Monatsarchive: Januar 2012

Nazis im Netz

Resigniert der Tagesspiegel?

Die rechtsextreme Szene breitet sich im Netz aus und bedroht ihre Gegner. […] Die Ermittler haben wenige Möglichkeiten, gegen die rechten Umtriebe vorzugehen.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Geht-nicht? Ich bin da durchaus anderer Ansicht. Was bedeutete es, sich hinter dem behördenüblichen „Da bin ich nicht für zuständig!“ zu verstecken? Sympathie? Oder nur Feigheit?

Ein auf Facebook veröffentlichtes, mit einem dümmlichen Kommentar versehenes Bild von der Präsidentengattin führt zu eine Anklage vor dem Staatsschutzsenat.

Wenn Berliner Politiker, Gewerkschafter, Journalisten und linke Aktivisten auf einer rechtsextremen Internetseite bedroht werden, auf „Hasslisten“ Fotos und private Informationen über die Personen veröffentlicht werden, sich Angriffe häufen, einige bereits zusammengeschlagen wurden, andere fanden im Hausflur an die Wand geschmierte Morddrohungen fanden, teilt die Berliner Staatsschutz lapidar mit: Es gibt „keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung“.

In diesem Zusammenhang ein Veranstaltungshinweis:
Unter dem Titel „Es brennt! Wer stoppt Neonazis in Berlin?“ lädt die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) am 31. Januar zu einer Podiumsdiskussion (Flyer – pdf) in den Festsaal Kreuzberg.

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Knast-Umzug in Düsseldorf

Anfang Februar gehts los: 529 Gefangene ziehen um. Im Knast auf der alten Ulmer Höh werden 5.200 Umzugskartons gepackt, die dazugehörigen Gefangenen in entsprechende Transporter gesteckt und zur nagelneuen Justizvollzugsanstalt Düsseldorf auf Ratinger Boden gefahren. Es bleibt abzuwarten, ob alles dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort ankommt.

Was die Perspektive danach angeht, scheint auf Seiten der Anstaltsleitung jedenfalls gutgehender Optimismus vorzuherrschen.

Auf rund 125.000 Quadratmetern wird dort der moderne Behandlungsvollzug umgesetzt. Die Gefangenen sollen in dieser Großanstalt mit einem umfänglichen Betreuungsprogramm motiviert werden, ihr Leben auf eine neue, vielfach erstmalig gesellschaftsfähige Grundlage zu stellen. Experten wissen, dass Straftäter, die hinter Gittern eine gesellschaftliche und berufliche Perspektive geboten bekommen, deutlich höhere Chancen haben, zukünftig straffrei zu leben.

Es bleibt abzuwarten, welche Geschichten die Knackis uns Strafverteidigern erzählen werden.

Bild: NRW-Justiz

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Massenhafte Funkzellenabfrage jetzt auch in Berlin

Nicht nur in Dresden wurden/werden massenhaft Mobilfunk-Daten abgefragt, sondern auch hier in Berlin.

Ende 2009 haben Polizei und Staatsanwaltschaft die “Erfassung und Übermittlung sämtlicher Verkehrsdaten und Verbindungsdaten” eines Stadtgebiets angefordert und bekommen.

berichtet Andre Meister auf netzpolitik.org

Diese “nicht-individualisierte” Funkzellenabfrage wird dokumentiert in einer Ermittlungsakte, die dem Autor des Berichts zur Verfügung gestellt wurde.

In großen Teilen Friedrichhains sollen alle Handys betroffen sein, die seinerzeit dort eingeschaltet waren. Bei den Daten, die aufgezeichnet wurden, handelt es sich um Verkehrsdaten/Verbindungsdaten, also Anrufe, SMS, Internet-Verbindungen von sämtlichen Handynutzern. Darüber hinaus dürften auch massenhaft die Stammdaten (Rufnummern, denen Namen und Adressen zugeordnet wurden) eingeholt worden sein.

Was die Ermittler mit diesen Daten machen, gemacht haben und noch machen werden, ist nicht bekannt. Gehortet werden sie jedenfalls. Oder besser gesagt: Auf Vorrat gespeichert.

Ob das zulässig ist? Das ist eine überflüssige Frage. Jedenfalls aus Sicht der Ermittlungsbehörden. Die machen das einfach. Punkt.

Update um 08:50 Uhr
Die Berliner Zeitung berichtet heute, daß die Polizei von Herbst 2009 bis Ende 2011 mehrere Millionen Standortdaten von Handys ausgewertet haben soll.

„Man hat alle Telefone, die in der Nähe sind, wenn ein Auto brennt. Dann gleicht man alle Nummern ab, die bei der zweiten Brandstiftung in der Nähe sind. Sind zwei Nummern identisch, ist das verdächtig.“

Dieser Verdacht kann dann die Grundlage für den Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses sein (§§ 102, 105 StPO), der dann wiederum die Ursache für wenig freundlichen Besuch zuhause sein kann. Und wenn dann dort irgendwo ein Feuerzeug herumliegt …

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A C A B – Freispruch

Im Hinblick auf die beträchtliche Zahl der Polizeibeamten in der Welt oder auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihren erheblichen Unterschieden in Aufgabenstellung und Organisation kann im Tun des Angeklagten die Beleidigung jedes Polizeibeamten nicht ohne weiteres erblickt werden.

Das Tun des Angeklagten bestand im Hochhalten eines Spruchbandes mit den vier Buchstaben ACAB. Damit kann man nach Ansicht des Landgericht Karlsruhe (Urteil vom 08.12.2011 – Az.: 11 Ns 410 Js 5815/11) keinen Einsatzleiter der Polizei in seiner Ehre verletzen.

Der Angeklagte, verteidigt durch Benedikt Klas, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht, vertrat die Ansicht, das sei eine „straflose Kollektivbeleidigung“. „All cops are bastards!“ sei nichts anderes als „Alle Soldaten sind Mörder!“. Und diese Äußerung sei nach der Meinung unseres Bundesverfassungsgericht auch nicht strafbar.

Die Entscheidung des Gerichts ist aber nicht rechtskräftig, warnt der Kollege Klas. Ich rechne damit, daß sich mit der Ehre des Polizeibeamten demnächst das Oberlandesgericht beschäftigen wird.

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Kaffeekränzchen

Ich wollte nur mal kurz an das Kaffeekränzchen erinnern, das heute vor 70 Jahren im Süden Berlins stattgefunden hat. Auf dem Programm, das die 15 Teilnehmer mit ihrer Einladung erhalten haben, stand die Organisation eines Massenmordes. Bei Kaffee und Kuchen.

Foto: Clemensfranz / Wikipedia

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Keine stinkende tote Fische im Briefkasten

Die BILD soll verschenkt werden. Und zwar an Alle. Auch an die, die dieses Druckwerk eigentlich gar nicht haben möchten.

Nun gibt es mehrere Möglichkeiten auf diese Art des Massen-Marketing zu reagieren. Der Kölner Rechtsanwalt Andreas Schwartmann schlägt vor, den Springerverlag darum zu bitten, „die unerwünschte Zustellung der Zeitung“ zu unterlassen.

Das macht jedoch Arbeit, wie man sich leicht vorstellen kann. Hat nicht jeder die Zeit für. Deswegen:

Man kann die Zeitung wegschmeißen, Leute!

Das ist eine Alternativ-Möglichkeit, die im „StrafrechtsBlog“ vom Kommentator Hands vorgeschlagen wird.

Als langjährig tätiger Strafverteidiger (und Fan von Volker Pispers) muß ich jedoch dringend davor warnen, stinkende tote Fische in dieses Freiexemplar der sogenannten „Zeitung“ einzuwickeln. Weil das ein Strafverfahren wegen Beleidigung zulasten des Fisches nach sich ziehen könnte.

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Keine Aussage-Erpressung auf Teufel-komm-raus

Der Zweck des Strafverfahrens würde […] verfehlt, wenn es den Strafverfolgungsorganen gestattet wäre, unbegrenzt in andere Individual- oder Gemeinschaftsrechtsgüter einzugreifen. Deshalb gilt – auch in Fällen sehr schwerer Straftaten wie terroristisch motivierter Tötungsdelikte – der Grundsatz, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis – hier: um den Preis der hohen Gefährdung des Lebens einer schwer erkrankten Zeugin – erforscht werden darf.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 008/2012 vom 19.01.2012

Die Zeugin sollte zum Inhalt von Gesprächen mit der Angeklagten aussagen. Sie hat jedoch das Zeugnis mit der Begründung verweigert, ihr stehe ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, weil sie sich durch ihre Antworten möglicherweise selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetze. Das Oberlandesgericht (OLG) hat ein solches Recht nicht anerkannt und gegen die Zeugin zur Erzwingung einer Aussage Beugehaft bis zur Dauer von sechs Monaten angeordnet.

Diesen Beschluss hat der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 10. Januar 2012 aufgehoben (Az: StB 20/11). Die Anordnung der Beugehaft verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, rügte der BGH die Richter beim OLG.

Die Zeugin ist derzeit schwer erkrankt. Ausweislich eines fachärztlichen Attests sind sowohl die Erkrankung als auch die durchzuführenden Therapiemaßnahmen lebensbedrohend und erfordern die Behandlung in einer spezialisierten Krankenhausabteilung mit Intensivstation. Bei einer Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt oder ein Justizvollzugskrankenhaus ist ernsthaft zu befürchten, dass die Zeugin ihr Leben einbüßen oder zumindest einen weitergehenden schwerwiegenden Schaden an ihrer Gesundheit nehmen wird.

Es ist also notwendig, daß der Bundesgerichtshof die Richter des Staatsschutzsenats bei OLG anweist, es zu unterlassen, bei der Erforschung der Wahrheit (§ 244 Abs. 2 StPO) über Leichen zu gehen. Von selbst sind diese Richter nicht darauf gekommen.

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Berufsberatung vom BSI

Wer zur Zeit noch überlegt, wie er seine Karriere im Bereich Cybercrime gestalten möchte, kann sich beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) informieren. Dort wird ein neuer Leitfaden für entsprechende Aktivitäten angeboten:

Das „Register aktueller Cyber-Gefährdungen und -Angriffsformen“ soll als Hilfsmittel unter anderem für Anwender, Planer und Architekten von Informationstechnik, für CIOs sowie für IT-Sicherheitsberater und -beauftragte dienen.

Eine Liste möglicher Tätigkeitschwerpunkte wird mitgeliefert:

Top 6 der aktuellen Cyber-Angriffsformen

  • Gezieltes Hacking von Webservern mit dem Ziel der Platzierung von Schadsoftware oder zur Vorbereitung der Spionage in angeschlossenen Netzen oder Datenbanken
  • Drive-by-Exploits zur breitflächigen Infiltration von Rechnern mit Schadsoftware beim Surfen mit dem Ziel der Übernahme der Kontrolle des betroffenen Rechners
  • Gezielte Malware-Infiltration über E-Mail und mithilfe von Social Engineering mit dem Ziel der Übernahme der Kontrolle über den betroffenen Rechner und anschließender Spionage
  • Distributed Denial of Service-Angriff mittels Botnetzen mit dem Ziel der Störung der Erreichbarkeit von Webservern oder der Funktionsfähigkeit der Netzanbindung der betroffenen Institution
  • Ungezielte Verteilung von Schadsoftware mittels SPAM oder Drive-by-Exploits mit Fokus auf Identitätsdiebstahl
  • Mehrstufige Angriffe, bei denen z.B. zunächst zentrale Sicherheitsinfrastrukturen (wie TLS/SSL-Zertifizierungsstellen) kompromittiert werden, um dann in weiteren Schritten die eigentlichen Ziele anzugreifen

Angehende Netz-Aktivisten ebenso wie Online-Kriminelle, Wirtschaftsspione, staatliche Akteure, Cyber-Terroristen und Skript-Kiddies finden das vollständige Grundlagendokument hier (PDF).

Und wenn etwas nicht gleich klappt, einfach mal hier vorbeischauen. ;-)

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Die Amtsanwaltschaft heißt jetzt Twix

Es gibt sicherlich gewichtige Gründe, weshalb die Justizverwaltung der Berliner Amtsanwaltschaft neue Aktenzeichen verordnet:

Änderung Aktenzeichen Amtsanwaltschaft

Vielleicht ist es die Emanzipation eines Statusproblems – anhand des Kürzels im Aktenzeichen erkennt man das Gefälle zwischen Staats- und Amtsanwaltschaft nicht mehr auf den ersten Blick. Oder man hatte schlicht Langeweile.

Was es sonst noch für Aktenzeichen in der Strafjustiz gibt, kann man hier nachlesen.

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Leichte Tötung eines Polizeibeamten

Der Verteidigers beantragt seine Bestellung zum Pflichtverteidiger. Das Amtsgericht lehnt den Antrag ab:

Die Voraussetzungen einer Bestellung gemäß § 140 Abs. 1 StPO liegen nicht vor. Auch die Bestellung eines Ptlichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO kommt vorliegend nicht in Betracht. Die Tat ist nicht als schwer im Sinne dieser Norm einzustufen. Auch im Falle der Verurteilung des Angeklagten ist keine derart hohe Strafe zu erwarten, dass diese allein eine Bestellung bedingt. Die Sach- und Rechtslage ist leicht überschaubar und entsprechend einzustufen. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte nicht in der Lage wäre, seine Interessen in der Hauptverhandlung selbst vertreten zu können. Eine solche Annahme resultiert nicht allein aus der vorliegenden Tat.

In Stichworten: Keine schwere Tat, keine hohe Strafe, überschaubare Sach- und Rechtslage, kein Überforderung mit der eigenen Verteidigung.

Der Vorwurf: Ladendiebstahl? Beleidigung? Ohrfeige?

Nein. Fahrlässige Tötung eines Polizeibeamten durch einen über 70-jährigen Autofahrer, der sich – ärztlich attestiert und glaubhaft – an den Verkehrsunfall nicht mehr erinnert.

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