Monatsarchive: Juni 2012

Verfassungsrechts-Quickie

Eigentlich bin ich davon ausgegangen, mit dem Dozenten Meinhard Starostik allein im Ellington Hotel zu sitzen. Der Große Vorsitzende der Vereinigung Berliner Strafverteidiger, Peter Zuriel, hatte zur Fortbildung geladen – an dem Tag, an dem Deutschland die Holländer besiegen sollte.

Die Veranstaltung begann pünktlich (d.h. auf die Sekunde genau!) und endete 90 Minuten später. Also noch rechtzeitig, daß zumindest der Dozent, Rechtsanwalt Meinhard Starostik und der Kollege Peter Zuriel den Beginn des Fußballspiel nicht versäumen mußten.

Die Kürze des Vortrags hatte den großen Vorteil, daß der Inhalt auf das Wesentliche beschränkt wurde, das die Zuhörer dann aber auch bequem „mitnehmen“ konnten.

Wenn man sich das Seminar-Skript des Rechtsanwalts, der im Nebenberuf eben auch Verfassungsrichter ist, beim Schreiben einer Beschwerde neben die Tastatur legt, ist man schon ein großes Stück näher am Erfolg. Es gibt aber noch einige verborgene Fußangeln, die man kennen sollte, damit man nicht dran oder drin hängen bleibt.

Für den Blogleser interessant sind aber vielleicht zwei Inhalte des Vortrags.

Nur 4% aller Berliner Verfassungsbeschwerden sind erfolgreich. Diese Miß-Erfolgsquote mag auch darauf zurück zu führen sein, daß viele Beschwerden ohne anwaltliche Unterstützung erhoben werden. Diese Rechtsmittel scheitern dann an den sehr hohen Hürden der Zulässigkeit. Aber auch viele Rechtsanwälte stolpern offenbar über diese Anforderungen (die eigentlich klar aus dem Gesetz hervorgehen).

Überrascht war ich darüber, welche Rechtsgebiete die Dauerbrenner unter den Beschwerden sind. Ok, geschenkt – die Nummer 1 ist Strafrecht. Haftsachen sind sehr beliebt bei Grundrechtsverletzten. Auf die Nummer 2 wäre ich nicht gekommen …

Besten Dank für den spannenden Vortrag an den Dozenten und für die gute Organisation an Peter Zuriel.

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Vernehmungs – was?

Der Rocker kommt zurück ins Leben. Aber:

Noch immer ist der 47-Jährige nicht vernehmungsfähig.

berichtet Alexander Fröhlich im Tagesspiegel über die Rekonvaleszenz von André S.

Ich kann mir gut vorstellen, daß der Wiederherstellung der Vernehmungsfähigkeit übergangslos die Vernehmungsunwilligkeit folgen wird.

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Faul, frech und was sonst?

Faulheit ist,
wenn ein Rechtsanwalt Texte (nicht nur einen, sondern gleich dreie) kopiert, die ein anderer Strafverteidiger geschrieben haben. Das spart Energie und Zeit.

Frechheit ist,
wenn derselbe Rechtsanwalt die Kopien anschließend unverändert auf seiner Website als eigene „verkauft“. Das Urhebergesetz ist auch faulen Juristen bestens bekannt.

Konsequenz ist,
wenn der Strafverteidiger dann dem Plagiator mit den branchen-üblichen Mitteln auf die Finger klopft.

Klugheit ist,
wenn der Plagiator dann erklären läßt, daß er „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht … fasel … blubber“ strafbewehrt verspricht, diese Frechheit künftig zu unterlassen.

Soweit, so einfach.

Nun etwas für Fortgeschrittene.
Der Plagiator streitet ab, daß die Texte vom Strafverteidiger stammen, will die Kosten für das Auf-die-Finger-klopfen nicht erstatten und den Schadensersatz auch nicht leisten. So macht man das eben, als einfach gestrickter Zivilist. Vor dem Hintergrund der §§ 106, 108a UrhG und den begleitenden berufsrechtlichen Regeln stellt sich aber die Frage, wie man ein solches Auftreten einem Strafverteidiger gegenüber bezeichnen könnte.

Einen habbich noch, für die Königsklasse.
Der lustige § 395 Abs. 1 Ziff. 6 StPO in Verbindung mit einem fröhlichen § 403 StPO, und das Ganze dann nicht am Heimatort des Plagiators, sondern im Kriminalgericht Moabit. Wenn jemand so ein Risiko eingeht – was sagt man dazu?

Als einfach gestrickter Strafverteidiger könnte ich dem Plagiator ja einen freundschaftlichen Rat geben. Aber vielleicht reicht diese völlig frei erfundene kleine Geschichte schon aus …

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Unser Zeithonorar und die Aufwandserfassung

Nicht nur für die Schweizer ist Geld eine ernste Angelegenheit. Für einen Strafverteidiger ist es zudem noch eine unangenehme. Denn die Mandanten kommen zu ihm, weil sie ein Problem haben. Dieses Problem wird nicht kleiner dadurch, daß sie für die Problemlösung Geld zahlen sollen. Wir versuchen irgendwie ein Mittelmaß zu finden, mit dem beide Seiten klarkommen können.

In vielen Fällen ist die Vereinbarung einer Vergütung nach Zeitaufwand eine faire Sache – für den Mandanten und für uns. Wir berechnen regelmäßig den zeitlichen Aufwand, den der Strafverteidiger mit der Bearbeitung hat. Dessen Unterstützung durch das Team der Kanzlei erfassen wir zwar auch, es ist aber in der so vereinbarten Vergütung des Verteidigers pauschal enthalten; dieser Aufwand wird – auch wenn er eine hochqualifizierte Arbeit darstellt – bei uns nicht gesondert berechnet.

Im Vergleich zum Pauschalhonorar ist so gewährleistet, daß der Mandant für einen geringen zeitlichen Aufwand keine hohen Pauschalen zahlt; andererseits arbeitet sich der Verteidiger keinen Wolf für einen – aus welchen Gründen auch immer – zu tief angesetzten Gesamtpreis.

Ein wesentliches Merkmal unserer Abrechnungen ist die Transparenz. Wir liefern grundsätzlich eine monatliche Abrechnung, wenn sich das Mandat zeitlich in die Länge zieht. Grundlage für die Abrechnungen ist die Aufwandserfassung. Eine solche Erfassung hat dann schon einmal den Umfang mehrerer Seiten, auch deswegen, weil wir die Anwaltsstunde stets minutengenau abrechnen.

Und wie reagiert die Mandantschaftschaft auf diese Abrechnung? Hier mal ein Beispiel (screen shot aus unserer WebAkte):

Ich bin mir sicher, daß wir mit dieser kleinen Konversation das für beide Seiten lästige Thema gut in den Griff bekommen haben (trotz der Rechtschreibefehler ;-) ).

Wie wir ansonsten mit dem sauer Verdienten unserer Mandanten umgehen, haben wir hier zusammen gefaßt.

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Bekloppte Anwaltssuche

Der Plan eines Arbeitgebers, eine neue Stelle zu schaffen und damit z.B. einem Berufsanfänger ein Sprungbrett zu bieten, könnte im Einzelfall in den finanziellen Ruin führen. Wenn ich mir den Bericht des Kollegen Wolf Reuter, seines Zeichens Fachanwalt für Arbeitsrecht, ansehe, frage ich mich, wie eine Rechtsanwaltskanzlei sich einen Nachwuchsanwalt suchen darf.

Die Suche „nach einer jungen Kraft mit höchstens zwei Jahren Berufserfahrung“ sei nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) diskriminierend und löse einen Schadensersatzanspruch in 5-stelliger Höhe aus, berichtet Rechtsanwalt Wolf Reuter. Das ist doch bekloppt!

Es ist einem Arbeitgeber also verboten, jemanden zu suchen, mit dem er mehr Zeit verbringt als mit seinem Ehepartner und von dem er ganz konkrete Vorstellungen hat.

Wenn eine Kreuzberger Kanzlei beispielsweise eine türkischstämmige Rechtsanwältin, um die 40 Jahre alt, verzugsweise aus religiösen Gründen Kopftuch tragend, suchen würde, weil mit ihr eine spezielle Zielgruppe angesprochen werden soll, dann hat sie also ein Problem. Ein solcher Wunschzettel sei nur dann zulässig, wenn er – der Wunsch –

wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

Und wer bestimmt nun, was „wesentlich“, „entscheidend“ und „angemessen“ ist? Na klar: Ein Arbeitsrichter. Oder zwei oder drei nacheinander. Ganz nach dem Motto: „No risk, no fun!“

Wenn die Kanzlei sich also in ihrer Stellenanzeige nicht auf „Rechtsanwalt/Rechtsanwältin gesucht“ (oder auf sonst so ein lila PädagogInnengeschwurbel) beschränkt, hat sie ohne fundierte arbeitsrechtliche Beratung gute Chancen, das Jahresgehalt zahlen zu müssen, ohne daß die Arbeit dafür geleistet wird. Also sucht sie „unter der Hand“ oder wirft hunderte Bewerbungen solange in die Tonne, bis sich zufällig eine 42-jährige Muslima mit Rechtsanwalts… Pardon: Rechtsanwältinnenzulassung bewirbt.

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Durchsuchter Halbtoter

Bekannt ist, daß Wohnungen von Beschuldigten relativ locker durchsuchbar sind. Eine schlichte „Vermutung“ reicht für den Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses nach § 102 StPO.

Etwas höher hängt die Latte bei der Durchsuchung der Wohnungen von Zeugen; das ist in § 103 StPO geregelt. Die Hürde sind „Tatsachen, aus denen zu schließen ist, daß die Spur sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet“.

Im Fall des angeschossenen ehemaligen Präsidenten der Hells Angels Nomads waren die „Tatsachen“ wohl die sechs Kugeln, die die Notärzte aus dem Oberkörper von André S. herausoperiert haben.

Und während der Patient aus dem OP-Saal auf die Intensivstation geschoben wurde, haben die Beamten vom Rockerdezernat die Gelegenheit genutzt, sich mal in seiner Wohnung (nach dem Täter?) umzuschauen.

Ein paar Details dazu liest man in der Morgenpost.

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Genervter Anwalt?

Fortbildung für den Rechtsanwalt, der es an den Nerven hat:

Stress- und Burnout-Prophylaxe für Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte

Inhalte:
[…] Der Weg ins Burnout: Merkmale des Burnoutprozesses und Burnout-Syndroms […]

Vielleicht sollten gestresste Anwälte auch schlicht umschulen: Richter oder Staatsanwalt sind doch auch schöne Berufe.

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Staatsanwaltschaftliche Exekution und Machtdemonstration

In den vergangenen Wochen machte eine Entscheidung des BGH vom 31. Mai 2012 – 2 StR 610/11 – die Runde in den juristischen Blogs. Ich habe dazu eine Randerscheinung – über den Haftrichter auf Probe – beschrieben, nachdem schon Rechtsanwalt Andreas Jede auf das Problem der Kompetenzen eines Proberichters aufmerksam machte. Auf weitere Diskutanten, die sich der „Aussageerpressung“ durch einen Proberichter angenommen hatten, verlinkt Prof. Dr. Henning Ernst Müller im Beck Blog.

Nun findet sich unter meinem Beitrag ein bitterböser Kommentar eines Richters am Landgericht, der internes Spektakuläres berichtet:

Der Fall ist wirklich „spektakulär“, wie von Herrn Hoenig zutreffend bezeichnet, aber aus einer Menge an anderen Gründen, die dem BGH nicht mitgeteilt wurden, da dieser nur ein Urteil des Kammervorsitzenden aus Kassel bekam, der sich wie ein Oberstaatsanwalt der „alten Sorte“ benahm. Gut, dass diese Feststellungen aufgehoben wurden, denn sie waren gespickt mit unsachlichen „Feindseligkeiten“, die einer Strafkammer unwürdig erscheinen.

Der Vorwurf selbst kam übrigens erst nach 2 Monaten nach der Verhandlung durch ein Kaffeerundengerücht der Staatsanwaltschaft zum Vorschein, dass auf ein „Wegsperren über eine halbe Stunde zwecks Geständniserpressung“ lautete, worauf der Landgerichtspräsident den Proberichter durch eine bewusst vernichtende Beurteilung aus dem Dienst drängen wollte, was dieser aber nicht akzeptieren wollte, da die Vorwürfe aus seiner Sicht unzutreffend gewesen seien. Man soll dem Proberichter damit gedroht haben, dass man ein Verfahren einleiten werde, wenn er die Beurteilung nicht unterschreibt. Der Proberichter wandte sich infolge des existenzvernichtenden Druckes ans Justizministrium, dem das Ganze nicht nur seltsam, sondern gefakt vorkam. Der Proberichter wurde in einen anderen Landgerichtsbezirk versetzt und leistete dort guten Dienst. Durch die Zurwehrsetzung herausgefordert trat die Staatsanwaltschaft nach und ermittelte ohne den Proberichter überhaupt anzuhören. Es fehlten plötzlich wichtige entlastende Unterlagen und es kam zum Exzess. Über 10 Monate versuchte man den Proberichter vorzuführen und mit zum Teil offenkundig an den Haaren herbeigezogenen „Indizien“ zu belasten. Am Ende gab es einen widerwilligen Freispruch, den der BGH nicht so recht akzeptieren wollte, da die Widersprüche zu offensichtlich waren…
Übrigens wurde die zweite dienstliche Beurteilung, die zunächst ausgesprochen gut bewertet wurde, dann plötzlich „nach Prüfung im Ministerium“ ins negative Gegenteil verkehrt. Es darf nicht sein, was nicht sein soll!

Das, was dort in Kassel abgelaufen ist, stellt einen Justizskandal erster Güte dar, den nur keiner so recht aufdecken will, weil es nur einen kleinen Anfängerrichter betrifft, dessen Karriere ohnehin schon beendet ist. Wer den Hintergrund kennt und weiß, dass dieser „einfältige“ Proberichter sich erlaubt hat, eine Oberstaatsanwältin (die gern Behördernleiterin werden möchte) zu kritisieren, der weiß, warum dieser Prozess so „bizarr“ ist. Es handelt sich nicht nur um die staatsanwaltliche Disziplinierung eines jungen engagierten (und entlassenen) Proberichters, sondern um eine staatsanwaltschaftliche Exekution und Machtdemonstration gegenüber der (Probe)Richterschaft.

Es bleibt abzuwarten, ob die neue Kammer wieder versuchen wird, die Staatsanwaltschaft zu schützen oder ob man diesmal die vielen Widersprüche in der Ermittlung aufklären will.

Die Richter machen hier eine Erfahrung (und tun sie hier kund), mit denen Strafverteidiger eigentlich ganz gut vertraut sind. Wenn das, was der „RiLG-Kommentar“ beinhaltet, wirklich zutreffen sollte, dann ist das Bashing von Staatsanwälten in den Lawblogs doch eigentlich gar nicht so unberechtigt. Oder?

Hier gibt es noch ein wenig weiterführende Literatur (S. 19 bis 27!) zu diesem Schauspiel im Besonderen und zu Proberichtern im Allgemeinen (Danke an Alfred für diesen Hinweis).

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Der Aufkleber der Woche

Diese häßliche Dose stand halb in einer Einfahrt. Ein Mopped hätte noch gut vorbei gepaßt, ein Zweispurfahrzeug aber nur hochkant.

Heckscheibe geht ja noch, vorne im Blickfeld des Fahrers hätte er ernsthafte Wirkung.

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Aufreger der Woche: Schufa

Ich weiß gar nicht, aus welchem Grund sich die Leute so dermaßen aufregen.

Der Kollege Rechtsanwalt Sebastian Dosch spricht KlarkLAWtext:

Viele Menschen haben mit Mahnschreiben und Zahlungsaufforderungen keine großen Probleme – doch wenn das Wort darin auftaucht, werden Ohren gespitzt, Augen zusammengekniffen und Kulis gezückt: Schufa.

Wo ist das Problem, wenn man die folgenden Grundsätze beherzigt:

  • Ich kaufe nur das, für das ich auch Geld habe. Wenn nicht, dann nicht.
  • Wenn ich etwas gekauft habe, dann bezahle ich es sofort.

Hey, das ist ein freies Land hier. Wer sich an diese Grundsätze nicht halten will, ok. Kann er machen. Aber dann darf er auch nicht meckern, wenn der Verkäufer sagt: „Du kannst mich mal!“ und das dann auch den anderen Verkäufern mitteilt.

Oder habe ich da was übersehen?

Und wer einen Account bei Facebook unterhält, darf der sich dann beschweren, wenn die Schufa oder das Landeskriminalamt Geburtstagsgrüße an die Pinnwand schickt?

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