Wenn ein Rechtsanwalt einen Fachanwaltstitel führen möchte, muß er besonders qualifiziert sein. Einerseits muß er über reichlich praktische Erfahrungen verfügen. Anderseits wird von ihm auch eine solide theoretische Ausbildung gefordert. Die Einzelheiten habe ich hier zusammen gefaßt.
Für die theoretische Ausbildung gibt es Fachseminare, die von unterschiedlichen Veranstaltern angeboten werden. Die Rechtsanwaltskammer Hamburg warnt nun die hanseatischen Kollegen vor einem bestimmten Veranstalter von Seminaren, der ein online-gestütztes Eigenstudiums anbietet und damit in Konkurrenz zu den Präsenz-Seminaren mit mindestens 120 Unterrichtsstunden tritt.
Aus dem Kammerreport 1/2011 vom 11.02.2011 der RAK Hamburg:
Der [Veranstalter] bewirbt derzeit Fachanwaltslehrgänge mit der Aussage „Neu: In 9 Präsenztagen zum Fachanwalt!“.
Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer ist der Auffassung, dass diese Fachlehrgänge in der Form, wie sie hier beworben werden, nicht die Anforderungen des § 4 FAO erfüllen. Ein erheblicher Teil des Lehrgangs ist in Form eines „‘online-gestützten‘ Eigenstudiums“ zu bewältigen. Dieses „Eigenstudium“ genügt nach Auffassung der Kammer nicht den Anforderungen, die nach § 4 FAO für Fachlehrgänge zu stellen sind. Grundsätzlich sind zwar Fernlehrgänge jedenfalls für Teilbereiche der theoretischen Ausbildung denkbar, wenn Sie aber die Präsenz für wesentliche Zeitanteile des Gesamtlehrganges ersetzen sollen, müssen Sie über ein normales Lehrskript deutlich hinausgehen. Darüber hinaus enthält ein uns vorliegendes Skript aus dem Arbeitsrecht nach Auffassung der Kammer im Wesentlichen nur normalen Lehrstoff des Arbeitsrechts und vermittelt keine fachanwaltsspezifischen Kenntnisse. Durch die beworbenen Lehrgänge kann aus Sicht der Kammer folglich nicht nachgewiesen werden, dass ein fachanwaltsspezifischer Lehrgang für mindestens 120 Zeitstunden bzw. ein dem gleichwertiger Lehrgang besucht worden ist. Wer die Führung eines Fachanwaltstitels beantragt, muss daher damit rechnen, das sein Antrag nicht mit Erfolg auf einen so gestalteten Lehrgang gestützt werden kann.
Wir haben die anderen Rechtsanwaltskammern in der Bundesrepublik sowie den Veranstalter selbst über diese Beurteilung unterrichtet.
Für diejenigen Kollegen, die diesen Fernlehrgang bereits gebucht oder gar besucht haben, ist eine solche Mitteilung natürlich aufregend.
Für das rechtsuchende Publikum, das von einem Fachanwalt Kompetenz erwartet, zeigt eine solche Warnung, daß einem Anwalt der Fachanwaltstitel eben nicht hinterher geworfen wird.
Ich habe mir 120 Stunden lang die Vorträge der Dozenten angehört, deren Inhalte aufgearbeitet und in Klausuren nachgewiesen, daß ich den Stoff auch behalten und verstanden habe. Wie viele andere Fachanwälte eben auch.
Eine penible Kontrolle der Seminar-Anbieter durch die Kammern ist meiner Ansicht unbedingt notwendig, denn es steckt zuviel Geld in der Ausbildung, das nicht allzu leicht verdient werden sollte.
Kann man sich da auch ’ne Promotion klicken?
Ich habe zwei FA-Lehrgaenge bei der Deutschen Anwaltsakademie absolviert und bestanden: Im Familienrecht und im Verwaltungsrecht.
Im Verwaltungsrecht habe ich einiges gelernt, auch weil ich noch ein junger Anwalt war.
Den FA-Lehrgang im Familienrecht machte ich nach 5 Jahren intensiver Taetigkeit im Familienrecht; ich habe kaum etwas dazu gelernt. Die 10stuendige Pflichtfortbildung jedes Jahr war wirklich immer hinausgeworfenes Geld.
Das ganze System ist doch auch Geldmacherei und darauf ausgerichtet, junge Anwaelte fuer ein paar Jahre vom Erwerb einer Qualifkation abzuhalten.
In der Zeit haette ich besser eine Dissertation geschrieben…
@Andreas Moser:
In Bezug auf die Fortbildung kommt es eben auch darauf an, in welchem (Teil-)Gebiet man sich fortbildet, wer der Veranstalter ist und wer doziert.
Ich habe bisher in meinen langen Jahren keine einzige Veranstaltung verlassen, in der ich nicht wenigstens etwas dazu gelernt habe. Das (viele) Geld, das ich dafür aufgewandt habe, hat sich stets binnen kürzester Zeit amortisiert – und wenn es nur durch die Publikation des Fortbildungsnachweises auf unserer Website erfolgte.
Und der Veranstalter ist ein Freiherr. Wie unser Selbstverteidigungsminister. Ein Schelm, wer Böses über den deutschen (T)Adel denkt…
Ich verstehe die Kritik ehrlich gesagt nicht ganz. Man muss doch auch bei den Fernkursen Präsenzklausuren schreiben, mit denen sich die fachliche Kompetenz belegen lässt. Ob man sein Wissen nun dadurch erwirbt, dass man ggf. durch die halbe Republik zum FA-Kurs fährt, oder im stillen Kämmerchen studiert, kann doch wohl keinen Unterschied machen, wenn man die Kenntnisse in einer Klausur nachweisen kann, oder?
@ Till: Dann würden aber grundsätzlich Klausuren ausreichen, wenn die hinreichend Fachwissen aufzeigen würden. Es sind aber eben auch die Kursstunden vorgeschrieben.
Über den Sinn und Unsinn mag man sich streiten. Ich persönlich fand den Fachanwaltslehrgang durchaus lehrreich und auch die überwiegende Anzahl der Fortbildungen zweckmäßig. Da man sich aus einer Vielzahl von möglichen Fortbildungsversnstaltungen zudem „sein“ Thema aussuchen kann, sollte sich da stets etwas Interessantes/Nützliches finden lassen.
danke fuer die erklaerung. auch fuer uns laien verstaendlich. deshalb haben wir es auf unsere seite verlinkt.
Ätsch – ich nicht ;-)
die Alternative
Dafür mußte ich aber ordentlich Lernzielkontrollen schreiben UND einmal quer durch die Republik für die Klausuren gondeln.
Es spricht mE nichts gegen das Fernstudium, zumal bei Exoten-Fachanwälten, die nur alle Jubeljahre mal in der Gegend angeboten werden. Ich würde ja z.B. gerne FA für IT-Recht werden, wenn ich dafür nicht ein halbes Jahr meine Kanzlei zusperren müßte.
Das Problem bei dem einen Anbieter, auf den sich die RAK Hamburg eingeschossen hat, war wohl auch eher das konkret angebotene Lernmaterial, was ich natürlich nicht beurteilen kann, weil ich es nicht kenne.
Ich habe diesen Lehrgang gerade hinter mir und kann nur sagen, dass neben den „nur“ 9 Tagen Präsenz eine ganze Menge Heimstudium erforderlich ist, um die dann wirklich sehr anspruchsvollen Klausuren bearbeiten zu können. Insofern finde ich es sehr ärgerlich, wenn der Eindruck erweckt wird, der Fachanwaltstitel würde einem bei diesem Lehrgang hinterhergeworfen. Ich hätte es – nicht organisatorisch, aber fachlich – durchaus leichter gefunden, wenn mir der Stoff in mehr Präsenzeinheiten „vorgekaut“ worden wäre.