Der Mandant sitzt in der Untersuchungshaft. Nach § 119 StPO ist sein „Schrift- und Paketverkehr zu überwachen“. Dieser Postkontrolle unterliegt aber nicht die Verteidigerpost.
Ich hatte dem Mandanten einen längeren Brief geschrieben. Daß ich der Verteidiger des Untersuchungsgefangenen bin, ist in der Haftanstalt bekannt. Auf der Vorderseite des Briefes war zu erkennen, daß der Brief von unserer Kanzlei stammt. Zusätzlich trägt der Umschlag vorn einen roten Stempelabdruck:
VERTEIDIGERPOST
Gut, ich weiß, daß man das schon mal in der Eile übersehen kann. Deswegen gibt es den selben Stempel nochmal auf der Rückseite.
Trotzdem, es steht morgens früh irgendwo immer einer auf, der Tomaten auf den Augen hat. Dann passiert sowas hier:
Es handelt sich um einen sehr erfahrenen Richter. Ich glaube ihm, daß er die Post nicht gelesen hat.
Ein komisches Gefühl habe ich gleichwohl, auch wenn ich schon vorher wußte, daß man vertrauliche (vulgo: „gefährliche“) Informationen nicht mit der Post in den Knast schicken sollte.
Nur um das zu verstehen: Wird die Post tatsächlich vom Richter geöffnet? Ich ging spontan eher davon aus, dass dies die Justizvollzugsbeamten übernehmen. (Oder gibt’s da einen Unterschied, da es sich hier um einen U-Häftling handelt?)
Okay, Kommando zurück. Wenn § 119 schon verlinkt ist, sollte man ihn auch lesen. ;)
Aber immerhin eine Entschuldigung, dass war nicht zu erwarten.
Ohne § 119 StPO auch für den Richter § 202 StGB. Da rettet nur § 15 StGB.
Und wie wird sichergestellt, dass der Absender wirklich der Absender ist? Es könnte doch auch Knastbruder Karl auf seine Briefe einfach „Verteidigerpost“ schreiben und ihre Kanzlei als Absender?
Trotzdem Respekt für den Richter, den Fehler offen zuzugeben, auch wenn bei Ihnen jetzt sicherlich immer noch das komische Gefühl vorherrscht. Da wir in Deutschland aber keine gute Fehlerkultur haben, ist es um so erstaunlicher, dass sich mal einer bekennt.
@Lexus: genau. Das haben die Inhaftierten im Saarland und in der Pfalz schnell rausgefunden. Daher werden die eingehenden Verteidigerpostschreiben mit einem Spezial – Locher „gelocht“. Durch den Umschlag. Damit war klar, dass der Umschlag rein kam aber nicht mehr raus kommt.
@Dr. Noza(r?):
Ich denke, Lexus meint nicht das Recyceln einmal verwendeter echter Verteidigerbriefumschläge, sondern dass sich eventuell Hinz und Kunz solche Umschläge mit einem schönen Kanzleilogo bedruckt, aus dem Kinderpostspielkasten einen Stempel „Veteidigerpost“ bastelt, aufstempelt und so die Postkontrolle umgeht.
@klabauter: also wenn ein Briefumschlag mit bedrucktem Kanzleilogo und Stempel „Verteidigerpost“ ankommt, sürfte klar sein, dass es sich um eine Fälschung handelt, welcher Anwalt macht denn sowas?;-)
Wenn das öfters vorkommt, würde ich noch rotes Isolierband über die obere Briefkante kleben. Dann kann der Brief nicht so leicht aufgeschlitzt werden.