Komplexe Argumente

Die Sache hat sich etwas verzögert. Der Mandant sitzt derweil in Untersuchungshaft. Es geht aber nun mal nicht schneller, schrieb der Vorsitzende Ende Juli.

Ein früherer Beginn kommt mit Blick auf die notwendige Einarbeitung in den sehr komplexen Verfahrensstoff nicht in Betracht.

Diesem Argument stellte sich die Verteidigung – zustimmend – nicht entgegen.

Und weil es eben „sehr komplex“ (siehe oben) und auch noch sehr umfangreich (siehe hier) war, beantragte die Verteidigung Unterstützung: Das Gericht möge doch bitte einen zweiten Pflichtverteidiger bestellen.

Diesem Antrag gab die Strafkammer nicht statt. Ende September erging ein Beschluß, in dem es heißt:

Der Verfahrensstoff ist […] nicht von außergewöhnlicher rechtlicher Schwierigkeit.

Auch in tatsächlicher Hinsicht ergeben sich aus dem Verfahrensstoff keine besonders hohen, von einem Verteidiger allein nicht zu bewältigenden Anforderungen.

Im Übrigen weisen die drei mit der Anklage erhobenen Tatvorwürfe in ganz erheblichem Umfang sowohl rechtlich wie tatsächlich gleichartige Strukturen auf, wodurch das Durcharbeiten des Verfahrensstoffs stark erleichtert wird.

Womit die Verhältnisse zwischen Richter und Strafveteidiger – jedenfalls in diesem Strafverfahren – geklärt wären.

 

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Strafverteidiger veröffentlicht und mit den Begriffen verschlagwortet.

2 Antworten auf Komplexe Argumente

  1. 1
    Jens says:

    Der außergewöhnliche Umfang oder die außergewöhnliche Schwierigkeit des Verfahrensstoffes gebieten nach ständiger Rechtsprechung die Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers nur ganz ausnahmesweise dann, wenn der Verfahrensstoff ausschließlich bei arbeitsteiligem Zusammenwirken zweier Verteidiger beherrscht werden kann.

    Das ist etwas anderes als der Einarbeitungsbedarf, den der Vorsitzende in seiner Begründung für die Terminierung geltend gemacht hat – schließlich hat der Verteidiger diese Einarbeitungszeit infolge der späten Terminierung ja selbst auch zur Verfügung.

  2. 2

    Es gehört zu den Grundhandfertigkeiten eines Juristen, jede Entscheidung begründen zu können.