache zuständig ist.

Und die werden – in Berlin jedenfalls – besser behandelt. Denen stellt man einen Gerichtssaal (sic!) zur Verfügung. Stellt nun der Gefangene – Angeschuldigter heißt der jetzt – einen solchen Haftprüfungsantrag, findet der Haftprüfungstermin dann in dem Gerichtssaal statt, in dem später auch die Hauptverhandlung durchgeführt wird.

Wenn also die Staatsanwaltschaft zum Landgericht angeklagt hat, trifft man sich in einem richtig ausgewachsenen Saal, so einer mit dunklem Holz und grünem Linoleum auf den Tischen. In Sachen aus der ersten Liga, in denen es um tote oder halbtote Geschädigte geht, ist das Schwurgericht zuständig und dann findet die Haftprüfung eben im Schwurgerichtssaal 500 oder 700 statt. Also in dem Saal, in dem z.B. Herr Erich Honecker, ehemaliger Staatschef der ehemaligen DDR, sich zu verteidigen hatte.

So jedenfalls in Berlin. Der Stadt, die angeblich kein Modebewußtsein hat, in der Verteidiger ohne Krawatten auftreten und die Richter Jeans und Birkenstocksandalen tragen dürfen.

Im feinen Hamburg sollte es wohl mindestens genauso, also wesentlich besser sein. Die Hanseaten sind – jedenfalls nach meinem gut gepflegten Vorurteil – da eine ganze Portion pingeliger, was das äußere Auftreten angeht. Mit einer entsprechenden Erwartungshaltung (aber ohne Schlips ;-)) bin ich zu einem Haftprüfungstermin vor einer (Großen) Wirtschaftstrafkammer des Landgericht Hamburg gefahren.

Nun gut, die Bezeichnung des „Sitzungsraum“ hätte mich schon stutzig machen können. Aber das, was mich da erwartete, damit hatte ich nicht gerechnet.

Ich traf meinen Mandanten in einer Gitterbox in der Zuführung der Untersuchungshaftanstalt. Wir hatten noch ein wenig Zeit, miteinander zu sprechen, bis uns die Richterin (persönlich) abholte.

Ein Wachtmeister schloß das Gitter auf und wir gingen zu viert zu dem Raum, in dem der Termin vor der Großen Strafkammer stattfinden soll: Eine Zelle, etwas – nur wenig – größer als die „normalen“ Hafträume. Drei Tische, solche mit einer Oberfläche aus diesem grau-weißem Plastik. Dazu passende Stühle.

Die drei Richter am Landgericht drängelten sich hinter einem Tisch, dann eine Prokollführerin, eine Praktikantin und ein Staatsanwalt an einem weiteren. Der Mandant hatte einen Katzentisch für sich und ich, sein Strafverteidiger, saß irgendwie über Eck auch an so einem Plastikmöbel. Neonlampen. Klassische Zellentür.

Eine ganz tolle Atmosphäre, in der man über das Schicksal von Menschen entscheidet. In der Richter und Staatsanwälte arbeiten müssen, die im Zweifel mit Spitzennoten ihre Ausbildung beendet und teilweise promoviert haben. Im piekfeinen Hamburg.

Die Menschen waren freundlich und angenehm. Auch die Wachtmeister. Deswegen tun sie mir echt Leid, daß sie in solchen Löchern arbeiten müssen. Ich war sehr froh, ein paar Stunden später die Tür zu unserer Kanzlei im gepflegten Kreuzberg aufschließen zu können.

Nebenbei: Eine Toilette befand sich nicht in dem Raum.

Bild oben: Martin Berk /pixelio.de

 

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Knast, Richter veröffentlicht.

12 Antworten auf Die Strafkammer im Haftraum

  1. 1
    Datenkrake says:

    Nach meiner Erfahrung ist das nicht nur in Hamburg so. Was die Justiz ihren Bediensteten an Räumen anbietet, spottet größtenteils jeder Beschreibung.

  2. 2
    Andreas says:

    Meines Erachtens ist es in NRW etwas besser. Da sitzt man auch in Zivilsachen in einem richtigen Saal (und nicht alle gemeinsam an einer Art Konferenztisch). Außerdem gibt es Einlasskontrollen und zumindest die neuen Justizzentren (z.B. Aachen, Düsseldorf) sind vorbildlich ausgestattet.

    Gleichwohl tut man den Richtern in NRW auch Unsägliches an. In meiner Stammdienststelle gab es unter der „Bibliothek“ noch einen weiteren Kellerraum in dem ältere Kommentare und sonstiger Kramm für Referendare stand. Irgendwann durften die Referendare aber nicht mehr da rein. Auf Grund von Platzknappheit hatte man einen Proberichter in diese Rumpelkammer einquartiert…

  3. 3
    Gast says:

    Ausweislich Ihrer Kanzleiphotos beschert Ihnen das bisschen Staatsknete, die Ihnen von den schrecklich knauserigen Rechtspflegern bewilligt wird, dann offenbar ja doch noch ein gewisses Auskommen. Oder haben die am Ende doch nicht gründlich genug hingeschaut?

      Wenn ich ausschließlich von Staatsknete leben wollte (müßte?), wäre ich Beamter geworden. Oder Sozialhilfe-Empfänger. Ich war vorübergehend beides und bin froh, diese Phasen hinter mich gebracht zu haben. crh
  4. 4
    egal says:

    Die Haftprüfungsräume im Moabiter Kriminalgericht sind aber genauso klein und wenig schön anzusehen. Da sitzen Verteidiger und Staatsanwalt am selben Tisch ;)

  5. 5
    Staatsanwalt says:

    In der Justiz ist immer das gesamte Spektrum von Bruchbude bis hochmodernen Justizpalast vertreten, je nach Haushaltslage, Gebäudesubstanz, Denkmalschutz und weiteren nicht nachvollziehbaren Faktoren.

    Ich kenne ein (denkmalgeschützes) Amtsgericht am Ort einer großen JVA, dessen Vorführzelle im modrigen Keller an ganz finstere Zeiten aus der Vergangenheit erinnert. Bei Tätertrennung oder Trennung von Zeugen und Angeklagten müssen Inhaftierte teilweise in der Wachtmeisterei unter Umständen „verwahrt“ werden, über die ich hier lieber schweige. Und wenn die JVA nicht mit dem kleinen Bulli anliefern kann, müssen die – regelmäßig auf Anordnung der JVA gefesselten – Angeklagten vor der Haupteingangstür ausgeladen werden, auch wenn gerade dort Markt ist. Da das Städtchen eine lange Knasttraditon hat, erregt dort allerdings auch ein gefesselter SVler kein Aufsehen mehr. Die lokale Justiz berichtet diese Missstände gebetsmühlenartig, einmal war sogar eine leibhaftige Justizministerin dort und hat sich vor Ort überzeugen können. Passiert ist bis heute nichts, da einzige Lösung ein Neubau wäre, der auch aus anderen Gründen geboten wäre.

  6. 6
    RA Hausmann says:

    Ich verstehe aber auch Richter nicht, die sich so etwas antun (lassen). Welches berufliche Selbstbild steht dahinter? Am Landgericht Koblenz habe ich zweimal eine „Verhandlung“ erleben müssen, die wegen Raummangels im Richterzimmer stattfinden sollte. Alle Verfahrensbeteiligten saßen nebeneinander wie Hühner auf der Stange auf schäbigen Plastikstühlen vor einem ebeno schäbigen Richtertisch und sollten ihre Akten Schulter an Schulter auf dem Schoß balancieren. Die Zeugen sollten offenbar stehend im Türrahmen vernommen werden. An die Öffentlichkeit hatte man gar nicht gedacht. Wir kamen natürlich in beiden Fällen nicht weit mit der „Verhandlung“, da ich im Hinblick auf diese Umstände doch einige Anträge zum Procedere anzubringen hatte. Wieso beraumt man einen solchen Termin überhaupt an? Der kann doch nur „platzen“.

    Nicht minder unsäglich sind diese mit Filzteppich ausgekleideten Konferenztisch-Räume, in denen alle Verfahrensbeteiligten an u-förmig aufgestellten Tischen nebeneinander sitzen wie beim Kaffeekränzchen im evangelischen Gemeindehaus. Das kann man ja im verwaltungsgerichtlichen Mediationsverfahren oder in der Güteverhandlung des Arbeitsgerichts machen. Aber in dieser Ei-tie-tei-Atmosphäre verhandelt man doch keine Vergewaltigungsvorwurf o.ä. Jedenfalls nicht mit mir.

  7. 7
    ExRA says:

    Und – haben Sie den Mandanten freibekommen oder nicht? Das ist doch das Interessanteste an einer Haftprüfung, jedenfalls relevanter als die Örtlichkeit der Verhandlung.

  8. 8
    OJ says:

    Sehr schön, Herr Kollege. In so einem Raum des Hamburger Untersuchungsgefängnisses habe ich damals im Rahmen der Strafstation im Referendariat einen Tag hospitieren dürfen (ich hatte mich freiwillig gemeldet). Das möchte ich auch nicht mehr erleben. Eingeklemmt zwischen Aktenbock und Heizung hatte ich immerhin einen Stuhl. Dennoch eine wertvolle Erfahrung.

  9. 9
    anonym says:

    Das Hochbauamt gehört mancherorts zum Finanzministerium. Dieses investiert dann eher in die Finanzämter als in die Justiz? Daraus ergibt sich wohl eine Art Rangfolge. Richter haben auf die äußere Gestaltung regelmäßig keinen relevanten Einfluss, weder auf die Dienstzimmer noch auf die Sitzungssäle, die regelmäßig im Verhältnis zu den Dienstzimmern als repräsentativ empfunden werden und besser als der Arbeitsplatz ausgestattet sind. Möglicherweise könnte manchmal auch die Gewerbeaufsicht helfen. Allerdings gibt es, soweit der bauliche Zustand selbst nicht betroffenen ist, auch Eigeninitiative der Justizverwaltung, die die Verhältnisse dann auch durch geschicktes Einsetzen der vorhandenen spärlichen Mittel durchaus auch erträglich gestalten kann. Letztlich ist es Sache der Politik, in einem Staat, in dem Gewaltenteilung herrschen soll, die Justiz mit den für ihre Aufgabe angemessenen Sachmitteln und Stellen, die dies fach- und sachgerecht zu organisieren zu haben, zu versorgen.

  10. 10
    Karl-Otto says:

    @ RA Hausmann:

    Was soll der Richter denn machen? Streiken?

    Würde mich schon mal interessieren, welche Anträge zum Procedere Sie eingereicht haben.

  11. 11
    Jörg says:

    sehr geehrter Herr anonym,

    die Finanzämter werden genauso wie die Jutiz kaputt gespart.

  12. 12
    anonym says:

    @jörg

    Ja und das ist genauswenig richtig