Interner billiger Kundenanwalt

Darüber, daß Versicherungsunternehmen Rechtsanwälten ihre Unabhängigkeit abkaufen, damit diese ihre Mandanten verraten beraten, habe ich erst kürzlich einmal wieder berichtet.

Die ERGO Versicherungsgruppe AG setzt dem noch einen oben drauf. Sie kauft sich gleich den ganzen Anwalt, der dann vorgibt, die Kundeninteressen zu vertreten.

Im vergangenen Jahr hat ERGO […] verschiedene Initiativen gestartet, die den Kunden weitere Unterstützung bieten. Aktuelles Beispiel ist der Kundenanwalt, der seit Anfang 2011 als feste Instanz innerhalb von ERGO ausschließlich die Interessen der Kunden verfolgt und eventuellen Benachteiligungen oder Fehlern nachgeht.

Quelle: ERGO Presseinformation 3. August 2011

Immerhin, der eingekaufte Anwalt spricht von Kunden, nicht von Mandanten:

Den wunden Punkt spricht dieser sympathische Ergo-Anwalt ungefragt von sich aus an (0:57):

Klar, es kann Kunden geben, die sich die Frage stellen, wenn ich von der ERGO bezahlt werde, warum sie mir vertrauen sollen. Sie sollen kommen, sie sollen es ausprobieren. … Das ist eine tolle zusätzliche Alternative zu einem teuren externen Anwalt.

Ausprobieren?! Wer trägt eigentlich das Risiko, daß dieser „Test am lebenden Objekt“ durch die mutmaßlich einseitige, dem Unternehmen verpflichtete Beratung zum Rechtsverlust und Vermögensschaden beim Ratsuchenden führt? Doch allein der Versicherungsnehmer, der dafür vorher auch noch teure Prämien an den Versicherer geleistet hat!

Und welche Interessen stehen dahinter, wenn der Versicherer jährlich einen sechsstelligen Betrag dafür aufwendet, um die Versicherungsnehmer angeblich rechtlich zu beraten? Die ERGO wird dadurch Gewinne erwirtschaften wollen. Das ist grundsätzlich auch legitim, allerdings nur dann, wenn die Investition keine Täuschung der Kunden im Auge hat.

Aus der Sicht eines unabhängigen Beraters rate ich dringend davon ab, ein solches Angebot anzunehmen; der „externe, teure Anwalt“ ist im Zweifel preiswerter als der billige Ergo-Anwalt.

Danke an Rechtsanwalt Harald Vogler aus Nürnberg für den Hinweis auf den Verrat das Angebot.

 

Dieser Beitrag wurde unter Rechtsanwälte veröffentlicht.

13 Antworten auf Interner billiger Kundenanwalt

  1. 1
    RA JM says:

    Ombudsmann für Arme?

  2. 2
    alter Jakob says:

    Immerhin, der eingekaufte Anwalt spricht nicht mehr von Kunden, nicht von Mandanten:

    Da steht wohl ein „nicht“ zuviel.

      Fixed. Thx. crh

    Immerhin weist der Kundenanwalt darauf hin, dass durchaus die Frage gestellt werden kann, wieso der Kunde ihm vertrauen soll. ‚Ne Antwort hat er aber nicht, außer dass ein externer Anwalt wohl teuer ist…

    Und bei dem Gutachten wüsste ich auch gerne, ob es denn für den Kunden zufriedenstellend war, oder noch schlechter ausgefallen ist.

  3. 3

    […] Darüber, daß Versicherungsunternehmen Rechtsanwälten ihre Unabhängigkeit abkaufen, damit diese ihre Mandanten verraten beraten, habe ich erst kürzlich einmal wieder berichtet. Die ERGO Versicherungsgruppe AG setzt dem noch einen oben drauf. zum Artikel […]

  4. 4
    RA JM says:

    @ alter jakob:

    … externer Anwalt wohl teuer ? Ein guter ERGO-Kunde hat doch auch eine Rechtsschutzversicherung bei der D.A.S. ;-)

  5. 5
    HugoHabicht says:

    Das ist kein Rechtsanwalt, so mit Zulassung, Haftpflichtversicherung und in zwei Staatsexamina geprüften Rechtskenntnissen, sondern ein auf Kundenanwalt geföhnter Versicherungsvertreter!

  6. 6
    alter Jakob says:

    @RA JM: Genau. Und sagt einem dann eigentlich der Kundenanwalt von der Ergo oder der von der D.A.S., dass man die RSV lieber nicht in Anspruch nehmen soll?

  7. 7
    W says:

    _Wenn_ der Mann mit offenen Karten spielt, zunächst ein Mal vermittelnd eine interne Lösung anstrebt (so mancher Abteilungsgott tut sich mit einer solchen Ansprache evtl. auch schlichtweg einfacher) _und_ rechtzeitig auf demnächst ablaufende (Verjährungs-) Fristen und auf die Beratung durch einen unabhängigen Rechtskundigen wie bspw. einen Rechtsanwalt hin- und verweist – dann, ja dann finde ich das im Grunde erst ein Mal gar nicht so doof. Fände ich. Wer mit einem Re-Brandig so billig selbst aufgebaute Resentiments auszunutzen versucht, der hat zunächst jeden Vertrauensvorschuss aufgebraucht.

    Übrigens, wenn ich das richtig verstanden habe, wird Wert darauf gelegt, dass dies ein „Kundenanwalt“ und eben kein „Rechtsanwalt“ ist. Einen Unterschied, denn sicherlich 99 % der Leute nicht einordnen können.

  8. 8
    anonym says:

    ERGO spricht in den Bestimmungen zum Kundenanwalt selbst davon, dass es sich dabei nicht um keinen Anwalt im juristischen Sinn handelt, sondern eine Art Schlichtungsverfahren stattfinden. (HIntergrund sind Streitigkeiten zwischen ERGO und dem Versicherungsnehmer)

    Tipp: einfach mal nach Kundenanwalt ERGO googeln!
    Ich halte die Werbung und das Verfahren trotzdem für irreführend und zweifelhaft.

  9. 9
    Stefan says:

    Die Idee ist sicherlich nicht schlecht, würde man den Kundenanwalt einfach anders bezeichnen und nicht den Anschein erwecken (wollen), es handele sich um eine Alternative zum Rechtsanwalt.

  10. 10
    ac says:

    Ob wohl schon jemand einen (wettbewerbsrechtlichen) Unterlassungsanspruch sieht und diesen geltend machen wird?

  11. 11
    RA says:

    Das ist Aufgabe der Kammern. Die sollten als Vertretung des Berufsstandes offensiv gegen dieses Gebahren vorgehen. Grauenhaft.

    Und den Versicherungsnehmern sei gesagt: Gute Rechtsberatung hat halt ihren Preis – schlechte ist meist teurer.

  12. 12

    […] Ich hatte über die Werbung der ERGO Versicherungsgruppe AG mit dem billigen internen Kundenanwalt berichtet. Der Versicherer wollte seine Kunden mit einer Videobotschaft dazu veranlassen, erst […]

  13. 13

    […] Nachdem es bereits im August beim Fachpublikum die Runde gemacht hat, warnt nun auch die taz ihre Leser vor dem Kundenanwalt der […]