Monatsarchive: Juli 2012

Der Keks des Richters

Der Hauptverhandlungstermin sollte um 9:00 Uhr beginnen. Drei Angeklagte mit ihren Verteidigern und vier Zeugen waren geladen. Wenn dann ein Zeuge fehlt, ist das nicht weiter schlimm. Schwieriger wird es, wenn einer der Angeklagten nicht erscheint. Heute hatten wir aber das Problem, daß der Richter – wohl halb aus persönlichen, halb aus dienstlichen Gründen – verhindert war, pünktlich zu erscheinen. Eine geschlagene Stunde später sollte es erst losgehen.

Als ich dann kurz vor 10:00 Uhr wieder in den Saal kam, lagen Kekse auf den Plätzen der Verteidiger.

Der Richter hatte sich auf diesem Wege für seine Verspätung entschuldigt.

Besten Dank dafür, nicht (nur) für den leckeren Keks, sondern für die keksgewordene Kollegialität. Entsprechend war die Atmosphäre, in der dann die Verhandlung stattfand, und die mit einem Ergebnis endete, das von allen Beteiligten getragen wurde.

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Die Umwelt-Plakette für die Wanne

Nun hat auch die Wanne eine Plakette für (gegen?) die Umweltzone:

OK, den Bäbber findet man eher nicht in der am 16.10.2006 im Bundesanzeiger veröffentlichte Verordnung über die Kennzeichnung emissionsarmer Fahrzeuge vom 10.10.2006.

Gleichwohl könnte man ihn durchaus als „amtlich“ bezeichnen. ;-)

Danke an den Döschwoh-Freak für Bäbber und Foto.

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Betriebsvorkommnis

Das Studium einer Ermittlungsakte ist immer wieder lehrreich. Heute hat der Strafverteidiger ein neues Wort kennen gelernt: Das Betriebsvorkommnis.

Mein Mandant hatte sich über einen Straßenbahnfahrer geärgert und dies in einer ihm eigenen Art artikuliert. Der Tramfahrer scheint aber auch so seine Besonderheiten zu haben. Denn wenn ich mir die Formulierungen seines Berichts anschaue, muß ich eigentlich davon ausgehen, daß ein abgeschlossenes Jurastudium hilfreich dafür ist, wenn man sich bei der BVG als Straßenbahnfahrer bewirbt.

Hier der Sachverhalt, der zur Anklageerhebung führte.

Der Tatvorwurf ist ziemlich heftig: §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 304 Abs. 1,53 StGB, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß der Kaffee die braune Brühe „lauwarm“ gewesen ist.

200 Tagessätze Geldstrafe für diesen Ausraster halte ich jedenfalls nicht für angemessen. Auch wenn der Tramfahrer zwei juristische Staatsexamen absolviert haben sollte.

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„Lieber Gott, erlöse uns von Putin“

Gute Mädchen kommen in den Himmel, schlechte Mädchen in Putins Russland in den Knast.

Ein „Punk-Gebet“ der russische Künstlerinnengruppe Pussy Riot am 21.02.2012 in einer Moskauer Kathedrale führte im März zur Verhaftung der drei Betschwestern. Seitdem befinden sich Maria Aljochina (24), Nadeschda Tolokonnikowa (22) und Jekaterina Samuzewitsch (29) in Untersuchungshaft.

Von März bis Juni brauchten die Ermittler, um den Sachverhalt aufzuklären. Nun wurde Anklage wegen „schweren Rowdytums“ erhoben, ein Straftatbestand, der im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahre vorsieht.

Ich kann mir gut vorstellen, daß die Mädels die Promotion für ihren Punkrock nicht ganz so langwierig geplant haben.

Aus gut unterrichteten Kreisen wurde bekannt, daß Herr Putin von Kirchenmusik andere Vorstellungen habe und Punk eher weniger mag. Die Verteidiger der drei Angeschuldigten reklamieren daher auch politische Motive, die hinter dem Verfahren stünden.

Amnesty International, aber auch unsere Bundesregierung, vertreten durch die Botschaft in Moskau, beobachten das Verfahren. Weitere Infos und Hinweise zu Möglichkeiten einer Unterstützung der Gewährleistung eines fairen Verfahrens gibt es auf der Website „Free Pussy Riot!“.

Update:

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Markus Löning an 20.07.2012:

„Ich bin sehr erschrocken über die drakonische Verlängerung der Untersuchungshaft für die Künstlerinnen von „Pussy Riot“.

Die verhängte Untersuchungshaft von insgesamt 10 Monaten steht in keinem Verhältnis zu dem, was den drei Frauen vorgeworfen wird. Sie ist absurd und zieht die Familien und Kinder der Frauen grotesk in Mitleidenschaft.

Ich rufe Russland auf, Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst zu wahren. Ich hoffe, dass die russischen Behörden die Frauen endlich wieder freilassen und eine Einstellung der Verfahren prüfen.“

Quelle: Auswärtiges Amt

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Hotelgast

Hotelgast

Das Estrel in Neukölln, nicht gerade ein Hotel in das ein Strafverteidiger seine auswärtigen Mandanten unterbringen würde, aber das Brunch ist gut. Und als Hintergrund für ein schönes Auto auch geeignet. ;-)

Foto: Helga

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Freispruch für den Neonazi

Über die Schwierigkeiten der Rechtsanwältin Tina Gröbmayr und ihres Ausbilders Rechtsanwalt Ulf Köpcke, die einen Neonazi in Freiburg verteidigen, hatte ich berichtet. Es ging in meinem Blogbeitrag um die Frage, ob es einer links-alternativen Anwältin gestattet ist, eine rechtsradikale Dumpfbacke zu verteidigen. Dabei habe ich die Ansicht vertreten, daß auch Dumpfbacken effektiv verteidigt werden müssen.

Eine andere Ansicht vertreten (vertraten?) die Parteifreunde der Verteidigerin, die in einer Gegenrede zu meiner Kritik Stellung genommen haben.

Heute nun berichtet Heinz Siebold in der taz, daß die Verteidigung der beiden Kollegen zu einem erstinstanzlichen Freispruch geführt hat:

Das Landgericht Freiburg hat den Kopf der Neonazigruppe „Freie Kräfte Ortenau“ und erfolglosen NPD-Landtagskandidaten Florian S. vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen.

Dem taz-Bericht ist zu entnehmen, daß das Gericht davon ausging, der Angeklagte hätte zum einen keinen Tötungsvorsatz gehabt. Aber selbst eine gefährliche Körperverletzung sei nicht gegeben, weil der Neonazi in Notwehr – also um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich abzuwenden, § 32 StGB – gehandelt habe. (Ob die Tat nun „gerechtfertigt“ oder wegen eines Exzesses „entschuldigt“ gewesen sein soll, läßt sich aus dem taz-Bericht nicht sauber herleiten; dies ist für das Ergebnis – Freispruch – aber auch egal.)

Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sie gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof einlegen wird. Die Vertreter der Nebenklage sind sich spontan sicher, daß sie für ihre Mandanten ins Rechtsmittel gehen werden.

Der Journalist zitiert die Vorsitzende Richterin:

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gelte aber auch für Neonazis.

Die Nazis hätten ihre Ziele erreicht, wenn das nicht so wäre. Ich freue mich als Verteidiger jedenfalls für die junge Kollegin und ihren Erfolg. Wenngleich ich als Mensch den Nazi auch lieber von der Straße geholt gesehen hätte.

Die Konsequenz aus dieser Entscheidung, die einige der Zuhörer und die Nebenklage nun befürchten, muß der Rechtsstaat ertragen. Ich auch.

Update:
Kommentar zum Neonazi-Urteil: „Rechtsstaat tut weh„, auch von Heinz Siebold, nun in der Stuttgarter Zeitung

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Wurstgesetz

Wundert sich eigentlich noch jemand, warum die Beteiligung der Bürger an Wahlen stetig abnimmt. Offenbar ist es denen völlig Wurscht, was die da im Reichstag machen. Anlaß für die Wurschtigkeit gibt es reichlich.

In diesem Zusammenhang … eine alte Weisheit lautet:

Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden. (1)

Im Zeitalter von Youtube läßt sich das aber nicht verhindern:

Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie! (2)

Ich gehe dann jetzt mal besser in die Apotheke und kaufe ein paar Schlaftabletten …

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(1) „Laws,“ says that illustrious rhymer, Mr. John Godfrey Saxe, „like sausages, cease to inspire respect in proportion as we know how they are made;“ in: University Chronicle. University of Michigan (27 March 1869)

(2) Otto von Bismarck

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André S. beim LKA

„Seine Aussagen haben die Ermittlungen nicht weitergebracht“, sagt ein Fahnder.

Hatten die Beamten des Landeskriminalamts in der Keithstraße etwas anderes erwartet?

Ich denke, der ICD-10, dort Ziffer R41.2, wird den Ermittlern und dem Verletzten genauso gut bekannt sein wie der § 55 StPO.

Einen stimmungsvollen Bericht über den Rocker-Besuch beim LKA liefert Thomas Heise auf SPON.

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RAF-Stunts

Schön formulierter Kommentar zum Urteil des Oberlandesgericht Stuttgart vom 6. Juli 2012:

Von zwei Kriminellen, die vom Motorrad aus mordeten, sind nun mit Mohnhaupt, Klar, Folkerts und Becker vier verurteilt. Der Rechtsstaat stellt sich die RAF offenbar als politisierte Motorradakrobatentruppe vor.

Friedrich Küppersbusch via taz.

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Stadtbegrünung

Berlin ist eben eine grüne Stadt.

Bild: Helga

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