Die Methode, Juristen auszubilden, ist seit der Zeit, als der liebe Gott dem sündigen Paar die rote Karte gezeigt hat, dieselbe: Die Azubis bekommen einen Lebenssachverhalt geschildert, der dann mit der Frage abschließt: Wie ist der Fall juristisch zu bewerten?
Hier gleich einmal ein Fall aus dem prallen Leben. Und ich wette, die (vollständig) richtige Lösung finden nur diejenigen, die knapp vor der Grenze zur Anwendung des PsychKG stehen.
Bullmannowski macht Urlaub. Er fährt aus dem postsozialistisch-grauen Einerlei des Ostens in die Oase Europas, nach Zürich. Dort gehen ihm die Augen über ob der gut gekleideten Menschen und blank geputzten Autos, die er bisher noch nicht einmal in einer Zeitung gesehen hat.
Bei einer günstig sich bietenden Gelegenheit (nicht verschlossene Tür, Zündschlüssel steckt) setzt er sich in ein solches Spielzeug, und freut sich darauf, mit diesem Luxusartikel seiner Angebeteten zuhause imponieren zu können.
Die Fahrt führt über Bayern zunächst nach Deutschland. Da auch die bayerische Polizei Spaß an leistungsstarken Verbrennungsmotoren hat, wird er nach einer geringfügig zügigen Fahrt (sagen wir mal 40 km/h zu schnell auf der Autobahn 9 bei Bayreuth) angehalten.
Auf geht’s liebe Studenten …
1. Diebstahl, einfach: Freiheits- oder Geldstrafe.
2. Geschwindigkeitsüberschreitung: 120 Euro, 3 Punkte.
3. So, und was noch??
Ganz einfach, man muß nur drauf kommen. Und das geht wirklich nur, wenn irgendein Gendefekt vorliegt: Die freundliche Abgabenordnung sollte man niemals aus dem Auge verlieren. Bullmannowski ist ein Steuerstraftäter!
Die Fahrt mit dem Luxusschlitten von der Schweiz über die Grenze nach Bayern verwirklicht auch noch den Tatbestand des Schmuggels!
Der Bugatti Veyron 16,4 Grand Sport war außerhalb der EU, nämlich in der Schweiz zugelassen und somit „Nichtgemeinschaftsware“. In einem solchen Fall greifen die Vorschriften für eine zollfreie Einfuhr nicht.
Ein richtiges Schnäppchen für die Zöllner:
Für den exklusiven Sportwagen mit rund 1.000 PS sowie einem Wert von sage und schreibe 1,2 Millionen Euro erließ das Hauptzollamt Schweinfurt kurzerhand einen Steuerbescheid über 10 Prozent Zoll sowie 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer vom Wert des Fahrzeugs ausgehend. Steuerschuldner ist der 28-jährige ledige Osteuropäer.
berichtet mit stolz geschwellter Brust das Zollfahndungsamt München.
Auf solche Ideen kommen normale Menschen erst nach reichlichem Genuß verbotener Substanzen. Zöllner und Steuerrechtler brauchen so was nicht.
Was passiert mit dem Auto, falls Bullmannowski den Zoll und die Steuern nicht bezahlen kann?
Das bekommt der Verteidiger! crh
Bullmanowski hat doch an dem Fahrzeug kein Eigentum erworben, Steuerschuldner müßte doch wenn überhaupt der Eigentümer des Fahrzeugs sein?
Wie bekommt man einen Steuerschuldner Bullmanowski hin?
Geschäftsführung ohne Auftrag?
Wie bekommt man überhaupt einen Steuerschuldner hin? Der Eigentümer wird doch wohl sein Fahrzeug stante pede wieder aus er EU entfernen?
Ach ja, irgendwas müssen Steuerrechtler ja den ganzen Tag tun, jetzt, wo das Steuerrecht so einfach wird.
Muss der eigentliche Eigentümer dann wieder Einfuhrzoll in die Schweiz bezahlen wenn er sein Auto zurückbekommt??
Wo ist das Problem? Eine Ware wurde aus der Schweiz in die EU eingeführt und nicht angemeldet. Daraufhin wurde „Zoll“ (im weitesten Sinne) erhoben.
Ich dachte immer, Juristen könnten abstrakt denken – war wohl ein Irrtum. Der Idiot hätte ja einfach *kein* Auto klauen müssen.
Das ist genau so verrückt wie der Fall aus Österreich. Dieb klaut Auto ohne Vignette, wird auf der Autobahn abgelichtet, bestohlene bekommt Ticket wegen Mautverstoß und soll zahlen trotz des Nachweises, das das Auto gestohlen wurde. Hat sehr lange gedauert das gegen die Behörden hinzubiegen.
Ämter und Behörden – man muss sie nicht immer verstehen.
Einen ham wa noch.
Einem apitän in Hamburg wird über Nacht der Diesel geklaut.
Die Polizei ermittelt.
Won wem kommt der Bescheid, den steuerbegünstigten Schiffsdiesel zu versteuern?
Es handelt sich bei dem Volkswagen doch um ein in der EU hergestelltes Fahrzeug, also einen Reimport. Das dürfte leicht nachzuweisen sein, da der Bugatti ausschließlich im elsässischen VW Werk gebaut wird und nicht wie bspw. der Golf an einem Dutzend Standorten. Damit fallen schon mal die 10% Zoll weg.
@ 2
Zollschuldner und Eigentümer haben nichts miteinander zu tun. Wer Zollschuldner ist, ergibt sich aus dem Gemeinsamen Zollkodex der Gemeinschaft und der dazugehörigen Durchführungsverordnung. Ich vereinfache mal grob: bei dem sogenannten „Einfuhrschmuggel“ ist regelmäßig Art. 202 Abs. 1 lit. a) ZK einschlägig. Es handelt sich um die vorschriftswidrige Verbringung einer Ware in das Gebiet der Gemeinschaft (richtig: Union). Zollschuldner ist in dem Fall die Person, die die Ware in das Gebiet der Gemeinschaft verbracht hat, vorliegend eben der mutmaßliche Dieb.
Auch wenn RA Hoenig hier von Gendefekten und dergleichen schreibt, handelt es sich bei dem Zollkodex nicht um eine irgendwie geartete Krankheit. Das Regelwerk ist _das_ Symbol europäischer Integration schlechthin. Es ist die Verwirklichung des soviel beschriebenen europäischen Binnenmarktes.
Wird ein Tier (z.B. Rennpferd) außerhalb der EU operiert und dann nach Deutschland zum Heimatstall zurückgebracht, müsste der Mehrwert nach der erfolgten Veredelung ebenfalls versteuert werden.
@ Martin u.a.:
Gemach, gemach,
Bullmannowski war doch sicherlich nur auf einer Spritztour und wollte die Luxuskarosse dann wieder ordnungsgemäß in Zürich abstellen, oder? ;-)
Strafrechtlich bliebe dann nur § 248 b StGB, und mit Zoll ist dürfte dann auch nichts mehr sein. Schließlich muss ich ja auch keine Einfuhrsteuern zahlen, wenn ich mal eben nach Zürich fahre.
@RA JM: Was wird dann eigentlich aus der Zoll-/Steuerstraftat?
@Kollege Hoenig – passen Sie bloß auf mit Ihrer Kritik. Irgendwann erscheint ein Zollbeamter bei Ihnen und brüllt Sie aufgrund eines rechtskräftigen Zollbelehrungsbescheids vor allen Mitarbeitern und Kollegen an „Was haben Sie eigentlich nicht verstanden an ‚der Rechtsstaat endet bei der Finanzverwaltung‘?“. Und es gibt keine Rechtsmittel…Ihre Akte liegt bei der Finanzverwaltung ja schon vor…die haben auch Internet…
Es ist immer wieder erstaunlich, wenn Rechtsanwälte, die auf dem Gebiet des Zollrechts keine Ahnung haben, irgendwelche Kommentare dazu abgeben.
Wie heißt es so schön? Ein Blick in den Gesetzestext erleichtert die Suche nach dem „richtigen“ Ergebnis. ;-)
Das zeigt mal wieder: Steuerrecht ist selbst für Volljuristen eine fremde Materie. Deshalb trete ich auch dafür ein, dass man nicht ohne Zusatzausbildung (Steuerberaterexamen, Fachanwaltsausbildung) in diesem Bereich beratend tätig sein dürfte. Das wäre zum Wohle aller: Mandant, Berufshaftpflichtversicherung und Anwalt.
Abgaben sind übrigens keine Strafen.
Da die allermeisten Juristen in der Juristenausbildung – einschließlich des Klausurerstellers – wohl selbst nicht auf so etwas kommen würden, würde man sich mit solchen Ausführungen in der Realität allenfalls eine schlechte Note einfangen.
Die etwas weitsichtigeren Klausurersteller fügen deshalb auch i.d.R. folgenden Bearbeitungshinweis hinzu: „Straftatbestände außerhalb des StGB sind nicht zu prüfen.“
Der Irrwitz hat System. Es gibt beispielsweise ein nettes BFH-Urteil. Das wenden viele Steuerberater an. Sinngemäß hat der BFH (vor vielen Jahren) entschieden, dass eine Betriebsaufgabe steuerlich nicht nach HGB und diesen Bilanzierungsvorschriften abzuwickeln ist, sprich es gibt keine Aufgabebilanz. Denn steuerlich heißt es, der Aufgabegewinn wird ermittelt durch den Überschuss des Aufgabeerlöses über die Aufgabekosten. Und nicht durch Bilanz.
Was das hiermit zu tun hat? Der Sachverhalt war, dass ein Bankangestellter Geld unterschlagen hatte. Dafür musste er Steuern zahlen. Und als er erwischt wurde, hat er seinen Betrieb „aufgegeben“ und musste daher dem Finanzamt auch den Aufgagegewinn erklären.
Der Fall Al Capone dürfte aber bekannt sein.
http://de.wikipedia.org/wiki/Al_Capone
Muss ich mir Sorgen machen? Ich bin kein Jurist, aber ich wusste das.
Die Einfuhrumsatzsteuer-Erklärung, die von Bullmannowski wohl erwartet worden ist, hätte ich ja gerne mal gesehen.
„Herkunft des KFZ: [ ] gekauft, [ ] geschenkt, [ ] gestohlen“.
„(E)in Gegenstand, dessen Einfuhr aus dem Auslande verboten ist, unterliegt nicht der Verzollung, auch wenn im Zolltarif eine Eingangsabgabe für ihn festgesetzt ist. Wird er trotz bestehenden Verbots eingeführt, so liegt nur der Tatbestand der Konterbande […], nicht zugleich eine Zolldefraudation […] vor.“
Das Zitat stammt aus RGSt 45, 97 (99), Urteil vom 24. Juni 1911, das sich mit der Steuerpflichtigkeit eines preußischen Bodellwirts auseinandersetzt.
Irgendwie manierlicher.
Die Fundsache war Nebensache zu: http://www.lto.de/de/html/nachrichten/3649/leichenzug_als_sozialdemokratische_propaganda_politik_unter_pickelhaubenzwang/
Danke @ Andreas!
Nebenstrafrecht und exotisches wie europäisches Abgaben- oder Zollrecht sind von uns schon genug gequälten Azubis nicht zu prüfen :)
Im Übrigen wäre mein Rat an Bullmannowski die Nummer beim nächsten Mal mit viell. 10-12 Kumpels professioneller anzugehen und erst im Rotterdamer Hafen wieder anzuhalten. Mein Schwerpunkt ist Mafiarecht, ganz klar!
Als Verteidiger sind mir steuerrechtliche Probleme völlig gleichgültig. Mich interessiert nur die Frage, fällt die Verfahrensgebühr nach VV 4142 RVG aus dem Wert des Wagens an und wurde rechtzeitig ein Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung gestellt, auf daß die Staatskasse diese Gebühr übernehmen muß? :-)
Fassen wir zusammen:
Hätte der Eigentümer oder ähnliches Geschmuggelt -> Klar Schmuggel.
Macht das aber ein Dieb, der das nur nebenbei macht -> Entrüstung, Verrückt! Schmuggel? Lächerlich.
Was ein Wind um eine uralte Sache. Ich war einige Jahre Inbetriebnahme-Ing. und bin in vielen Ländern rumgekommen. Meinen Kollegen und mir war immer klar: Sobald ich im Ausland einen Fremden ans Steuer meines Autos lasse lauert schon der nächste Zollbeamte und winkt mit dem Importzollbescheid. Also nix mit Freundin ans Steuer um sie rumzukriegen. Champions waren die Spanier. Mit dem eigenen Auto ins Land fahren ging noch. Aber wehe, man fuhr damit die tägliche Tour zur Arbeit. Schon war der Zoll da, denn dann war das Auto ein schwarz importiertes Arbeitsmittel. Ist einigen Oberschlauen passiert. Umgekehrt gilt es genauso. In Deutschland ein ausländisches fahren und Importzoll ist fällig. Ist übrigens in der Schweiz besonders lustig, da gibt es Gewichtszoll und ein uralter Schlurren kann da richtig ins Geld gehen.
[…] Kollege berichtet hier, dass einem Autodieb neben den üblichen Strafen auch Steuerhinterziehung zur Last gelegt wurde, […]
Hinsichtlich des erwähnten Gendefekts, sei darauf hingewiesen, dass es auch ein Epigenom gibt. Allerdings lässt die Qualität Ausbildung an den Universitäten wirklich zu wünschen übrig – ich kann mich noch lebhaft an die verwunderten Blicke meiner ehemaligen Kommilitonen erinnern, wenn ich mich bei Fallbesprechungen – ja, durchaus angewidert – abwendete, wenn mir mit Stolz erklärt wurde, dass alle VIER Auslegungsmethoden nur bestimmtes Ergebnis zulassen würden.