Ein eigenartiges Völkchen

In die Akten der Staatsanwaltschaft und des Gerichts kann der Vertreter des Beschuldigten bzw. Angeklagten hineinschauen. So steht es im § 147 StPO und das gilt auch für ein Mord- und Totschlagsverfahren. In der Regel stellen sich da keine wesentlichen Probleme ein.

Anders sieht es aus, wenn es nicht um Leben oder Tod geht, sondern um’s Geld. Um das Geld des Staates, kurz: Um’s Steuerrecht.

Wir haben Einspruch eingelegt gegen eine Verfügung des Finanzamtes, mit dem unserem Mandanten eine Stange Geld abgeknöpft werden soll. Der Mandant vertritt die Ansicht, daß die Steuerforderung zu Unrecht erhoben wird. Und außerdem: Er hat überhaupt nicht soviel Geld.

Damit wir den Einspruch auch ordentlich begründen können, haben wir gleichzeitig Akteneinsicht beantragt. Quasi der klassische Reflex eines Strafverteidigers. Auf diesen Einspruch reagiert das insoweit empfindliche Finanzamt nun aber wie folgt:

Ich finde, der Erfolg des Verfahrens wird gerade durch die Verweigerung der Akteneinsicht gefährdet. ;-)

Dieser Ablehnung war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt:

Dann streiten wir uns jetzt erst einmal in aller Ruhe um die Akteneinsicht und werden dann später irgendwann auf die eigentliche Sache zurück kommen. Diese Finanzbeamten sind doch ein eigenartiges Völkchen. Nicht ganz unsympatisch.

Gut ist, daß hier die Zeit für den Mandanten arbeitet.

 

Dieser Beitrag wurde unter Behörden veröffentlicht.

18 Antworten auf Ein eigenartiges Völkchen

  1. 1
    fastcrash says:

    Klingt wie: „Wir haben nichts gegen Ihren Mandanten in der Hand. Warum sollten wir Ihnen also eine Steilvorlage liefern?“

  2. 2
    Malte S. says:

    Oder nach „Das gute alte Amtsgeheimnis muss man bewahren.“

  3. 3
    Thomas C. Reiter says:

    Als Steuerfahnder muss man schließlich jederzeit befürchten, von Dritten als „paranoid“ erklärt und von der Arbeit freigestellt zu werden…
    http://www.fr-online.de/politik/spezials/steuerfahnder-affaere/-/1477340/1477340/-/index.html

  4. 4
    Taxman says:

    Leider entspricht die Ansicht des Finanzamts der Rechtsprechung der Finanzgerichte (für Ihre Gegend: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.11.2009, Az. 7 K 1213/07). Und das Einspruchsverfahren wegen der Steuerfestsetzung halten Sie mit Ihrem Einspruch wegen der Akteneinsicht natürlich auch keine Minute auf.

    Wollen Sie Ihrem Mandanten nicht empfehlen, sich insoweit von jemandem vertreten zu lassen, der sich im Steuer(verfahrens)recht wenigstens ein bisschen auskennt?

  5. 5
    MaxR says:

    Man sollte sich freuen, daß in unseren Amtsstuben das Steuergeheimnis nicht nur eine hohle Phrase ist.

  6. 6
    Todd says:

    @MaxR:
    Steuergeheimnis ist nicht betroffen, deswegen argumentiert der Beamte damit auch nicht.

    siehe § 30 AO Abs.3 Nr.4

  7. 7
    Martin says:

    Die AO kennt keine Akteneinsicht, daher wird diese nur ausnahmsweise gewährt. Es besteht insofern nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Zudem hindert ihr Einspruch den Vollzug des Bescheides nicht. Da muss ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung her.

  8. 8
    ExRA says:

    Tja, Anwälte (und gerade Strafverteidiger!) und das Steuerrecht – eine unendliche Geschichte…

  9. 9
    Tobias says:

    Gabs hier nicht irgendwann vor Monaten mal eine Tirade gegen auf Strafrecht machende Zivilrechtler zu lesen ?
    Das wäre hier, das Gegenteil natürlich, wohl auch angebracht. ;)

  10. 10
    Thorsten says:

    Da wir hier in der AO sind und die Akteneinsicht in der AO „etwas für sich“ ist, würde ich – zumindest hilfsweise – die Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen beantragen. Letzteres müsste unproblematisch durchgehen.

    Ansonsten: ADV (Aussetzung der Vollziehung) beantragen – aber den Mandanten über die ADV-Zinsen aufklären (ich glaube, diese betragen 1% *pro Monat*).

  11. 11
    Maxmax says:

    0,5% pro Monat.

  12. 12
    Johannes says:

    Soviel Rechtsrat umsonst. Da hat sich das Bloggen für Herrn Hönig wieder gelohnt. :)

  13. 13

    Zusatzinfo, zum Verständnis:

    Diese Steuersache steht im ganz engen Verhältnis zu einer parallel laufenden (nicht steuerrechtlichen) Strafsache, wobei die Steuersache vorgreiflich ist. Solange es keinen rechtskräftigen Steuerbescheid gibt, kann es hier in der Strafsache nicht vorangehen.

    Die mögliche Zwangsvollstreckung ist übrigens ein ebenso stumpfes Schwert wie die ADV/Säumnis-Zinsen.

    Der Schwerpunkt liegt in der Strafverteidigung, die auf dem beschriebenen Wege von der Finanzverwaltung mit ihren Ärmelschonern und der AO nach Kräften unterstützt wird.

    Wichtig ist, was am Ende hinten raus kommt. Insoweit hat der Herr Dr. Kohl Recht gehabt.

  14. 14
    RALupo says:

    also ich hab das häufig im Sozialrecht, wenn es ums Kindergeld geht, was seltsamerweise in der Steuerverwaltung geführt wird und auch der Finanzgerichtsbarkeit unterliegt, wobei (manche) Familienkassen immerhin bereit sind, „die relevanten“ Aktenauszüge zu übersenden, wobei natürlich sie entscheiden, was relevant ist.

  15. 15
    eborn says:

    Ihr Mandant sollte überlegen, ober er die Forderung des FA nicht zwischenfinanziert. Das könnte günstiger sein als 6%. Antrag auf AdV und Aufhebung der Vollstreckung nicht vergessen. Ach ja und irgend etwas ist da noch mit Säumniszuschlägen, die 1 % betragen.

      Die Welt ist nicht immer so einfach, wie Sie sie sich vorstellen. Es wird auf diese Zinsen nicht ankommen (s.o.).
  16. 16
    123 says:

    Ist die Rechtsbehelfsbelehrung zu knapp? § 58 VwGO sagt doch auch der Sitz muss angegeben werden.

  17. 17
    fernetpunker says:

    Auch wenn es ein Nebenkriegsschauplatz sein sollte, so hat der Mandant sicher keine Lust, den Gerichtsvollzieher kennenzulernen oder das Konto platt gemacht zu bekommen, und das passiert, wenn sie nicht Aussetzung der Vollziehung beantragen, vgl. § 80 II Nr. 1 VwGO. Dass ein Steuerbescheid als VA Titelfunktion hat, braucht man ihnen als Volljurist wohl nicht beizubringen, Herr Hoenig.

      Kleinen Moment noch, ich lasse Ihnen die gesamte Akte zukommen, dann kennen Sie alle Details und haben Sie eine Grundlage, auf der Sie weitere kompetente Ratschläge erteilen können. crh
  18. 18
    Dr. jur. A. Müller says:

    Herr Kollege,

    Vielleicht sollten Sie steuerliche Angelegenheiten tatsächlich einem Kollegen vom Fach beaarbeiten lassen.