Dem Mandanten droht eine längere Haftstrafe und er sitzt in Untersuchungshaft. Die Verhältnisse sind nicht vermögend, aber familiär gesichert. Im Rahmen der Haftprüfung erreicht der Verteidiger, dass der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden soll, wenn eine Kaution in Höhe von 7.000 Euro gestellt wird.
Die Familie legt zusammen und der Verteidiger teilt dem Gericht mit: Die Geldmittel sind verfügbar. Darauf beschließt das Gericht u.a.:
Der Vollzug des Haftbefehls vom 25.2.2011 wird ausgesetzt, wenn der Angeklagte eine Kaution in Höhe von 7.000 Euro hinterlegt.
An dieser Stelle lauert eine böse Falle … für den Verteidiger.
Wenn der Verteidiger nun die Kaution nun auf den Namen des Mandanten hinterlegt, zählt das Geld zu dessen Vermögen. Im Falle einer späteren Verurteilung wird dann die Kautionssumme mit den Verfahrenskosten, die der Verurteilte zu tragen hat, schlicht verrechnet. Das bedeutet: Die Kaution bleibt in der Justizkasse, obwohl der Angeklagte sich an die Auflagen des Haftbefehls gehalten hat und nicht weggelaufen ist. Die Familie sieht keinen Cent der mühsam zusammengekratzten Summe wieder. Jedenfalls nicht aus der Justizkasse.
Es ist anzunehmen, daß das Gericht bei der Abfassung des Haftverschonungsbeschlusses Kenntnis von dieser Rechtslage hat. Der Gedanke liegt nahe, daß auf diesem Wege versucht wird, die Familie des Angeklagten mit den Verfahrenskosten zu belasten. Nach dem Motto: Was wir haben, das haben wir.
Verhindern kann der Verteidiger das, in dem er die Kaution ausdrücklich auf den Namen eines Familienangehörigen einzahlt, nicht jedoch auf den Namen seines Mandanten. Der Sicherungszweck wird dann in gleichem Maße erfüllt. Der Zweck einer Kaution ist die Sicherstellung des Strafverfahrens, nicht die der Verfahrenskosten.
Übersieht der Verteidiger dieses Problem, wird es vermutlich zu seinem eigenen.
… berichtete der vorsichtige Strafverteidiger Tobias Glienke
Ist das wirklich „hinterhältig“? Warum sollte der Steuerzahler die Kostn tragen wenn doch 7000,-€ zur Verfügung stehen?
Juristisch sehe ich nach summarischer Einschätzung keine Probleme. Das Mandat besteht ausschließlich mit dem Angeklagten. Beim Rechtsanwaltsvertrag in Strafsachen, dürfte es sich auch kaum um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handeln. Es verbleibt allenfalls eine deliktische Haftung nach § 826 StGB wegen unterlassenem Hinweis gegenüber den Angehörigen. Das halte ich aber für sehr abenteuerlich. Gleichwohl dürfte es dem Mandanten natürlich ggü. seiner Familie Schwierigkeiten bereiten, wenn das Geld nicht mehr zurückfließt und das würde der Mandant dann letztlich natürlich dem Strafverteidiger ankreiden…
Zur Kenntnis des Gerichts: Das denkt regelmäßig nicht so weit und verwendet einfach nur das Vorstück für einen Verschonungsbeschluss. Ich musste erst letzte Woche einem (erfahrenen) Haftrichter erklären warum der Verteidiger so hartnäckig darauf bestand die Kaution in eigenem Namen zu stellen (Obwohl es der Lebensgefährte war, der mit sehr anrüchigen Bargeld zur Einzahlung bereitstand).
Hier war allerdings der konkrete Hintergrund dass Pfändungsmaßnahmen der StA zur Vermögensabschöpfung in den Rückzahlungsanspruch für die Kaution drohten.
Verhindern kann der Verteidiger das nur dann, wenn er zuerst eine Änderung des AV- Beschlusses herbeiführt. Denn die von Ihnen empfohlene Vorgehensweise, „auf den Namen eines Angehörigen“ hinterlegen hat das Gericht nach dem von Ihnen wörtlich zitierten Beschluss bislang so nicht zugelassen, so dass dann Ihr Mandant die AV-Maßnahme (Sicherheitsleistung durch den Angeklagten) noch nicht erfüllt hätte und weiter einsitzen muss.
D.h. erst bei Gericht beantragen, den Beschluss dahingehend zu ergänzen, dass die SiL auch wie in § 116 I 2 Nr. 4 StPO vorgesehen durch einen anderen erbracht werden darf und dann erst auf den Namen des anderen hinterlegen.
Pfiffige Haftungsrechtler könnten im Einzelfall auch noch auf die Idee kommen, dass der Verteidiger, wenn er sich zu weit aus dem Fenster lehnt und darauf einlässt, mit den Kautionsstellern selbst zu verhandeln, einen Kreditauftrag nach § 778 BGB erteilt und dann als Bürge haftet…. ….
[…] Vollzug gesetzt werden soll, wenn eine Kaution in Höhe von 7.000 Euro gestellt wird. zum Artikel Posted in Allgemein Tags: Gericht, Haftprüfung, Kaution, Verfahrenskosten « VZ warnt vor […]
@Michael: Die 7000 € stehen zwar als Kaution zur Verfügung, aber sind möglicherweise nur geliehen. Warum sollte das unnötigerweise dem Vermögen des Angeklagten zugerechnet werden?
@ crh
Natürlich sollte der Strafverteidiger auf jeden Fall darauf achten, in einem solchen Fall niemanden, insb. nicht den eigenen Mandanten zu verprellen. Einen gesonderten (Treuhand-)Vertrag zwischen Anwalt und Angehörigen würde ich aber eher nicht annehmen, da der Anwalt das Geld ja nicht selber halten sondern lediglich weiterleiten soll und dies von Anfang an klar ist. In atypischen Fällen kommt vielleicht eine Haftung nach § 311 Abs. 3 BGB in Betracht, wenn der Anwalt gezielt auf die Angehörigen einwirkt und dabei das Gefühl vermittelt, das Geld würde später zurückfließen. Aber natürlich gilt immer: Cover your ass! Lieber ein Bisschen zu vorsichtig sein, als nachher in der Haftungsfalle zu stecken… :-)
Der Straftäter muß die Kosten zahlen. So ist nunmal das Gesetz. Und wer ihm das Geld für die Kaution leihen kann, der kann es ihm auch leihen, um die Justizkasse zu bedienen.
Beim Finanzamt muß ja auch der Auftraggeber für den Handwerker haften. Ist nicht richtig, nicht gerecht und trotzdem ist es so.
Es ist für mich nicht einzusehen, daß der Steuerzahler auf den Kosten sitzen bleibt. Als Richter würde ich daher den Verteidiger fragen, ob der Angeschuldigte die Kaution selber stellen wird. Wenn ja: normale Kaution. Wenn nein: 10-fache Kaution. (Natürlich ohne Ansage…)
„Die Verhältnisse sind nicht vermögend, aber familiär gesichert“.
Das ist ein Satz, der mich traurig stimmt und für die der Schreiber mit einer Woche Computerentzug bestraft gehört.
Den VSD finde ich so abwegig gar nicht.
„Bekommt mein Tante Erna denn die Kohle auch wieder, wenn ich nicht abhaue?“ – „Na aber sicher, sehr geehrter Herr Brause.“ – „Prima, dann sach ich ihr Bescheid:“
Zu diesem Thema: Kammergericht, Beschluß vom 01.03.2012, 4 Ws 22/12