Monatsarchive: Februar 2012

Vorbereitung einer Hausdurchsuchung

In den vergangenen Tagen hat eine von der GVU lancierte Meldung aus Dresden für Bewegung gesorgt. Medien und Blogs berichteten über die Absicht (oder nur die Möglichkeit?) der Ermittlungsbehörden, nun auch gegen die Premium-Nutzer von Kino.to zu ermitteln.

An dieser juristisch blödsinnigen Kaffeesatzleserei aufgehängt stellen sich ein paar Fragen. Wie verhält man sich eigentlich vorbeugend sinnvoll, wenn man in der Zeit zwischen 6 Uhr (ab dem 1. April: 4 Uhr) morgens und 21 Uhr abends (§ 104 Abs. 3 StPO) unerwarteten Besuch erwartet?

Aufräumen
Überflüssig dürfte der Rat sein, etwaig vorhandene Cannabisplantagen und andere Blüten möglichst unauffällig aus dem Haus zu schaffen. Denn auch wenn die Polizei nach Sprengstoff sucht und statt dessen Suchtstoff findet, führt das zur Einleitung eines (weiteren) Ermittlungsverfahrens.

Objekte der Begierde
Interessant ist hier aber die EDV im weitesten Sinne. Damit sind nicht nur die Desktop-Rechner unterm Schreibtisch gemeint, sondern alles, was im Entfernten dazu geeignet sein könnte, Daten zu speichern. Dazu gehören auch Tablets, Smart- und Tele-Phones, mobile Festplatten, USB-Sticks und was es sonst noch so an Datenspeichern gibt. All diese Datenträger könnten ja irgendwann und irgendwie mal wichtig sein, deswegen werden sie sehr gern mitgenommen.

Warum auch Mäuse, Tastaturen und Monitore sichergestellt bzw. beschlagnahmt werden, ist für den Laien nicht auf den ersten Blick erkenntlich. Den Grund für diese Maßnahme erahnt man, wenn man einmal über den Begriff „Tatwerkzeug“ nachdenkt.

Für die Zeit danach
Derjenige, der also mit Besuch rechnet, sollte dafür sorgen, daß Kopien seiner Datensammlungen, die er auch nach der Durchsuchung noch nutzen möchte, stets aktuell an einer Stelle aufbewahrt, die einem spontanen Zugriff der Behörden entzogen ist. Die „Wolke“ wäre beispielsweise ein geeigneter Ort dafür, nicht aber der Keller, das eigene Auto oder die Zweitwohnung.

Versteckspiel
Eine weniger gute Idee wäre es, Backups z.B. in Wandtresoren, in doppelten Böden von Schränken oder unter den Fließen im Bad zu lagern. Denn solche Verstecke führen zu ganz erheblichem Renovierungsbedarf, nachdem die Spezialisten der Kriminalämter das Haus wieder verlassen haben.

Dauerkrise
Selbst, wenn sich heraus stellen sollte, daß man zu Recht „nichts zu verbergen“ hatte: Der Schaden, dem man dadurch erleidet, weil man 18 Monate lang nicht auf seine Daten (Telefonbuch nicht vergessen!) zugreifen konnte, wird in der Regel nicht ersetzt. Mit der Anfertigung und Aushändigung von Daten-Kopien durch die Kriminalen nach einer Sicherstellung ist in der Regel auch erst nach Ablauf einer Zeit zu rechnen, die im Einzelfall für den Gang zum Insolvenzgericht mehr als ausreicht.

Verbergen
Diejenigen, die nicht „nichts zu verbergen“ haben, sollten über eine Verschlüsselung nachdenken. Damit sind jetzt nicht die Windows-eigenen Spielereien gemeint, mit denen man sich beim Rechnerstart anmeldet. Je nach Ausstattung der „KT“ (Kriminaltechnik) sind auch die Versteckspielchen der Office-Pakete und PDF-Programme nicht sonderlich hilfreich. Sehr schön sind aber ein Container oder eine Festplattenpartition, die z.B. mit TrueCrypt behandelt wurden.

Müssen, dürfen, sollen
Nun stellt sich hier die Frage, ob die Frage der Ermittler nach den Zugangsdaten beantwortet werden sollte oder gar müßte. Darauf gibt es eine klare Anwort: Müssen muß man nicht, dürfen darf man aber; über das sollte, sollte man sich beraten lassen. Eins ist jedenfalls sicher: Die Preisgabe der Passworte bei einer Durchsuchung führt in aller Regel nicht zum Verzicht auf die Beschlagnahme. Also bleibt immer noch ausreichend Zeit für eine stressfreie Beratung durch einen Verteidiger, nachdem sich der Staub der Durchsuchungsmaßnahme gelegt hat.

Gute Vorsätze
Wie Sie sich zu Beginn und während einer Durchsuchungsmaßnahme verhalten sollten, lesen hier in unserer Bedienungsanleitung zur den Sofortmaßnahmen.

27 Kommentare

Italiener am Steuer

Fabrizio …

Fabrizio





Rossi …:

Rossi





Biaggi …:

Biaggi





Schettino …:

Schettino

Danke an Ralfinho für die Collage.

4 Kommentare

Endlich: Computer im Knast

Seit geraumer Zeit arbeiten findige Köpfe daran, die gesetzlichen Voraussetzungen für die „Elektronische Akte im Strafverfahren“ zu schaffen. Es wird auch noch ein Weilchen dauern, bis diese Früchte dieser Arbeit in der Praxis angekommen sind. Bis dahin arbeitet man mit „praktikablen“ Lösungen.

Während die Brandenburger auch im Bereich Cyber Crime noch immer Papierakten hin- und herschicken, ist man beispielsweise in Hamburg schon in der Wirklichkeit angekommen.

Allerdings sind damit auch ein paar praktische Probleme verbunden, nämlich: Wie bekommt der inhaftierte Angeklagte Kenntnis vom elektronischen Akteninhalt?

In einem Hamburger Verfahren umfaßt die allein die Leitakte mittlerweile 23 Leitzordner, daneben gibt es so ca. 40 weitere „Sonderbände“. Alles fein säuberlich eingescannt und den Verfahrensbeteiligten auf verschlüsselten (TrueCrypt) DVD von der Justiz zur Verfügung gestellt. Und der Häftling?

Ich hatte vorgeschlagen, meinem Mandanten Wilhelm Brause in der Untersuchungshaftanstalt (UHA) einen Laptop zur Verfügung zu stellen. Das war nur für einen begrenzten Zeitraum möglich. In einem Vermerk des Gerichts lese ich:

… teilte heute telefonisch mit, dass die UHA Herrn Brause derzeit keinen Laptop zur Verfügung stellen könne. Die UHA verfüge lediglich über zwei Laptops, die von Untersuchungshäftlingen genutzt werden könnten. Beide Geräte würden derzeit von anderen Häftlingen genutzt und könnten diesen nicht entzogen werden.

Das waren wohl die Piraten, die auch sehr engagiert verteidigt werden.

Ich habe dann von dem Antragsrecht Gebrauch gemacht:

  • Unterbrechung der Hauptverhandlung, bis einer der beiden Laptops wieder frei ist.
  • Hilfsweise Ausdruck eines kompletten Kopiesatzes der Akten, die in einem gesonderten Haftraum gelagert werden, zu dem mein Mandant jederzeit Zugang hat.

Dann aber rief der Richter hier an, nachdem er meine Anträge mit dem Leiter der UHA besprochen hatte. Aus dem entsprechenden Aktenvermerk:

Es bestehe jedoch die Möglichkeit, dass Herr Brause selbst einen Laptop erwerbe, den er in der UHA nutzen könne. Hierzu müsse sein Anwalt nach Absprache mit der UHA veranlassen, dass Herrn Brause das Gerät, das auf einer „Weißliste“ der UHA stehen müsse, direkt vom Hersteller zugesandt bekomme. Vor der Aushändigung an Herrn Brause müsste das Gerät dann noch gesichert werden. Die Zeit zwischen Anlieferung des Laptops in der UHA und Aushändigung an Herrn Brause würde ca. 7 bis 10 Tage betragen.

Es gab noch ein paar Detail-Absprachen zwischen unserer Kanzlei und der UHA. Neun Tage später hatte Wilhelm Brause einen Laptop, den ihm seine Familie gekauft hatte, mit den kompletten Aktenkopien auf der Hütte.

Abends habe ich in den Himmel geschaut, um zu kontrollieren, ob der Mond viereckig geworden ist. Das schien mir bis dahin im Vergleich zum „Laptop im Knast“ die wahrscheinlichere Möglichkeit. Die Zeiten ändern sich …

9 Kommentare

Rückmeldung

Ich brauchte noch eine Unterschrift vom Mandanten, den ich in der vergangenen Woche – erfolgreich – verteidigt hatte. Das unterschriebene Formular hat er mir sofort zurück geschickt. Allein das war schon Grund zur Freude. Schließlich sind einige unserer Mandanten recht ungeübt, was das Versenden von Briefen angeht.

Was mir aber ganz besonders gefallen hat, war das „PS“ auf der Rückseite des Umschlag:

So eine Rückmeldung kommt besser als ein hohes Honorar. Vielen Dank dafür!

5 Kommentare

Richterliche Kontrolle in Zeiten des Cyber Crime

Seit gestern stapeln sich die Meldungen über einen gewaltigen Polizeieinsatz im deutschsprachigen Teil Europas. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main sind quadratkilometerweise Wohn- und Geschäftsräume in Deutschland, Österreich und in der Schweiz durchsucht worden.

Ein paar Jungs machten sich nach einem Bericht im Spiegel zufolge:

einen neuen Passus im Telekommunikationsgesetz zunutze. Dieser ermöglicht es Netzbetreibern, sogenannte Mehrwertdienstleistungen über die Telefonrechnung einzuziehen.

Das soll zur Wanderung von vielen kleinen Beträgen in die Taschen einer Gruppierung um ein paar technisch begabter Telefondienstleister geführt haben. Es ist die Rede von 1,6 Millionen Euro die auf diesem Wege zusammen gekommen sein sollen.

Ich hatte bereits Anfang Januar in einem Blogbeitrag auf einen Artikel von Holger Bleich in der ‚ct hingewiesen. Bleich beschrieb darin „innovative Abrechnungsmodelle“ mithilfe der Mobilfunkanbieter, die von findigen Unternehmer als „undolose Werkzeuge“ ;-) genutzt werden.

Ähnlich informativ liest sich nun der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Januar 2012. Auf rund fünf Seiten beschreibt die Richterin, die den Beschluß erlassen hat, ein Verfahren, daß auch IT-erfahrene Juristen erst nach dem zweiten oder dritten Mal Durchlesen verstehen. Die Staatsanwaltschaft wird da sicherlich einmal mehr eine hervorragende Textvorlage für die Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle geliefert haben. Hoffentlich gleich auf einem Datenträger, damit dem Gericht die Abtipperei erspart geblieben ist.

Wenn man das Verfahren kennt, mit dem solche Beschlüsse auf Antrag der Staatsanwaltschaft entstehen, wird sich die Frage stellen: Hat die Richterin wirklich ein hohes technisches Know How oder nutzt sie lediglich die Kompetenz der Spezialisten bei den Kriminalämtern? Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, daß eine Prädikatsjuristin auch eine Prädikatsinformatikerin ist.

Unsere Verfassung verlangt bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen – wie Wohnungsdurchsuchungen oder Verhaftungen – die Kontrolle der Exekutive durch einen Richter. Es scheint zunehmend Gründe zu geben, keine juristischen, aber intellektuelle und tatsächliche, die diese richterliche Kontrolle aushebeln.

Ein interessantes Spielfeld für spannende Anträge einer engagierten Verteidigung.

11 Kommentare

Verteidiger als Verräter?

Beim Betreten des Gerichtssaals hatte der Handschellen tragende 32-Jährige seine Hände zum Gruß erhoben, nach Angaben seines Anwalts Geir Lippestad war es „ein rechtsextremer Gruß“.

liest man im Stern und ähnlich in anderen Agenturmeldungen, z.B. im Berliner Tagesspiegel.

Die Entscheidung, die Verteidigung von Behring Breivik zu übernehmen, hat sich der norwegische Kollege sicher nicht einfach gemacht. Das wird auch kein Spaziergang werden. Insoweit habe ich durchaus Achtung von ihm.

Aber daß er nun erneut seinen Mandanten verrät, ihn diesmal sogar noch zusätzlich belastet, deutet darauf hin, daß Herr Lippestad mit diesem Manda(n)t überfordert sein könnte.

11 Kommentare

Verteidigung in den Knast

Das Vorstrafenregister des Mandanten hat einen beträchtlichen Umfang: 18 Eintragungen. Vergleicht man das mit dem Führungszeugnis des Durchschnittsbürgers könnte man meinen, man hat es mit einem Schwerverbrecher zu tun.

Der Mandant hatte jedoch nicht den Hauch einer Chance, die jedem dieser besagten unbestraften Normalos mitgegeben wurden. Gegen den Drogen- und Alkoholkonsum seiner Mutter während der Schwangerschaft konnte er sich genauso wenig wehren wie gegen die Mißhandlungen in den wechselnden Heimen.

Den Verstand, den ihm der liebe Gott aber dennoch zur Verfügung gestellt hatte, hat der Mandant durch den Konsum ungesunder Substanzen nicht gerade gefördert. Seine Fluchten in den Rausch haben nicht dazu beigetragen, daß er die allgemeine Hochschulreife erlangen konnte. Im Gegenteil. Der Psychiater bescheinigt ihm:

einen suchtbedingten Persönlichkeitsabbau mit Kritik- und Urteilsschwäche, allgemeiner Nivellierung des Wertgefüges und Einengung des Interesses auf die Beschaffung und den Konsum von Rauschmitteln.

Nun hat man ihn wieder einmal erwischt. Er betritt einen Laden, obwohl ihm ein paar Wochen zuvor dort ein Hausverbot erteilt wurde. Die Verkäuferin erkannte ihn und verweist ihn nach draußen. Darum kümmert er sich nicht. In der Ermittlungsakte lese ich:

Er habe sie jedoch ignoriert und sei zielstrebig zu dem Regal mit Haarspray gegangen. Dort habe er zwei Dosen der Marke „taft classic“ aus dem Regal genommen und habe den Laden verlassen.

Wenig später wurde er von der Polizei festgenommen. Die beiden Dosen wurde bei ihm sichergestellt. Eine davon war bereits leer.

Welche Möglichkeiten hat der Strafrichter? Er ist u.a. an das Gesetz gebunden. Das sieht Freiheitsstrafe oder Geldstrafe für den Hausfriedensbruch und den Diebstahl vor. Wegen der Vorstrafen – 15 von den 18 sind Diebstähle von Haarspray! – kommt eine Geldstrafe nicht mehr in Betracht. Also Knast. Zusammen mit den beiden offenen Bewährungen wird das wohl nicht unter zwei Jahren abgehen.

Es sei wohl das Beste, wenn er ins Gefängnis gehe, sagte mir der Mandant. Da gebe es wenigstens keinen Haarspray. Ja, das sei so wohl die einzige Möglichkeit, von dem Zeug wegzukommen. Stellt er sich so vor.

Ich weiß, daß der Mandant sich irrt. Aber ich sehe keine realistische Alternative. Denn unsere Gesellschaft gibt solchen Schicksalen kaum eine Chance zum menschenwürdigen Überleben. Das Gesetz gibt dem Strafrichter keine Möglichkeit, nach seinem Gewissen zu entscheiden. Und dann ist ein Verteidiger auch schon mal hilflos.

19 Kommentare

Unsere Sofortmaßnahmen

Eine Website wird nie fertig. Unsere erst Recht nicht. Weil immer noch etwas besser gemacht werden kann oder irgendetwas noch fehlt.

Ich habe den Sonntag dazu genutzt, ein paar Stichpunkte zu den Sofortmaßnahmen aufzuschreiben, die zu Beginn eines Strafverfahrens anstehen.

  • Was soll der Beschuldigte (nicht!) tun, wenn er vorgeladen, durchsucht oder verhaftet wird?
  • Was macht eigentlich der Strafverteidiger, wenn ihn der Notruf eines Beschuldigten erreicht?
  • Welche Aufgaben hat dann das Mitarbeiter-Team einer strafrechtlich ausgerichteten Kanzlei?

Das Ganze ist bewußt kurz gehalten. Damit ein normaler Mensch es sich merken kann; Details kennt der Verteidiger.

Im Grunde geht es aber eigentlich noch viel kürzer:

  • Strafverteidiger informieren und schweigen!

Alles andere ist verzichtbares Beiwerk und erschwert im Zweifel hinterher die Verteidigung.

Wenn in den Beiträge über die Sofortmaßnahmen doch noch etwas fehlen sollte: Weiter unten gibt’s Platz für Kommentare und Anregungen. TIA.

10 Kommentare

Der schreibt immer so was

Aus einem Durchsuchungsbericht:

Befragt, ob er zu den Angaben Angaben abgeben wolle, erklärte er, dass er dazu jetzt bereit sei.

Der Autor dieses Satzes hat die Hochschulreife. Jedenfalls auf dem Papier.

11 Kommentare