Revision im Kachelmann-Verfahren

Die Staatsanwaltschaft Mannheim wird nach Informationen des SWR im Fall Kachelmann Revision einlegen; Staatsanwalt Oskar Gattner soll dies gegenüber dem SWR bestätigt haben.

Angeblich soll aber noch nicht feststehen, ob die Revision dann auch durchgeführt werden wird. Statt dessen will die Staatsanwaltschaft das Gericht dazu veranlassen, eine vollständige schriftliche Urteilsbegründung zu erhalten.

Zu diesem Thema gibt es eine Vorschrift:

Der Staatsanwalt soll ein Rechtsmittel nur einlegen, wenn wesentliche Belange der Allgemeinheit oder der am Verfahren beteiligten Personen es gebieten und wenn das Rechtsmittel aussichtsreich ist.

Diese Norm (Ziff. 147 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)) ist eine Bedienungsanleitung für Richter und Staatsanwälte. Die meisten von ihnen halten diese RiStBV für Vorschriften, die für die Justiz grundsätzlich verbindlich sind. Das ist jedenfalls gängige Ansicht unter den Kundigen.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim scheint eine davon abweichende Meinung zu vertreten. Wenn ich allein an den Schlußvortag der Staatsanwaltschaft denke, entspricht es in jenem Sprengel aber dem Brauch der Strafverfolger, mit Vorschriften und Verfahrens-Rechten, die einen Beschuldigten vor Willkürakten durch die Staatsgewalt schützen sollen, derart umzugehen.

 

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

17 Antworten auf Revision im Kachelmann-Verfahren

  1. 1
    Ben says:

    In unserem Sprengel tritt schon mal ein Oberstaatsanwalt vor die Kamera und kündigt an, im Falle einer Rechtsmitteleinlegung des Angeklagten ein „Mitzieh“-Rechtsmittel einzulegen.

    Das Papier, auf dem die RiStBV gedruckt sind, liegt bei zu vielen Staatsanwaltschaften auf der Toilette aus.

  2. 2
    Ralf Möbius says:

    Nach dem Plädoyer der STA und der kurzen Wochenfrist zur Einlegung der Revision nur folgerichtig. Oder?

      Daß die StA das Urteil der Revision zuführt, war eher wahrscheinlich. Da stimme ich Ihnen zu und das ist erst einmal nicht zu beanstanden. Wenn allerdings den Medien mitgeteilt wird: „Die Staatsanwaltschaft geht diesen Schritt, um eine vollständige schriftliche Urteilsbegründung zu erhalten.“, ist dies in Hinblick auf 147 RiStBV bedenklich.

      Und überhaupt: „Wenn der formale Beschluss dazu aber noch aussteht.“, muß die Frage erlaubt sein, welchem Zweck die Mitteilung an die Medien dienen soll. Aber vielleicht sind die Mannheimer Staatsanwälte auch einfach nur überfordert …

      crh

  3. 3
    klabauter says:

    Ähm, die Frage, ob ein mutmaßlicher Täter einer möglicherweise besonders schweren Vergewaltigung schuldig zu sprechen ist oder nicht, dürfte wohl ein wesentlicher Belang einer am Verfahren beteiligten Person i.S.d. 147 I 1 RiStBV sein (dort steht ein „oder“).
    Das denkbare Argument, die Nebenklägerin könne ja selber Revision einlegen, also liegt kein wesentlicher Belang einer am Verfahren beteiligten Person vor, zieht dabei wohl nicht. Denn dann dürfte die StA bei Freisprüchen in Verfahren mit zulgelassenerr Nebenklage (also auch bei Mord…) nie Revision einlegen (außer in den Fällen 147 II und III RiStBV)..

    Ob das Rechtsmittel aussichtsreich erscheint, zeigt sich häufig erst dann, wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen. Das dürfte auch der Grund für 345 I 2 StPO sein.

    Gleich wieder den „Willkürakt“-Hammer wegen einer etwas vagen Rundfunkmitteilung herauszuholen („will veranlassen, eine vollständige….“?) ist wohl etwas übertrieben, zumal 147 I 1 noch dazu ein „soll“ enthält. Vielleicht haben die Journalisten auch nicht so ganz verstanden, dass die Entscheidung, ob eine Revision als erfolgversprechend angesehen wird, auch von der Qualität der schriftlichen Urteilsgründe abhängt.Und so wie Herr Schwenn sich über die Kammer geäußert hat („erbärmlich“), sieht die StA ja vielleicht Erfolgsaussichten.

  4. 4
    Franz Kafka says:

    Die Welt wäre doch um einiges ärmer, wenn es nicht den Staatsanwälteversteher Klabauter gäbe.

    Interessant wäre die Frage, ob Klabauter bei den Angeklagten, die offenbar selber verfolgt, ebenso lässig ist im Umgang mit Formalien und Vorschriften oder ob er diese nur auf der anderen Seite angwendet wissen möchte.

    Staatsanwälte haben es eben schwer. Sie sollen in alle Richtungen ermitteln und immer objektiv bleiben. Wie gut dies in der Wirklichkeit funktioniert, hat man in Mannheim gut beobachten können. Aber Klabauter wird sicher auch gute Gründe finden, warum der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Grossman Lügen verbreiten darf („auf dem Messer waren DNA-Spuren von Kachelmann“).

  5. 5
    RA Neldner says:

    Es ist m.E. nur konsequent, wenn die StA Revision einlegt. Umdenken und Fehler erkennen ist leider nicht jedem (Staatsanwalt) gegeben. Wenn die Meldung stimmt, ist die Begründung natürlich abenteuerlich.

  6. 6
    klabauter says:

    @F.K.
    Nein,weder Verfolger noch Versteher. Nur nicht jemand, dem immer gleich der Blutdruck steigt und der vom Untergang des Rechtsstaats, katastrophalen Fehlern etc. schwadroniert, wenn in der Presse ein Berichtchen auftaucht, bei dem man nicht weiß, ob der Journalist /sein Redakteur so alles richtig verstanden hat.
    Aber vielleicht erklären Sie doch, worin jetzt genau bei dem Ausgangsthema die „Lässigkeit“ im Umgang mit „Vorschriften und Formalien“ liegen soll, vor der Sie meinen, mich warnen zu müssen und worin genau der Verstoß gegen 147 RiStBV liegt?

    Für Falschmeldungen habe ich entgegen Ihrer Auffassung nur begrenztes Verständnis (sie kommen aber vor. Durch Schlamperei, durch Missverständnisse oder absichtlich). Kachelmann war jedenfalls nach den Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung als Spurenverursacher „nicht auszuschließen“. Machen Sie sich doch mal über google kundig, was das aus wissenschaftlicher Sicht bedeutet.

  7. 7
    Matthias says:

    Die RiStBV werden in der nächsten Auflage dreilagig gedruckt und auf Rollen vertrieben.
    Damit auch ein jeder der Justiz Unterworfenen merkt, welchen Wert dieses Geschreibsel hat.

  8. 8
    Franz Kafka says:

    Klabauter, halten sie es für lauter,
    dass Staatsanwalt Grossmann,
    so einfach lügen kann,
    über Beweise zu DNA-Spuren,
    die gar nicht zu Kachelmann führen?

    SCNR

    Vielleicht machen sie sich auch noch einmal schlau über den Unterschied zwischen „Nachweis“ und „15 von 22 Allele“ bzw. „könnte auch von einem Tier stammen“ bevor sie weiterhin kenntnisfrei andere Menschen belehren.

    Oder anders gesagt: wären auf dem Messer tatsächlich nachweisbare DNA-Spuren von Kachelmann gewesen, säße dieser heute in Haft.

  9. 9
    zingo says:

    Statt dessen will die Staatsanwaltschaft das Gericht dazu veranlassen, eine vollständige schriftliche Urteilsbegründung zu erhalten.

    Verstehe ich nicht. Sollte eine schriftliche Urteilsbegründung nicht immer nach einem Urteilsspruch vom Gericht erstellt werden? Oder geht es nur um eine zeitnahe schriftliche Urteilsbegründung?

      Die (schriftlichen !) Urteilsgründe könnten anders ausfallen, wenn das Gericht „befürchten“ muß, vom Revisionsgericht überprüft zu werden.

      Die Rechtsmittelfrist beträgt eine (1) Woche; die Frist zur Abfassung des Urteils hier mehrere Monate. Wenn kein Rechtsmittel, d.h. keine Überprüfung durch den Bundesgerichtshof (BGH), mehr zu erwarten ist, entfällt für den Urteilsverfasser die „Gefahr“ einer Aufhebung. Dann schreibt es sich einfach entspannter … Wenn das Zitat zutrifft, möchte die Staatsanwaltschaft eben diese Entspannung verhindern. Und solch ein Verhalten gestatte die RiStBV eben nicht. crh

  10. 10
    doppelfish says:

    Wenn’s noch dazu reicht, vor den Kameras zu posieren, kann’s ja mit der Überlastung nicht weit her sein.

  11. 11
    zingo says:

    Danke für die schnelle Antwort.

    Die Rechtsmittelfrist beträgt eine (1) Woche; die Frist zur Abfassung des Urteils hier mehrere Monate.

    Ich hatte mich in der letzten Woche zufällig mal kurz mit dem Thema beschäftigt und in einem Forum gelesen, dass die Revisionsbegründungsfrist erst ab *Zustellung* des Urteils läuft. Daher meine o.g. Frage.

    Ach ja: IANAL.

  12. 12
    Kollege says:

    @zingo:
    Es ist noch zu unterscheiden zwischen der Frist, innerhalb der die Revision erhoben werden kann (1 Woche ab Urteilsverkündung) und der Revisionsbegründungsfrist.
    Der Ablauf ist also so, dass man (hier die StA) zunächst Revision „einlegt“, dann eine schriftliche Urteilsbegründung bekommt und hierauf dann die Revision begründet.

  13. 13
    zingo says:

    @Kollege Thx, jetzt wird mir der o.g. Text klar.

  14. 14
    Andreas says:

    Ergänzend ist wohl noch anzumerken, dass die Urteilsgründe wesentlich kürzer gefasst werden können, wenn niemand innerhalb der Rechtsmittelfrist Revision eingelegt hat (§ 267 Abs. 4 StPO). Das erspart dem Gericht eine Menge Arbeit.

  15. 15

    […] das zeitweise alles beherrschende Theme Kachelmann, und hier, hier, hier und hier, ist nur eine kleine […]

  16. 16
    Hanno Matthes says:

    Es ist dringend geboten der kriminellen Staatsanwaltschaft mit einer Anzeige gem § 344 StGB einhalt zu gebieten, da sie seit Monaten Strafverfolgung gegen einen Unschuldigen auslebt. Sie ist sich sicher, dass ihre Kollegen sich auch die Blöße geben würden eine Strafverfolgung gegen sie nicht einzuleiten, aber im Klagerzwinungsverfahren würden die kriminellen Staatsanwälte alt aussehen…

  17. 17
    Zwerg says:

    Ich versteh das Problem nicht. Die StA hat Verurteilung beantragt. Das Gericht freigesprochen. Die mündliche Begründung hat die StA offenbar nicht überzeugt, dann muss das Gericht das eben aufschreiben, vielleicht ist es dann ja überzeugender. Ist völlig üblich und völlig mit der StPO und der RiStBv in Übereinstimmung.

    P.S.: Bei der RiStBv dürfte es sich auch um eine innerdienstliche Handlungsanweisung handeln, aus der Dritten keine Rechte entstehen.