Zur anwaltlichen Fortbildung gehören nicht nur Seminare zum Thema „Beweisanträge und Durchsetzung von Beweisverwertungsverboten“ wie das vom RAV am morgigen Samstag. Die „Waffen der Verteidigung“ müssen auch irgendwie finanziert werden.
Diesen (Kosten-)Fragen ging gestern die Kollegin Gesine Reisert, Fachanwältin für Strafrecht, in einer Fortbildungsveranstaltung der Berliner Strafverteidiger zum Thema „Gebührenrecht für Strafverteidiger“ nach.
Frau Reisert ist nicht nur eine erfahrene Strafverteidigerin, sondern (unter vielem anderen) auch noch stellvertretende Vorsitzende der Gebührenabteilung der Rechtsanwaltskammer Berlin (RAK Berlin).
Schwerpunkt des Seminars war die Bestimmung der Gebühren des Strafverteidigers nach den Kriterien des § 14 RVG. Auch nach den langen Jahren der Praxiserfahrung und nach unzähligen Abrechnungen, die Nadine Gabel und ich hinter uns haben, konnte Frau Rechtsanwältin Reisert uns und den andern Teilnehmern reichlich viel Neues beibringen.
Völlig überraschend war allerdings ein Internum, über das die Dozentin berichtete. In ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied der RAK Berlin erstattet sie die so genannten Gebührengutachten nach § 14 Abs. 2 S. 1 RVG, die vom Gericht eingeholt werden, wenn in einem Gebührenprozeß die Angemessenheit von Rahmengebühren streitig und zu beurteilen ist. In diesen Verfahren geht es um die Frage, ob das, was der Anwalt seinem (ehemaligen) Mandanten berechnet hat, dem entspricht, was er für seinen (ehemaligen) Mandanten gearbeitet hat.
Über 80 solcher Gebührengutachten berichtete Gesine Reisert in ihrem Vortrag. 78 davon hatten eine Honorarabrechnung zum Gegenstand, bei denen das Gebührenrecht nicht optimal angewandt wurde. Optimal aus der Sicht des Betriebswirts: In diesen 78 Fällen wäre es zulässig gewesen, höhere Honorare abzurechnen als von den Anwälten tatsächlich abgerechnet wurden.
Übersetzt heißt dies: 78 von 80 Rechtsanwälten, die per Klage ihrem Geld hinterher laufen mußten, haben zu niedrige Kostenrechnungen gestellt. Aus welchen Gründen auch immer.
Danach jedenfalls wäre das Gemecker über die Höhe des anwaltlichen Honorars also gar nicht berechtigt. Und wenn trotzdem genörgelt wird, bedeutet dies, wir Anwälte müssen unseren Mandanten besser erklären, warum die Vergütung, die wir von ihnen erbitten, der Leistung entspricht, die wir für sie erbringen. Auch das gehört zu einer vollständigen anwaltlichen Beratung.
Nadine Gabel und ich werden uns die Kostennoten unserer Kanzlei insbesondere unter diesem von Frau Reisert vorgetragenen Gesichtspunkt künftig noch genauer anschauen. Nicht um höher abzurechnen, sondern um verständlicher zu erläutern, warum wir genau so abrechnen und nicht anders. Damit unsere (gute) Arbeit nicht durch Gemecker über die Kosten abgewertet wird.
Update:
Hier gibt es unter anderem eine FAQ zu den Anwältsgebühren.
Ich wundere mich stets, daß die meisten Leute es für selbstverständlich halten, daß Handwerker 50+ Euro für die Stunde abrechnen, ein entsprechendes Hononar eines Anwalts jedoch als Wucher angesehen wird. Mit dem Unverständnis der Mandanten kann ich jedoch leben. Wer mich nicht entsprechend honorieren will – natürlich auf Vorschußbasis – kann ja woanders hingehen. Ich mache nicht den „billigen Jakob“.
Viel schlimmer finde ich die Rechtsprechung zu § 14 RVG, die vor allem dann, wenn die Staatskasse zu zahlen hat, der Auffassung ist, daß 6-7 Euro Stundenlohn (brutto vor Kosten und Steuern) für einen Anwalt eigentlich genug sind.
@ RA Knittel
Handwerker bekommen üblicherweise ca. 35,- Euro plus Steuern pro Stunde. An Ihrer Stelle würde ich lieber die (Mercedes-) Werkstätten anführen, wo zum Teil 90,- plus Steuer für die Arbeitsstunde abgerechnet wird, wobei am Auto oft ein Azubi schraubt.
Im Übrigen kenne ich keinen ernstzunehmenden Anwalt, der nur 50,- pro Stunde nimmt. Das startet eher bei 120,- und geht dann meistens deutlich höher. (Ob das berechtigt ist, je nach Einzelfall, steht auf einem anderen Blatt.)
Was mir sauer aufstößt: Anwälte werden nicht nach Leistung bezahlt. Das fängt bei der Vergütung nach Streitwert, anstelle nach Arbeit und Können, an. Es geht weiter mit den Umstand, daß der Anwalt von Leuten mit Geld mehr Honorar nimmt, als von armen Leuten. Und es hört auf damit, daß die Anwälte im Gebührenrecht alle gleich vergütet werden, egal ob sie Profis oder Nieten sind. DAS ist Schrott. Das ist sowohl für die Anwälte als auch für die Mandanten überaus unfair und nicht mehr zeitgemäß.
Ich wäre an Ihren Alternativ-Vorschlägen – insbesondere für (ON topic) Strafverteidigungen – interessiert (ernst gemeint). crh
@ Mangela Erkel
Jetzt bin ich aber gespannt. Wie wollen Sie denn ermitteln, welche Anwälte höhere und niedrigere Stundensätze abrechnen können und welche dies nicht dürfen??? Klassenarbeiten schreiben?
Die Streitwertgeschichte ist zwar nicht das Gelbe vom Ei, aber sie funktioniert nach der Idee: Reiche Leute streiten um höhere Streitwerte und ärmere um geringere, also können die Reichen ja auch mehr dafür zahlen. Finde ich eigentlich ganz sozial. Nur eben, dass für Anwälte, die sich um Betriebskostenabrechnungen oder Telefonrechnungen streiten, meist nicht viel hängen bleibt.
M.E. sollten Anwälte ihr Honorar generell frei vereinbaren dürfen. Also gerade so, wie es ihnen und dem Mandanten passt. Auch Erfolgsbeteiligungen finde ich prima, wobei das beim Strafverteidiger wohl kaum passen dürfte.
Ist es dem Mandanten zu teuer, muß er sich einen anderen Anwalt suchen. Hat der Anwalt zuviel Arbeit, kann er mehr verlangen. Hat er zu wenig Arbeit, muß er eben billiger anbieten. Nennt sich Marktwirtschaft. Vor allem aber werden die guten Anwälte dann endlich auch ihrem Können entsprechend (hoch) vergütet.
Dieser ganze Gebührenmüll ist weitgehend überflüssig. Allein zur Begrenzung von an Gegner zu erstattenden Kosten ergibt es Sinn, damit dem Mißbrauch (oder der Bösartigkeit/Verschwendungssucht des Gegners) nicht Tür und Tor geöffnet wird.
Meinen Sie nicht auch, daß Vertragspartner miteinander vereinbaren sollten, was sie für richtig halten?
Im Übrigen würde das die eher kleinen Streiteleien sehr wirkungsvoll eindampfen, da die Anwaltskosten dann oft sehr viel höher wären als heute. Das würde die Justiz und die Kollegen effizient vor Querulanten bewahren.
Die “Waffen der Verteidigung” ? Also heutzutage sollte man doch mit solchen zweideutigen Beschreibungen sehr vorsichtig sein. Das könnten manche (bewußt) falsch verstehen. Nicht das dann mal plötzlich das SEK vor der Tür steht, »höflich um Einlaß fragt« und die ihrigen Waffen mitbringt – zwecks gegenseitigem Vorzeigen der »Waffen«…
@Mangela Erkel:
Honorarvereinbarungen sind für (professionell arbeitende) Strafverteidiger die Regel. Damit sind wir beide soweit schon mal auf dem selben Stand. Ich halte sehr viel von Angebot und Nachfrage.
Problematisch wird es jedoch in den Fällen, in denen Dritte die Kosten zu tragen haben: Pflichtverteidigung, Landeskasse im Freispruchfall, Rechtsschutzversicherer, … Dafür braucht man die differenzierenden Regeln des RVG.
Im Zivilrecht ist es noch schwieriger. Und dann haben wir noch das Verwaltungsrecht, Neben- und Adhäsionskläger …
Es gibt keine einfache und generelle Lösung für dieses Problem. Das RVG ist bisher alternativlos. Leider. Wir versuchen dessen Anwendung soweit praktikabel und zulässig zu vermeiden.
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Direkte Gebührenvergleiche mit Handwerkern und Markenwerkstätten sind unseriös. Ich habe noch keinen Anwalt gesehen, der eine kostenlose Nachbesserung in der zweiten Instanz anbietet, wenn zuvor das angestrebte Verfahrensergebnis nicht erreicht wurde. Ein Anwalt kann in der Praxis auch mit unterdurchschnittlichem Arbeitsaufwand regelmäßig voll abrechnen, z. B. wenn er der Einfachheit halber immer Geständnisse empfiehlt (sog. Geständnisbegleiter).