Zivilrichter und Strafverteidiger

Es ist doch immer wieder erstaunlich, mit welchem Selbstbewußtsein Zivilrechtler sich an strafrechtliche Themen heranwagen.

Zuerst entschied das Amtsgericht Calw (4 C 596/08), später dann auch das Landgericht Tübingen (5 T 113/09), daß zwei Strafverteidiger als Zeugen in einem Zivilprozeß aussagen müssen.

Die LTO faßt den Sachverhalt so zusammen:

Betroffen waren …

… zwei Rechtsanwälte, die ein Ehepaar verteidigt hatten, dem eine versuchte schwere räuberische Erpressung vorgeworfen wurde.

Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde auch über die Möglichkeit einer Strafmilderung (Strafaussetzung noch zur Bewährung) diskutiert, wenn im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs eine nicht unerhebliche Zahlung an den Geschädigten geleistet würde, der als Nebenkläger auftrat. Gesprochen wurde über einen Betrag von 10.000 Euro. In einer Verhandlungspause erörterten die Angehörigen der Angeklagten in Anwesenheit der Verteidiger, wie der Betrag aufgebracht werden könnte. Die Familie sagte schließlich die Zahlung zu.

Später klagte der Bruder der Angeklagten gegen seine Mutter, weil die Summe, die er zu den 10.000 Euro beigesteuert hatte, nur als Darlehen und nicht als Schenkung geleistet worden sei. Zum Beweis benannte er die beiden Verteidiger.

Die Anwälte aber verweigerten mit Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht die Aussage im Prozess …

Nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) haben Verteidiger das Recht, und nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB Strafgesetzbuch (StGB) sowie nach § 43a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Pflicht, über solche Dinge zu schweigen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit erfahren haben. Eigentlich klar wie Kloßbrühe. Andere Ansichten vertraten diese beiden Zivilgerichte.

Glücklicherweise gibt es aber auch Zivilrichter, die erkannt haben, in welchen sensiblen Bereich diese beiden Vorinstanzen in Calw und Tübingen da herumgefuhrwerkt haben: Sie sitzen im 4. Zivilsenat beim BGH (Beschluss vom 16. Februar 2011 – IV ZB 23/09).

Zutreffend stellt der BGH in seinem Beschluß klar, daß alles

unter die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO fällt […], was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist, ohne dass es darauf ankommt, von wem und auf welche Weise er sein Wissen erworben hat. Die Pflicht betrifft deshalb auch Zufallswissen, das im Rahmen beruflicher Tätigkeit erlangt worden ist.

Abzugrenzen hiervon ist, was dem Anwalt nur anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit zur Kenntnis kommt, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat besteht, wie es z.B. bei solchem Wissen der Fall ist, das der Rechtsanwalt als wartender Zuhörer einer Gerichtsver-handlung erwirbt, die mit seinem Mandat nichts zu tun hat.

Der Rechtsbeschwerdeführer war jedoch nicht zufälliger Zuhörer der Unterredung auf dem Gerichtsflur, sondern hat ihr ersichtlich in seiner Eigenschaft als Verteidiger seines Mandanten beigewohnt. Dafür war eine aktive Beteiligung an den Gesprächen nicht erforderlich. Es liegt angesichts ihrer Bedeutung für den mit einer Freiheitsstrafe bedrohten Angeklagten, der den Gerichtssaal nicht verlassen durfte und deshalb an den Gesprächen nicht teilnehmen konnte, auf der Hand, dass die Anwesenheit des Verteidigers in seinem Interesse lag, um ihn sachgerecht unterrichten und beraten und zumindest im Bedarfsfalle eingreifen zu können, damit die Schlichtungsvereinbarung zustande kommen konnte. Ob und wie das hierfür benötigte Geld aufgebracht werden konnte, berührte die Interessen des Angeklagten in hohem Maße. Nach alledem hat sein Verteidiger das Gespräch nicht als unbeteiligter Dritter verfolgt.

Es ist erfreulich, daß der BGH diesen für die Rechtspflege außerordentlich gefährlichen Ansichten der Vorinstanzen Einhalt geboten hat. Und ich bin den beiden Kollegen dankbar, daß sie die Rechte ihrer Mandanten so nachhaltig und konsequent durch die Instanzen durchgesetzt haben.

Denn letztlich berührt, erhält und stärkt diese BGH-Entscheidung die Basis der Arbeit eines Strafverteidigers: Das Vertrauen seines Mandanten.

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Eine Antwort auf Zivilrichter und Strafverteidiger

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    portnoy says:

    immer diese zivilunken…