An ihrer Stirn hat sie ein großes Hämatom. Es werden Fotos gemacht, ein Arzt stellt weitere Verletzungen fest: Schädelprellung, Verstauchung von Handgelenk und Knie, Schleudertrauma, Schürfwunden, Hämatome am Oberarm.
[…]
Was ist passiert am 7. März 2011 auf der Wache? Die Schilderungen weichen stark voneinander ab. Die Frau behauptet, sie sei ohne Grund misshandelt und erniedrigt worden von überforderten Beamten. Die Polizei wiederum wirft der Frau vor, sich Anweisungen widersetzt und sich selbst ihre Verletzung zugefügt zu haben.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Gegen die Frau, eine Dolmetscherin, werde ein Ermittlungsverfahren geführt, heißt es in dem Bericht. Wegen:
- § 133 StGB, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte,
§ 223 StGB, Körperverletzung,
§ 185 StGB, Beleidigung,
§ 258 StGB, Strafvereitelung.
Auch gegen die Polizeibeamten werde ermittelt. In Betracht kommen Straftaten im Amt, wie z.B.
- § 340 StGB, Körperverletzung im Amt.
Zunächst wolle man die Vorwürfe gegen die Frau klären, dann sich mit deren Beschuldigung gegen die Beamten beschäftigen, dies sei üblich.
Immer schön der Reihe nach. Ein Ermittlungsverfahren nach dem anderen. Wenn man dann mit dem Verfahren gegen die Frau fertig ist – zum Beispiel nach Rechtskraft des Urteils des Berufungsgerichts – werden die Verfahren gegen die Polizeibeamten fortgeführt.
Und dann wird alles geklärt sein. Wie üblich.
Man sollte von jeder Vernehmung Videoprotokolle anfertigen. Ich frage mich, was dem entgegensteht. Gute Hardware dürfte mit wenigen hundert Euro pro Vernehmungszimmer zu Buche schlagen, die gesparten Kosten für schneller abgeschlossene Verfahren gegen renitente Verdächtige dürften das schnell aufwiegen. Und als netten Nebeneffekt dürften sich Beamten, die sich gerne mal provozieren lassen, eher etwas zurückhalten.
Soweit ich weiss, ist die Videoprotokollierung in einigen skandinavischen Ländern üblich…
Mit Verfahren gegen Polizisten gibt es immer Besonderheiten. Grundsätzlich gilt aber bei gegenseitigen Körperverletzungen etc.: Sofort und immer als erster zur Polizei. Die StA ermittelt nämlich gegen den Angezeigten als Beschuldigten und führt den Anzeigenerstatter als Geschädigten/Zeugen. Von diesem einmal eingeschlagenen Weg die StA wieder abzubringen, aufgrund des Umstandes, dass es vielleicht genau andersherum gewesen sein könnte, ist nur ganz schwer möglich. Deshalb rate ich immer: „Auch wenn Sie es eigentlich auf sich beruhen lassen wollen, zeigen Sie sofort den Anderen an, sobald Sie es für möglich halten, dass der auch zur Polizei geht“. Ich nenne das „in die Spur setzen“. Die alte Dampflokomotive StA verlässt dasjenige Gleis nämlich kaum noch, auf dem sie einmal losgefahren ist…
@Zyniker: Videoaufnahmen sind auch nur scheinbar objektiv. So kann man den Beschuldigten ja einfach auf dem Klo – auf das er vor der Vernehmung ja ganz bestimmt wollte – schon mal kurz den einen oder anderen Schlag verpassen und ihm erklären, was sich bei einer „falschen“ Aussage anschließt. Der kommt dann – wohl ängstlich – in das Vernehmungzimmer. Und Schwupps sagt die Kamera: „Der wurde nicht mißhandelt. Der wurde nicht eingeschüchtert. Sehr her, auf meinem Video seht ihr die Wahrheit.“
Wenn man über eine Überwachung nachdenkt, dann muss die prozessual begleigtet werden. Nämlich, dass ggf. nicht aufklärbare Verletzungen im Gewahrsam der Polizei als rechtswidrig zugefügt anzusehen sind. Das kann natürlich nicht zu Lasten der einzelnen Beamten im Strafprozess sprechen, da auch für diese die Unschuldvermutung spricht. Wenn aber in Haftungsprozessen plötzlich die Polizei entlastungspflichtig wird, kann das schon eine erhebliche Wirkung haben.
Man kann natürlich auch schlicht jeden kleinsten Winkel der Polizeistation überwachen. Aber dann traut sich ja keiner mehr „anonym“ zur Polizei, weil er Angst hat, dass das Video bei der Youtube-Variante der bösen Buben auftaucht. Anfangen könnte man aber zumindest mit den der Öffentlichkeit üblicherweise nicht zugänglichen Bereichen.
„Geklärt“ wird in Kläranlagen.
http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/beamte-unterliegen-gruppendruck/
@Malte S.:
Verbringen Sie doch mal ein Wochenende auf einem Polizeirevier oder alternativ auch in einem Krankenhaus. Wenn Sie sehen, was dort UNTER ANDEREM für eine Klientel aufläuft (volltrunken, eingekotet etc.) und wie Gewahrsamszellen oder Aufwachzimmer nach Aufenthaltsende aussehen, kommen Sie vielleicht von der zunächst schlau klingenden Idee ab, dass bei Haftungsprozessen generell eine Vermutung dafür bestehen müsste, Verletzungen seien erst im Gewahrsam (ergänze: schuldhaft durch Polizeibeamte) entstanden.
@klabauter: Soweit ich weiß, beruht die Berufswahl unter anderem auf freiwilliger Entscheidung. Gibt unter anderem auch Geld dafür. Einzelne Eingekotete können niemals als Entschuldigung für einzelne Misshandelte herhalten. Die Idee mit der „Beweislastumkehr“ ist natürlich trotzdem quatsch. Unabhängige Ermittlungsstellen müssen her, s. Link o.
@Zyniker
Das heißt allerdings nicht, dass sich die Kamera nicht im Nachhinein unglücklicherweise als Defekt herausstellt, oder das Band vergessen wurde, oder es auf wundersame Weise verschwunden ist, wenn es benötigt wird.
Aber seien wir doch mal realistisch… Wenn es zu Gewalt zwischen Bürgern und Polizisten kommt, wer hat in der Regel „angefangen“?
Es ist unüblich, dass Polizisten grundlos auf Leute einprügeln, dagegen kommt es, vor allem unter Alkoholeinfluss, häufiger dazu, dass sich Menschen gegen Festnahmen wehren.
Somit ist es nur menschlich, dass man erst einmal davon ausgeht, dass die Gewalt nicht von der Polizei ausging… Viele negative Beispiel der letzten Jahre zeigen natürlich, dass dieser erste Gedanke häufig leider nicht stimmt.
Es ist halt schwer ohne Zeugen… Auf der einen Seite Polizisten auf der andere Seite jemand der aufgrund von Fehlverhalten festgenommen wurde… Der letztere ist leider nicht wirklich die Glaubwürdigkeit in Person…
Ich kriege dafür jetzt wahrscheinlich Prügel, aber ich würde mir wirklich wünschen, dass Polizeiopfer ihre eigene Rolle im Geschehen einigermaßen realistisch und selbstkritisch darstellen würden, das erhöht die Glaubwürdigkeit ungemein.
Wenn auf beiden Seiten nur Unschuldslämmer unterwegs sind, wird es natürlich schwierig (und ich bin da wirklich gutwillig).
@Malte und Andere…
Bei uns unterhält das Gewahrsam an einem „guten“ Wochenende lautstärketechnisch das ganze Präsidium, weil volltrunkene I****** rumschreien, gegen die Zellentüren schlagen und treten oder sich ähnlich kreativ die Zeit vertreiben. Man flutet die Zelle und wundert sich, dass dann das Wasser abgestellt wird und andere tolle Späße.
Und ein Teil dieser Helden verletzt sich absichtlich selbst – schlägt z.B. mit dem Kopf gegen die Wand. Teils um es nachher der Polizei anzuhängen, teils um in Krankenhaus und raus aus der Zelle zu kommen. Ich hätte es wahrscheinlich auch nicht geglaubt, bis ich es selbst gesehen habe.
So eine Nacht im Polizeigewahrsam kann durchaus empfehlenswert sein, um mal eine andere Sicht auf die Dinge zu bekommen.
@bnnn Sie holen sich ja schon komische Dolmetscher in’s Revier.
Ich habe mich nur die Aussagen von Malte & Co. bezogen.
Nach der Klärung kommt dann aber ggf. noch die verklärte Erklärung eines Innenministers:
http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/06/21/minister-bietet-richterin-nachhilfe/#comment-483452