Unter einem Gastbeitrag, den ich für das law blog geschrieben habe, fand sich eine Beschwerde von „rura“ ein:
Zensur im lawblog! Mein Kommentar wurde gelöscht! Da scheine ich wohl den Nerv getroffen zu haben…
In mehreren (Gast-)Beiträgen hatte ich als Aushilfsblogger aus einem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg berichtet, in dem ich derzeit einen der Angeklagten verteidige. Man wirft den acht Angeklagten vor, eine sogenannte „Abofalle“ betrieben zu haben. Es gefiel diesem Kommentator nicht, daß der Angeklagte, also mein Mandant, engagiert verteidigt wird.
Den „gelöschten“ Kommentar habe ich aus dem Netz genommen, den Kommentator angeschrieben und ihn gefragt, ob er mir seinen Kommentar nicht auch noch einmal per eMail schicken möchte. Leider hat er auf diese eMail noch nicht reagiert. Aber vielleicht kommt das ja noch, später, wenn er dazu noch einmal die Gelegenheit erhält.
Viele Kommentare unter den Beiträgen im Law Blog drücken Unmut aus, manche mehr, manche weniger geschickt formuliert. Die Aufgaben eines Strafverteidigers in einem rechtsstaatlich geführten Strafverfahren ist nicht für jeden gleich nachvollziehbar. Das ist ja auch verständlich, viele Verfahren wecken starke Emotionen, die nach schnellen Reaktionen verlangen. Dieser Effekt ist in zivilisierten Kreisen bekannt und gefürchtet.
Manche Alternativ-Vorschläge „kritischer“ Lawblog-Leser kenne ich aus alten Western und aus meiner Beschäftigung mit der deutschen Justiz-Geschichte. Offenbar hatte sich dieser „rura“ auch ein wenig mit der Justiz der vergangenen Zeiten auseinander gesetzt:
Sie sind also der Meinung die Nutzlosbranche braucht Ihre Verteidigung? […] „Sie sind ja ein gemeingefährlicher niedriger Lump“ schrieh Ihr „Kollege“ Freisler vor über 70 Jahren. Dem möchte ich mich anschliessen.
Es ist noch ein gutes Stück Aufklärungsarbeit zu leisten, um einer verirrten Seele wie diesem „rura“ zu erklären, was passiert, wenn man das zulassen würde, was er und seine Co-Autoren in den Blog-Kommentaren und Forenbeiträgen vorschlagen.
Anmerkung:
Roland Freisler (Bild Mitte) war ab vom 20. August 1942 bis 3. Februar 1945 Präsident des Volksgerichtshofs. In dem Saal, in dem der von rura zitierte Anwurf des „Richters“ fiel, habe ich während meiner Ausbildung Klausuren geschrieben.
Dann ist der Vergleich mit Freisler ja doch nicht völlig abwegig.
Ich mag ihre Beiträge. Das lawblog ist seit Ihrer Aushilfstätigkeit sehr viel interessanter geworden. Vor allem auch in den Kommentaren. Aus der Entfernung sind menschliche Abgründe durchaus etwas interessantes.
Das ist keine „Zensur“, weil es kein staatlicher Eingriff ist und die Löschung des Kommentars nicht mit dem Ziel stattfindet, die Verbreitung der Meinung überhaupt zu verhindern.
Der Kommentator kann seinen Kommentar auf anderen Seiten und notfalls auf einem von ihm selbst einzurichtenden Blog zum Besten geben. Niemand kann Sie zwingen, dies in Ihrem (oder dem zeitweilig von Ihnen verwalteten) Blog zu tun. Genausowenig wie ich in Ihrem Wohnzimmer eine Rede halten darf und mich gegen den Rauswurf mit dem Argument verteidigen kann, daß dies meine Meinungsäußerungsfreiheit verletze.
Wer sich eine Aussage von Freisler zu eigen macht, hat sich in einer ernsthaften Diskussion schon selber disqualifiziert.
Ansonsten schließe ich mich rr an ;)
Godwin’s law
Es wird immer einige Unbelehrbare geben, die eine rechtsstaatliche Justiz nicht verstehen oder verstehen wollen. Für alle anderen gibt es Juristen-Blogs, die die Justiz und die Rollen ihrer Protagonisten erklären und veranschaulichen. Eine neue und gute Art von Öffentlichkeit für die Justiz, deren Öffentlichkeit sich in Vor-Internetzeiten allein aufs Zuhören und auf die Berichte fachkundige Gerichtsreporter beschränkte.
Treffer und versenkt. Sauber :)
Susanne, ich stimme fast uneingeschränkt zu.
Problematisch ist allenfalls, dass die Gattung der Verteidiger in den JuraBlogs weit überwiegt. Justiz, Polizei und Staatsanwaltschaft halten sich hier wegen Befangenheitsprobleme und Amtsgeheimnis etc. weit zurück. Insoweit entsteht auch ein Stückweit Zerrbild der Justiz.
Noch eine Anmerkung:
Roland Freisler war Präsident des Volksgerichtshofs. Er kam kriegs- nicht verurteilungsbedingt ums Leben. Seine Witwe erhielt die Witwenpension entsprechend seinem Dienstgrad und lebte gut davon.
Wäre er am Leben geblieben und hätte der erste Strafsensat des OLG Naumburg über seine Schuld zu entscheiden gehabt, wäre er wohl als Mitglied eines Spruchkörpers von jeder persönlichen Schuld frei gesprochen worden.
Unbegreiflich, wie man hier noch von Rechtsstaat sprechen kann.
Ja, Jörg, Du hast Recht: Schade, dass Staatsanwälte und Richter noch zu zurückhaltend sind. Vielleicht haben sie Angst, sich Befangenheitsvorwürfe einzuhandeln. Außerdem habe ich bei angestellten Juristen oft wenig Innovationsfreude hinsichtlich neuer Medien festgestellt. Aber das mag sich ja noch ändern.
In der Sache hätte ich wie Sie verfahren.
Ich frage mich allerdings, ob nicht Richter und Staatsanwälte in Strafverfahren ein wenig dazu beitragen, dass Stammtischmeinungen Nahrung erhalten. Im Kopf habe ich dabei zum Beispiel das „Recht zu Schweigen“. Und dies nur exemplarisch genannt.
Besonders gut kann man -mMn- die Diskussion um ein rechtstaatliches Verfahren im Fall Magnus Gäfgen nachlesen. Ich halte dieses Verfahren für ein Lehrstück dafür, dass eben auch verurteilte Mörder Rechte haben.
@Matthias: „Wäre er am Leben geblieben“ wär er sicher nicht in Naumburg sondern in Nürnberg vor Gericht gestellt worden. Kann man ja leicht verwechseln, Naumburg und Nürnberg.
ZurückzumThema:
Sie sind also wirklich der Meinung Abofallenbetreiber brauchen einen Verteidiger – und nicht etwa 100 Peitschenhiebe? Oder sind die 100 Peitschenhiebe eher den Reingefallenen zu empfehlen, ob ihrer Dummheit?
#k.
@Kand.in.Sky:
Was ich mich bei Kommentaren, wie dem von Ihnen, frage, ist doch, wo wir denn die Grenzen ziehen möchten. Es gibt ein Beispiel eines Falles, in dem eine Mutter beschuldigt wurde, ihre Kinder getötet zu haben. Nach 12 Jahren hat sich herausgestellt, es war der Vater, der die Indizien so geschickt gedreht hat, dass es auf die Mutter fiel.
Diese Frau hat ihre Unschuld unter anderem deswegen beweisen können, weil ein engagierter Verteidiger nicht locker gelassen hat und hier reden wir eben nicht über eine Abofalle, sondern über Kindesmord.
Sie werden mir sicher zustimmen, dass eine der ersten Reaktionen der meisten Menschen wäre: Es sieht so aus, als wäre sie es gewesen, also hängt sie auf. Das ist bei solch einem Delikt auch mehr als verständlich.
Was ich damit sagen will? Jeder hat das Recht auf Verteidigung. Das unterscheidet dieses Land von Regimen, in denen Leute an die Wand gestellt und erschossen werden, nur weil sie sich in den Augen der Machthaber oder der geltenden öffentlichen Meinung niederträchtig verhalten haben.
Würden wir in diesem Lande Selbstjustiz zulassen, wo ziehen wir denn da dann die Grenze? Ab wann darf denn für Sie jemand nicht mehr verteidigt werden? Wenn er eine Abofalle betreibt? Wenn er einen Menschen erschlagen hat? Oder wenn er aus Ihrem Garten eine Birne gestohlen hat vom Baum?
Sehen Sie das ganze Geschehen mal bitte aus diesem Blickwinkel. Ich selbst finde das Geschäftsmodell der Abofallen ebenso wenig sehr nett, allerdings ist dieses Thema seit Jahren in den Medien und seit Jahren ist auch bekannt, dass man für Downloads der meisten Tools eben nichts bezahlen und schon gar nicht seine persönlichen Daten eingeben muss.
Was ich viel befremdlicher finde ist, dass es ein gewisses Revolverblatt mit rotem Logo in diesem Land geschafft hat, dass wir einigen Menschen die rechtsstaatlichen Mittel absprechen, die jedem in diesem Land zustehen. Das ist unabhängig vom Verbrechen, und eben das macht uns zu einer zivilisierten Gesellschaft. Richter entscheiden am Ende über das Urteil, und genauso wie die Volksgemeinschaft ihren Fürsprecher hat (den Staatsanwalt), hat der Angeklagte das Recht, dass sich seiner jemand annimmt, der die rechtlichen Prinzipen ebenso gut versteht. Über das Strafmaß hat dann der Richter zu befinden und nicht Sie oder ich.
@Pascal Rosenberg: gute Abhandlung – aber warum setzen Sie sich überhaupt mit diesem Troll auseinander?
Von Selbstjustiz war nicht die Rede. Lange Ausführungen dazu sind nicht vonnöten. Erst recht nicht mit dem angegebenen Beispiel. Rechte abnehmen will auch niemand irgendwem.
Hier im Blog wird oftmals über den unfähigen Justizapparat hergezogen und gute Tips verteilt.
Warum nicht in dem Fall? Vielleicht sollten wir aber alle einmal gemeinsam überlegen, ob das, was legal ist, auch ethisch vertretbar erscheint.
(letzter Satz ge-gutenbergt)
#k.
@Kand.in.Sky:
Klingt erstmal immer gut wenn „ethisch“ draufsteht! Aber was soll die Relation?
Was ethisch „richtig“ ist , muß – darf! nicht mit Legal gleichgesetzt werden.
Und Legalität und Ethik haben sicherlich Berührungspunkte aber sind und dürfen auch nicht synonym sein.
@ pascal rosenberg u.a.
der unterschied zu ihrem beispiel dürfte sein, daß die frau unschuldig war und nicht darüber diskutiert wurde, ob die beschuldigte tat als solche strafbar ist. der aushilfsblogger hat aber den eindruck hinterlassen, die betrugshandlung als solche sei schon keine.
@tr:
So, hat er das? Also das kann ich weder hier noch im lawblog nachlesen. Und selbst wenn, dann bezog sich mein Posting nicht auf den „Aushilfsblogger“, sondern auf das von Kand.in.Sky: „Zurück zum Thema:
Sie sind also wirklich der Meinung Abofallenbetreiber brauchen einen Verteidiger – und nicht etwa 100 Peitschenhiebe?“
Und, Entschuldigung. Herr Hoenig kann über seine Mandanten seine eigene Meinung haben und ein Blogleser sicher eine andere. Aber eine Verteidigung und das Recht eben dieser ist nun mal ein Grundrecht unserer Gesellschaft. Und mein Beispiel hinkt eben nicht, weil hier nicht in Frage gestellt wird, ob jemand eine Tat begangen hat, sondern in Frage gestellt wird, ob für eine Tat die wir als ethisch nicht korrekt betrachten noch jemand verteidigt werden darf.
Und das Töten von Menschen, besonders kleinen Kindern, betrachten wir doch wohl auch als ethisch nicht korrekt. Nun kommen wir zur Analogie zurück. Die Mutter hätte nach der Ethik-Auffassung von Kand.in.Sky keine Verteidigung erhalten dürfen, schließlich sprach alles für ihre Tat und sie wurde ja sogar verurteilt. Der wahre Täter kam erst später zu Tage. Das ist derselbe Tenor wie: Diese Typen aus der Nutzlosbranche brauchen keinen Verteidiger.“
Und nur darauf bezog sich meine Analogie und nicht auf die Wertung des Herrn Hoenig in dem Fall.
Weshalb wird alles wörtlich genommen. Mit den 100 Peitschenhieben wurde bestimmt berechtigter Unmut zum Ausdruck gebracht.
Es gibt genug Beispiele, bei denen Anwälte die Mandatsübernahme ablehnen. Manchen Betroffene können überhaupt keinen Anwalt finden.
Man darf doch die Frage stellen, weshalb geht es den Abofallenbetreibern nicht ebenfalls so? Weshalb finden die Abofallenbetreiber gute Anwälte und andere interessante Menschen zu häufig keinen?
Und man sollte sich fragen ob bloggende Anwälte sich nicht auf diese bloggende Weise eine finanzkräftige Klientel schaffen möchten? Abofallenbetreiber sind ja meistens nicht insolvent….