Tagebuch aus der U-Haft

Der Mandant sitzt seit zwei Wochen in der Untersuchungshaftanstalt. Vorher wurde er zwei Wochen durch die Gegend geschaukelt. Er hat kein Radio, keinen Fernseher, keine Uhr. Drei Leitzordner mit Kopien der Ermittlungsakten. Das war’s dann aber schon.

Der Mandant führt Tagebuch. Samstag und Sonntag:

  • Tagesanbruch: Aufwachen. Warten. Wände angucken.
  • 06:00 Uhr Frühstück. Danach Decke angucken.
  • 11:00 Uhr Mittagessen: Danach Fußboden angucken.
  • 17:00 Uhr Abendessen: Danach Wände angucken.
  • Nachtanbruch: Irgendwie Einschlafen.

Montags bis freitags gibt’s eine Abwechselung: Nachmittags eine Stunde Hofgang.

Sonst passiert da rein gar nichts.

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

14 Antworten auf Tagebuch aus der U-Haft

  1. 1
    Kampfschmuser says:

    Die wollen ein Geständnis. ;)

  2. 2

    Man könnte noch ergänzen, dass diese Form der Versinnlosung des Lebens den Staat pro Tag etwa EUR 450,00 kostet.

  3. 3
    Udo Bauer says:

    Da könnte ich ja fast neidisch werden…

  4. 4
    Martin says:

    Gibt es nicht sowas wie eine Knast-Bibliothek?

  5. 5
    Rasti says:

    Gibt es nicht sowas wie eine Knast-Bibliothek?

    Das wollte ich auch fragen…

  6. 6
    Herr T. says:

    Woher kennt er denn ohne Uhr die genaue Zeit?

  7. 7
    Kampfschmuser says:

    @Herr T.
    Die Essenszeiten sind nicht variabel. ;)

  8. 8
    Andreas says:

    Hat man nicht juristisch ein paar Möglichkeiten, sich die U-Haft etwas netter zu gestalten als die Strafhaft? Ich dachte man könnte sich – jedenfalls auf eigene Kosten – einen Fernseher, Zeitschriften und Bücher kommen lassen. Außerdem hat mir ein StA in der Stations-AG mal gesagt, man könne sich in der U-Haft auch eigenes Essen anliefern lassen.

  9. 9
    JLloyd says:

    So steht es zwar im Gesetz, wird aber durch Verwaltungsvorschriften, gegen welche aufgrund der Haftsituation kein effektiver Rechtsschutz besteht, aufgehoben bzw. ins Gegenteil verkehrt.

  10. 10
    PH says:

    wird es nicht als Folter genutzt, einer Person das Zeitgefühl zu nehmen oder ist es noch ausreichend, wenn er Tag und Nacht unterscheiden kann?

    mich wundert es aber auch, dass in der Strafhaft Fernseher, etc. zulässig sind und in der U-Haft keine Möglichkeit der Beschaffung / Stellung bestehen soll. Aber ich kenn mich mit den Gefängnissituationen nicht so aus.

  11. 11
    Donnerkatze says:

    DREI Ordner Ermittlungsakte!
    Und da kommt Langeweile auf?
    Das Lesen dieser Akte bringt den Kreislauf in Schwung,
    besser als jeder Hofgang.
    Erfahrungsgemäß lohnt es sich GENAU und quer zu lesen,
    insbesondere die Chronologie nachzuvollziehen.
    In den meisten Fällen sollte dem Leser sich ein Aha-Erlebnis einstellen.
    Daten und Fakten müssen übereinstimmen.
    Auch ohne, daß man selbst Rechtswissenschaften studiert hat, wird man fündig und findet fragliche Aspekte oder falsche Sachverhalte/Darlegungen.
    Also Langeweile?…
    Die Zeit kann man doch sinnvoll zur Verteidigung nutzen.
    Übrigens U-Haft muß nicht immer in einer Zelle stattfinden. Manchmal langt es bereits schwere Vorwürfe vor den Latz geknallt zu bekommen und ist dadurch im eigenen Leben und Wohnung gefangen. Das dauert dann länger als U-Haft und ist fast genauso mies. Daher die Erkenntnis, daß das GENAUE Lesen der Akten, den Weg in die Freiheit bedeuten kann.

  12. 12
    Dr. Nozar says:

    Das ist die Praxis und offenbar der Grund dafür, dass wir Verteidiger gerade aus der UHaft heraus mit Mandantenschreiben bombadiert werden. Jeden Tag ein neues Schreiben von UHäftlingen ist nichts Ungewöhnliches. Der Grund ist klar. Das geht an die Substanz und hat mit Humanität nix zu tun. Jeder der das bezweifelt, war noch nie in einer solchen Situation.

  13. 13
    Arno Nühm says:

    Dann hoffen wir mal, dass es nicht zu lange dauert für ihren Mandanten.
    In München hält so ein Zustand dann gern mal 1-2 Jahre an. Leider hat man in der U-Haft auch wenig Chancen auf einen Job, wenn absehbar ist, dass die Verhandlung sich über Jahre zieht und viele Verhandlungen anstehen werden.

  14. 14
    Lachgummi says:

    Es wird schon keinen Falschen treffen, gerade als Mandant von RA Hoenig.