Steuerstrafverfahren? Mir doch egal!

Der Mandant war ziemlich umtriebig. Ihm gehörten ein paar Gesellschaften, mit denen er eigentlich gutes Geld verdient hat. Aber irgendwas störte die Staatsanwaltschaft daran.

Deswegen besuchte man ihn – das heißt: etwa 20 Polizeibeamte und der Staatsanwalt schauten sich in seinen Unternehmen um.

Und weil man gerade schon ‚mal da war und ohnehin noch Kapazitäten frei hatte, nahm man alles mit, was nicht bei drei auf dem Baum war – insbesondere die gesamte Datenverarbeitung inklusive aller Mauspads und das in Leitzordnern sorgfältig abgeheftete Papier.

Auf den Rechnern und in den Ordnern fanden sich dann auch nützliche Hinweise auf die Bankverbindungen, um die üblichen Finanzermittlungen durchführen zu können. Am Ende standen dann die Arreste und Pfändungen sämtlicher Bankkonten und der darauf befindlichen Guthaben.

Und weil ein Mensch ohne Buchführung und Bankkonten ohnehin kein vollwertiger Mensch mehr ist, zog die Staatsanwaltschaft in einer Art kollusivem Zusammenwirken mit dem Haftrichter auch noch den Mandanten aus dem Verkehr. Untergebracht in staatlicher Obhut mußte er sich fortan nicht mehr selbst um seine Mahlzeiten kümmern, freundliche Wachtmeister servieren ihm das Frühstück morgens im Zimmer.

Der Mann sitzt nun  ohne Buchhaltung, ohne EDV und abgeschirmt vom üblichen Publikums- und Briefverkehr im Knast.

Es hat ein paar Wochen gedauert, bis sich das auch bei der zuständigen Finanzverwaltung herumgesprochen hat. Nicht nur die Familie, sondern auch die Finanzbeamten haben den Mandanten vermißt. Naja, weniger den Mandanten. Es waren die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen und Vorauszahlungen, die seit der Hausdurchsuchung, der Beschlagnahme der Buchhaltung, der Arrestierung der Kontenguthaben und der Verhaftung ausblieben.

Und wenn Steuern nicht rechtzeitig bezahlt und die Steuererklärungen nicht abgeben werden, dann liegt natürlich auch der Verdacht auf der Hand, daß man es mit einem böswilligen Steuerhinterzieher zu tun hat. Was liegt also näher, als gegen den Steuerflüchtling deswegen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Vergangene Woche erhielt der Mandant Post. Die zuvorkommende Straf- und Bußgeldstelle teilte ihm mit, daß man ihm nun Gelegenheit zur Stellungnahme gäbe. Und er möge doch bitte seinen Pflichten als Steuerpflichtiger nachkommen, die Steuererklärungen abgeben und die Vorauszahlungen leisten. Die Höhe der zu zahlenden Steuern hat man dann auch gleich geschätzt, irgendwas hoch im sechsstelligen Bereich.

Es gibt Momente im Leben eines Menschen, da gehen einem solche Briefe des Finanzamts am Heck vorbei. Ich kann das sehr gut nachvollziehen.

 

Dieser Beitrag wurde unter Behörden, Knast, Strafrecht veröffentlicht.

15 Antworten auf Steuerstrafverfahren? Mir doch egal!

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    taxman says:

    Was ist jetzt falsch?

    Wenn der Mandant, zB durch angestellte Mitarbeiter, weiter Geschäfte macht, muss er auch Umsatzsteuervorauszahlungen leisten.

      Sowas nennt der Jurastudent „Sachverhaltsquetsche“. Ich kann in meinem Beitrag keine Mitarbeiter erkennen.

    Und wenn er bis auf weiteres keine Geschäfte mehr macht, weil er im Knast sitzt, werden die entsprechenden Bescheide eben geändert bzw. aufgehoben. Dafür, um das dem Finanzamt mal eben mitzuteilen, braucht man keine EDV und keine Buchhaltung.

      Ok, Ergänzung, extra für den Steuerrechtler: Die Staatsanwaltschaft und die StraBu Finanzverwaltung kuscheln in dieser Sache seit langer Zeit miteinander. Die Steueramtspost wurde dem Mandanten in den Knast geschickt (das steht aber drin, oben im Sachverhalt, jedenfalls für die Lesenden/Verstehenden). crh

  2. 2
    fernetpunker says:

    Was der ursprüngliche strafrechtliche Vorwurf war, könnten Sie aber noch sagen, Herr Hoenig.

  3. 3
    fernetpunker says:

    PS: Lassen Sie mich raten: ein Abofallenbetreiber…?

  4. 4
    ???? says:

    Ích habe so etwas ähnliches als kleine Mitarbeiterin (Firmenvertreterin) als alleinerziehende Mutter erlebt. Es mag für den vielleicht kinderlosen, gutverdienenden Advokaten lustig sein, aber nicht für die Leute in solch einer Firma.

    Wir hatten mehrere Monate kein Geld bekommen. Ich hatte als Außendienstvertreterin noch Kunden besucht, ein Fahrzeug täglich aufgetankt, Spesen verursacht. Die Waren wurden gar nicht mehr ausgeliefert. Die Provision war sozusagen im Ar***, aber die Spesen-Außenstände läpperten sich auch. Dann war die Kriminalpolizei in der Firma, transportierte alles mit dem LKW ab.

    Wir hatten keine Kündigung, keine Lohnsteuerkarte, gar nichts. Das Arbeitsamt hielt mich hin. Ein Konkursverwalter quengelte, man solle Abtretungserklärungen und Vergleich sofort unterzeichnen, das würde Jobs retten, ansonsten keine Kohle. Eine Rechtsanwältin wollte von mir auch noch einmal Geld sehen.

    Um es kurz zu machen, die Firma schuldete mir aus Provisionen, Gehalt, Reisespesen und Urlaubsgeld knapp 12.000 Mark (neunziger Jahre). Einer alleinerziehenden Mutter fehlt diese Summe, einem Bundeskanzler oder Zahnarzt nicht. Nach ewigem hin und her bekam ich vom Konkursverwalter ungefähr die Hälfte. Das andere war futsch.

    Absurd war das, was sich dann im Arbeitsamt abspielte. Wo ist die Lohnsteuerkarte? Wo ist die Kündigung? Mitwirkungspflicht!!!!

    Ich schickte Zeitungsinserate über den Firmenzusammenbruch, die Veruntreuung von Fördergeldern in Millionenhöhe und die Tatsache, dass der Chef verhaftet sei. Dann drückte mir das Arbeitsamt Formulare für Konkursausfallgeld in die Hand. Das heutige Insolvenzrecht gab es noch nicht. Damals gab es noch nicht einmal das SGB III.

    Ich prozessierte – und musste mich nach 15 Jahren mit einem Teilergebnis und mehreren entnervten Anwälten zufrieden geben.

    PS. Darf man arbeitsrechtlich gesehen seinen Chef in der JVA besuchen? Darf man den Gefängnisdirektor bitten, dass der Chef ein Zeugnis schreibt?

  5. 5
    eborn says:

    Das steuerrechtliche Ermittlungsverfahren dürfte -wenn es sich nur um die Nichtabgabe von Steuerklärungen handelt- sein kleinstes Problem sein.

  6. 6
    Matthias says:

    Ist doch gar nicht so schlecht.
    Dem Finanzamt mal eben mitteilen, wo das Geld ist.
    Wenn die es sich geholt haben, dann gibt man mal eine korrigierte Umsatzsteueranmeldung ab, und bittet um Überweisung der Guthabens auf sein Konto auf den Caimaninseln.
    Diese Form der Geldwäsche soll nicht strafbar sein.
    Jedenfalls lehnete ein STA ein Ermittlunsgverfahren in einem ähnlichen Fall ab.

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    Käptn Blaumeise says:

    Ob der Beitrag ähnlich lakonisch geworden wäre, hätte der Mandant sein „eigentlich“ gutes Geld mit Gewinnanrufen im Namen von Anwälten „verdient“?

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    max says:

    Ausnahmsweise leider nicht, Herr Hoenig.

    Die Finanzverwaltung ist in etwa so aufgebaut, wie die AO. Die einen ermitteln und setzen die Steuer fest (Festsetzungsplatz) (§§ 85 ff AO), die anderen erheben die Steuer (§§ 220 AO) bzw. treiben diese durch Zwang bei (§§ 249 AO), dann sind da noch Rechtsbehelfsstelle (§§ 347 ff. AO) und die Fahndungsämter (als BuStra und Steufa, §§ 370 ff. AO). In diesem Falle wäre es natürlich verwerflich, wenn die BuStra das Verfahren wegen Nichtabgabe der Voranmeldungen nicht sofort wieder nach § 170 Abs. 2 StPO einstellen würde, da sie Kenntnis hat, dass die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerhinterziehung hier nicht gegeben sind.

    Was für den außenstehenden etwas kurios anmutet ist nichts weiter als das Prinzip der Spezialisierung. Jeder soll sich auf seinem Spezialgebiet weiterentwickeln und eben nicht alles – von der Festsetzung bis zur Erhebung der Steuer oder den Rechtsstreit hierrüber – machen.

    Dabei entstehen bedauerlicherweise ziemlich große Reibungsverluste. Gerade BuStra oder StraBu und Steufa sind geradezu abgekoppelt von der Finanzverwaltung, da die Finanzämter im Besteuerungsverfahren aufgrund von Mitwirkungspflichten agieren, die Fahndungsämter aber auf Basis von strafprozessualen Maßnahmen agieren (i.d.R.- lassen wir mal § 208 AO außer Acht).

    Die Behörden oder Stellen sind nur noch über das Wort -verwaltung miteinander verbunden; das IST ein Problem. Voranmeldungen sind abzugeben und werden diese nicht abgegeben, dann greift §§ 370, 379 oder 380 AO. Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit im Prinzip – mangels besseren Wissen des Festsetzungsplatzes – möglich. Verfahrenseinleitung erforderlich! Nun ist es an der BuStra alles weitere zu veranlassen.

    Sie schreiben „Staatsanwaltschaft und die StraBu kuscheln in dieser Sache seit langer Zeit miteinander.“

      Ich korrigiere, nachdem ich Ihre Erläuterungen gelesen habe:
      „Staatsanwaltschaft und Finanzverwaltung (nicht: StraBu) kuscheln …“. crh

    Das ist ein Widerspruch zu den vorherigen Angaben, nach denen die Polizei durchsucht hat. § 30 AO würde – ohne staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsauftrag – die Zusammenarbeit von StraBu und Polizei verbieten. Zumal die StA die StraBu nicht hinzuziehen würde, außer es liegt ein Fall von § 370 AO vor, dann und nur dann darf die StraBu nach §§ 399, 403 AO zum Verfahren hinzutreten.

    Es müsste demnach – soweit Strabu und StA gekuschelt haben – bereits zuvor ein Verfahren wegen Verdacht der Steuerhinterziehung gegeben haben. Demnach wäre das rechtliche Gehör möglicherweise leicht zu gewähren.

    Unter Vorlage der Beschlagnahmeprotokolle, des Haftbefehls und/oder der Arrestbeschlüsse (steuerlicher oder strafrechtlicher Arrest??) sowie des DS-Protokolls wäre es Ihnen oder Ihrem Mandanten ein Leichtes gewesen, die Finanzverwaltung ruhig zu stellen, z.B. durch Einspruch gegen die Schätzungsbescheide in Verbindung mit Aussetzung der Vollziehung (§§ 347, 361 AO), oder Stundung (§ 222 AO) hilfsweise auch Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) oder einfach mal nen Verweis an die Strafsache der StraBu.

    Damit würde – zum einen die Steuerverwaltung ruhig gestellt – und zum anderen ein gewisses fehlendes Informationsbedürfnis des zuständigen Sachbearbeiters gestillt. Ich selbst verwalte ca. 2.000 Steuerfälle. Nimmt die StraBu Ermittlungen auf, von Zoll oder Polizei ganz zu schweigen, kriege ich damit im Regelfalle bis zur Einstellung oder Strafmitteilung bzw. steuerlichen Bericht der Steufa nichts mit. Manchmal hilft auch ein einfaches Telefonat mit dem zuständigen Sb. – und ich versichere Ihnen auch wenn ich beim Finanzamt arbeite, so habe ich doch ein Herz und Hirn und helfe den GEMEINSAMEN Missstand aus der Welt zu räumen!!!

  11. 11

    @max:

    Besten Dank für diesen ausführlichen Rundgang durchs Finanzamt. Das Problem meines Mandanten ist nur etwas erklärlicher. (Das meine ich jetzt ernst!)

    Gestatten Sie eine Gegenfrage:

    Wenn man Sie *jetzt* und dort, wo Sie gerade sitzen, aus dem prallen Leben pflückt, sie in eine Zelle steckt und Sie nicht wissen, was wann und wie lange mit Ihnen geschieht, Sie Ihre Familie nur alle 14 Tage sehen und unter den Augen eines Wachtmeister 30 Minuten mit ihr sprechen dürfen.

    Glauben Sie wirklich, Sie (ok, Sie sind Finanzbeamter, da kann ich mir das vorstellen; aber stellen Sie sich vor, Sie sind ein Nicht-Finanzbeamten ) würden in dieser Situation an Einspruch, AdV, Vollstreckungsaufschub oder an sonstiges aus dieser Richtung denken? Im Läbetaach nich!

    Das mit dem Telefonat nehme ich gern und dankend als bestätigenden Hinweis eines Insiders entgegen; Telefonate sind im Standard-Repertoire eines jeden Strafverteidigers enthalten.

    Aber erst einmal schaue ich in die Ermittlungsakte. Immer schön der Reihe nach.

  12. 12
    max says:

    Herr Hoenig,

    ich gebe Ihnen in allem was Sie schreiben Recht. Klar, Finanzverwaltung ist in diesen Fällen doch subsidiär. Dafür habe ich Verständnis. Ehrlich gesagt, war es mein Anliegen bei Ihnen auch etwas um Verständnis für meine Arbeit zu werben.

    Unter Garantie wäre das letzte woran ich in dieser Ausnahmesituation denken würde, einen Einspruch beim Finanzamt zu stellen. Dafür – und das meine ich jetzt augenzwinkernd ernst – habe ich einen guten Strafverteidiger. Als Anwalt sollten Sie halt nicht nur das Gespräch mit Staatsanwaltschaft, Steufa, BuStra oder Polizei sondern auch mit dem Sachbearbeiter auf dem Festsetzungsplatz suchen.

    In solch einem Falle hätte ICH – und ich weiß es gibt auch andere Kollegen – den Kontakt zum Staatsanwalt und Fahnder gesucht, mir ein Bild gemacht etc. Unter Garantie hätte ich das weitere Schätzen unterlassen, das ist auch nicht Sinn und Zweck der Schätzerei und mindestens die Vollstreckungsstelle unterrichtet.

    Natürlich ist problematisch, dass da zig Leute dran beteiligt sind, vom Wachtmeister der Justiz bis zum Sachbearbeiter Vollstreckung im Finanzamt. Gerade deswegen ist ein GUTER Informationsfluss wichtig. Als (ehemaliger) Fahnder darf ich hier auch auf die absurden und bisweilen komischen Anekdoten des Frank Wehrheim (Inside Steuerfahndung – reißerischer Titel, dennoch sehr zu empfehlen) verweisen. Gerade die Finanzverwaltung weiß mit Haftsachen nicht richtig umzugehen.

    Es ist eine Ausnahmesituation in die Ihr Mandant gedrängt wird. Ich selbst bin kein Freund von Haft, das macht das gesamte Verfahren ungemein kompliziert. Ich weiß allerdings auch zu berichten, dass Beschuldigte bzw. Steuerschuldner „stiften“ gegangen sind oder aus dem Land ausreisten und sowohl Strafen nicht verhängt und Steuern nicht festgesetzt/beigetrieben werden konnten. Insofern verabscheute ich Haftverfahren immer genauso sehr, wie ich auch ihren (steuerlichen) Mehrwert zu erkennen glaubte. Und ich bitte dies jetzt nicht falsch zu verstehen, Recht und Gesetz sind für mich oberste Leitlinie meines gesamten behördlichen Handelns (gewesen).

    Tatsächlich sind mir Steuerberater / Rechtsanwälte schon aus Praktikabilitätsgründen die Liebsten, die das Gespräch suchen. Bietet man mir einen alten Knochen, dann bin ich wie ein Hund, der daran herumnagt. Kommt jedoch der sprichwörtliche Knochen nciht, dann nutze ich die Mittel der AO, z.B. §§ 162 AO, 328 AO, §§ 88, 90, 93, 96, 97 AO um meine Vorgaben zu erfüllen.

    Ich weiß nicht, wie Anwälte konkret arbeiten, deswegen lese ich viele Jurablogs um mir einen Überblick zu verschaffen. Das Wissen um das Vorgehen des jeweiligen Gegenübers schafft Verständnis und kann helfen Missverständnis abzubauen. Mithin wäre jedoch in jedem Fall auch mein erster Blick in die Ermittlungsakten. In umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen sollte jedoch der regelmäßige Kontakt mit dem Finanzamt (neben den Gesprächen mit StA, BuStra, Steufa, Gerichten) nicht aus den Augen verloren werden, zunächst wollte ich fast obligatorisch schreiben ;-)

    Zuletzt sollte mindestens wenn ein steuerlicher Arrest, d.h. ein Arrest nach der AO, ausgesprochen wird, das Finanzamt welches den arrestierten Betrag innehat in den Verteiler der Schriftsätze aufgenommen werden.

  13. 13
    Warznold Scharenegger says:

    Sehr geehrter Herr Hoenig,

    ich weiß: Sie halten mich für einen Troll.

      Ja.

    Aber was schreibe ich… Diesen Kommentar werden sie wohl auch löschen.

      Größtenteils, ja. crh
  14. 14
  15. 15
    Jörg says:

    Wenn man die Artkel des Norddeutschen Rundfunks liest, dann war der Mandant wohl etwas umtriebiger als nur ein paar Gesellschaften zu gründen. Jedenfalls hat sich die Staatsanwaltschaft wohl am Betrugsmodell gestört.