Roter Punkt an Tür der Geschäftsstelle

In einer Strafsache beim Amtsgericht Tiergarten habe ich Akteneinsicht beantragt und um Übersendung der Akten an unsere Kanzlei gebeten.

Nicht jede Abteilung dieses Gerichts ist damit überfordert und sendet uns kurzer Hand die Akte zu.

Andere Abteilungen schicken uns per Fax einen computer-generierten Textbaustein („auch ohne Unterschrift gültig“) mit einem Inhalt, der sinngemäß etwa so lautet: Hol Dir das Zeug hier ab, wir haben keinen Bock dazu!

Es gibt eine weitere Variante: Der Richter höchstselbst formuliert diesen Textbaustein zu Fuß.

Drei Tage später sitzt eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle an ihrem Computer und tippt die handschriftliche Verfügung ab, druckt sie aus, beglaubigt sie, gibt die Mitteilung in den Postausgang, damit weitere fleißige Justiz-Mitarbeitermir damit beschäftigt werden, mir das gute Stück mit der Briefpost in die Kanzlei zu schicken.

Nein, für diese selbstgemachte Überforderung habe ich kein Verständnis. Keinen Funken. Und wenn ich in so einem Laden arbeiten müßte, käme auf die Tür zu meinem Raum ein roter Punkt.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz veröffentlicht.

10 Antworten auf Roter Punkt an Tür der Geschäftsstelle

  1. 1
    alter Jakob says:

    Na entweder hat die Geschäftsstelle Zeit die Briefe des Richters abzuschreiben, oder die Akten zu versenden. Beides geht nun wirklich nicht. Und da hat sich der Richter eben so entschieden.

    Aber vielleicht hat die Geschäftsstelle ja jetzt endlich auch einen Textbaustein…

  2. 2
    Hubertus says:

    das kann ja kein normaler mensch am stück lesen. zu schulzeiten hat man wenigstens dafür eine 5- kassiert. richter und ihr halbgötterstatus

  3. 3
    Herbert says:

    Na immerhin ist das Gericht mit der neuesten Literatur ausgestattet. Ein „Kleinknecht“ steht also auf dem Tisch…

    Man muß doch wirklich Verständnis haben, daß Gerichte für manche Dinge einfach keine Zeit haben. Neulich schrieb mir ein Strafvollstreckungsrichter, daß er für die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung nun wirklich keine Zeit habe und diese daher „nie“ (!) durchführe. Das OLG hat ihm den Marsch geblasen, verstanden hat er es nicht…

  4. 4
    -thh says:

    Glückliches Berlin, in dem zwischen dem 28.02. und dem 01.03. drei Tage liegen!

  5. 5
    Tilman says:

    Was mich wundert – eigentlich ist es doch viel stressiger wenn ständig irgendwelche Laufburschen bei der Geschäftsstelle aufschlagen, oder? Das Versenden per Post wäre dagegen mit entsprechenden Aufklebern und einer Anwaltsdatenbank recht einfach und schnell.

    (Siehe auch hier eine skurrile story wie manche Leute wirken:
    http://www.heidrun-jakobs-blog.de/?cat=94 dort „Der gruselige Bote oder die gruselige Botin“)

  6. 6
    Vincent says:

    Kleinknecht, höhö. Alles nichts Neues.

    Bei drei Berufsträgern in der Kanzlei dürften doch ein, zwei Termine pro Woche in der Turmstraße anfallen. Die Kollegen helfen doch gern.

      Na klar. Und anschließend schreibe ich ans Gericht:
      … habe ich Akteneinsicht genommen. Die Akte liegt in unserer Kanzlei zur Abholung bereit. Ich bitte um Verständnis … blabla. Bei einer dreistelligen Anzahl von Straf-Richtern dürfte doch einer dabei sein, der über Kreuzberg nach Moabit fährt; die Kollegen helfen doch gern. crh

    Andere Variante, von mir selbst erlebt: Schicken Sie Ihre Referendare unter dem Ausbildungsgesichtspunkt im-Labyrinth-der-Berliner-Justiz-zurechtfinden.

      Wir bilden unser Referendare zu Strafverteidigern aus. Nicht zu Aktenschiebern. crh
  7. 7
    code says:

    Sie haben ja krasse Aktenzeichen, Herr Hoenig (1Oc11035/nOO177-10). Hat das irgendeinen rationalen Grund?

      Ja. Es sind zwei miteinander verknüpfte „Zählsysteme“, denen wir den Anwalt, die Mitarbeiterin, das Dezernat und ein wenig Statistik entnehmen können. crh
  8. 8
    Lolo says:

    Jetzt ist es passiert, der After ist mir geplatzt.

  9. 9
  10. 10
    Michael says:

    Ist das jetzt vom Richter erlaubt? Muss ein Anwalt etwa die Akte jedesmal selbst abholen? Das kann doch nicht wahr sein??!! Hat dagegen noch nie jemand geklagt?