Keineswegs überforderte Staatsanwaltschaft

Es ist eine Strafsache, die ein Team von drei erfahrenen Staatsanwälten beschäftigt und die sich mit Ermittlungsakten herumschlagen, die wegen ihres Umfangs dem Laderaum eines Kleintransporters gut zu Gesicht stünden. Reichlich Strafverteidiger vertreten zahlreiche Beschuldigte, einige davon sind bzw. waren inhaftiert.

Eine hochkarätig besetzte Spezialabteilung ist notwendig, um ein solches Verfahren zu stemmen.

Es war nicht ganz einfach, aber nach ein paar Wochen ist mir es schließlich gelungen, die Staatsanwälte und den Haftrichter davon zu überzeugen, daß der Mandant nicht weglaufen wird, wenn man ihn aus der Untersuchungshaft entläßt.

So richtig überzeugend scheine ich dann doch nicht gewesen zu sein. Denn das Gericht hat den Haftbefehl nicht aufgehoben, sondern nur außer Vollzug gesetzt. Dem Mandanten wurden ein ganze Reihe von Auflagen gemacht, die sicher stellen sollen, daß er nicht doch abhaut.

Unter anderen war ihm aufgeben:

Er muss jeden Aufenthaltswechsel der Staatsanwaltschaft Potsdam zu dem Aktenzeichen „007 Js 10999/10 Wi“ mitteilen.

Genau das hat er – über seinen Strafverteidiger – auch gemacht, nachdem er aus der Haft entlassen wurde und – statt in seiner alten Wohnung zu bleiben – umgezogen ist.

teile ich unter Bezugnahme auf den Haftverschonungsbeschluß vom 31. Juni 2011 mit, daß Herr Wilhelm Brause ab sofort unter folgender Anschrift erreichbar ist und sich dort aufhält:

Statt der erbetenen Empfangsbestätigung erhalte ich die folgende Nachfrage:

Nota bene: Unterschrieben ist diese Anfrage nicht von einem Anfänger, sondern von einem ausgewachsenen Oberstaatsanwalt. Wohnsitzwechsel, da muß der Profi ran!

Weil es unter Umständen nicht schnell genug gelingt, eine amtliche Meldebestätigung zu bekommen, – schließlich handelt es sich um eine Chefsache – habe ich per ganz eiligem Fax mitgeteilt, was es mit den beiden Wohnungen auf sich hat und wie man die 650 Meter zu Fuß von der einen in die andere gelangt:

Ergänzend sollte ich vielleicht das Ermittlungsteam auch noch hinweisen, daß dort beide Wohnungen allerbestens bekannt sind und der Mandant schon in seiner Vernehmung angekündigt hat, wo er demnächst sein Ei hinlegen wird; und daß ich als Pflichtverteidiger natürlich auch zustellungsbevollmächtigt bin, falls irgendwann einmal in den nächsten Monaten oder Jahren die Anklage an den Mann gebracht werden muß.

Ich sehe, die Staatsanwälte haben das Umfangverfahren – trotz widriger Umstände wie die fehlende Bereitschaft zur Nutzung der vorhandenen Elektronik – super im Griff.

Wer für solche Spielereien Zeit hat, kann einfach nicht überfordert sein.

 

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

8 Antworten auf Keineswegs überforderte Staatsanwaltschaft

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    RA Neldner says:

    „als Pflichtverteidiger natürlich auch zustellungsbevollmächtigt“ Hab ich was verpasst oder ist diese Vollmacht doch nicht so natürlich.
    Mir wird als PV jedenfalls immer noch nur ausnahmsweise zugestellt.

  2. 2
    Malte S. says:

    In Aktenzeichen die eigene Postleitzahl zu finden ist aber auch ungewöhnlich ;)

  3. 3
  4. 4
    RA Neldner says:

    @BV: Danke. Ich war bei einer Haftbefehldebatte von Ladungen gem. § 145a II StPO ausgegangen, die nicht erfasst sind, aber beim genaueren Lesen stelle ich auch fest, dass sich crh auf die Zustellung der Anklage bezog. Da hätte ich den Text nicht nur überfliegen sollen.
    Die korrekten Ladungen beschäftigen mich im Moment an anderer Stelle und dann liest man eben, was man lesen will.

  5. 5
    Tilman says:

    Wetten dass sich die entsprechende Abteilung irgendwann als „Kompetenzzentrum“ bezeichnen wird?

  6. 6
    Dieter says:

    Nur eine kurze Frage: Mit welcher Software wurde die Wegbeschreibung erstellt?

  7. 7
    Jens says:

    Überfordert war hier aber eher der Rechtsanwalt, nämlich offenbar schon mit dem Verständnis der Frage – die bezog sich ganz offensichtlich keinerwegs darauf, wie man von der alten zur neuen Wohnung kommt, sondern darauf, ob es sich um eine zustellungsfähige (Ladungen!) Anschrift handelt oder nur um einen vorübergehenden Aufenthalt.

      Ah! Jetzt habe ich es verstanden. Besten Dank. crh
  8. 8
    RASpörkel says:

    *schmunzelt über die Antwort des Users Jens, welche Herrn Hoenig sicherlich ein neues Verständnis der Sachlage geboten hat*